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18.8.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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«Die Peene brennt» - Neues Theaterspektakel in Anklam +++ Konflikt Flimm/Ruzicka um Salzburger Schauspiel +++ Archiv unveröffentlichter DDR-Literatur

«Die Peene brennt» - Neues Theaterspektakel in Anklam
Anklam (ddp-nrd). Das vor einem Jahr in Anklam präsentierte Open-Air-Spektakel «Die Peene brennt» wird im September fortgesetzt. Statt vier Vorführungen stehen in diesem Jahr sogar zehn Abendvorstellungen auf dem Programm, wie die Vorpommersche Landesbühne Anklam am Montag mitteilte. Finanziell unterstützt werde das Theaterprojekt von der EU und der Stadt Anklam.
Präsentiert wird den Angaben zufolge eine spannende und witzige Episode aus der Besatzungsgeschichte der Peenestadt. Fast 100 Mitwirkende, darunter auch Mitglieder des Anklamer Kunstensembles und Schauspieler der schwedischen Partnerstadt Burlöv, zeigen einen bunten Mix aus Schauspiel, Musik, Tanz und pyrotechnischen Effekten.

Konflikt Flimm/Ruzicka um Schauspiel
Orf - Das bei der Bekanntgabe des Rückzugs von Schauspielleiter Jürgen Flimm aus Salzburg vereinbarte Stillhalte-Abkommen mit Intendant Peter Ruzicka hält nicht. In einem Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 12. August warf Flimm dem Festspiel-Intendanten vor, die Schauspielstätten für das Mozartjahr 2006 auf "imperialistische Weise in Besitz genommen" zu haben, "ohne das Schauspiel davon zu informieren". Im APA-Gespräch heute, Donnerstag, bekräftigte und verstärkte Flimm seine Vorwürfe gegen Intendant Ruzicka.
"Ruzicka hat mit seinem \'News\'-Interview von vor einigen Wochen das Stillhalteabkommen als erster gebrochen. Auch mag ich es nicht, dass er meinen Rückzug aus Salzburg öffentlich so kommentiert, dass die Leitung der Ruhrtriennale für mich ein Herzenswunsch sei. Im Zentrum unseres Konfliktes stehen die Planungsarbeiten für das Mozartjahr 2006. Daran wird offensichtlich, dass im Festspielhaus kein kollegiales Prinzip mehr herrscht."
"Meine Konzepte, das Schauspiel in das Mozartjahr zu integrieren, wurden nicht einmal diskutiert", argumentierte Flimm: "Ruzickas Idee der 22 Mozartopern ist doch kein Konzept. Wo sollen denn die Festspiele derart viele Sänger der Spitzenklasse hernehmen? Wo würde er denn zum Beispiel die abgesagte Jelinek/Neuwirth-Oper - Geld von Vilar hin oder her - überhaupt produzieren? Er drängt das Schauspiel ja schon jetzt aus der Felsenreitschule (für ein Projekt 2004, Anm.), geht in die Pernerinsel rein, ohne uns zu informieren und hat uns im republic in arge Terminnot gebracht. Diesen Mann interessiert das Schauspiel nicht, der hat noch nicht einmal den Jedermann gesehen. Ruzicka war insgesamt in eineinhalb Theatervorstellungen."
"Wie Ruzicka die \'Passagen\' im republic finanzieren will, ist mir unklar", sagte Salzburgs Schauspielchef und beruft sich auf einen Beschluss des Kuratoriums. Demnach müssen die Veranstaltungen im Szene-Haus selbsttragend sein, was im Fall des "Young directors project" durch das Sponsoring der Firma Mont Blanc gewährleistet ist.
"Das Schauspiel zahlt viel Geld für die Oper, wir nennen das scherzhaft Opernsteuer. Im Vorjahr waren das rund 200.000 Euro, heuer werden es rund 300.000 Euro sein, die wir an Überschuss erwirtschaften und an die Oper abführen. Das ist in Ordnung so - aber für das Schauspiel in Salzburg weiterkämpfen, das kann ich nicht mehr. Egal ist es mir nicht, aber mehr als meinen Nachfolger Martin Kusej coachen, kann ich nicht mehr tun", so Flimm im APA-Gespräch.
Nach diesen deutlichen Worten gegen Ruzicka gab es von Flimm noch Streicheleinheiten für Präsidentin Helga Rabl-Stadler: "Sie ist eine der wenigen in diesem Laden, die dafür sorgt, dass etwas funktioniert".
Heftig reagierte Peter Ruzicka, Intendant der Salzburger Festspiele, auf die Vorwürfe, die der Leiter des Schauspiels, Jürgen Flimm, in der Süddeutschen Zeitung und in der APA erhoben hatte.
"Flimms Wortwahl (imperialistisches Inbesitznehmen von Spielstätten, Anm.) ist indiskutabel. Im Übrigen aber auch in der Sache völlig unbegründet. Ich habe als Intendant der Salzburger Festspiele eine Gesamtverantwortung für alle Sparten und Spielstätten und entscheide nach ausschließlich künstlerischen Gesichtspunkten."
Auch den Vorwurf, das Schauspiel nicht oder unzureichend informiert zu haben, lässt Ruzicka nicht auf sich sitzen:
"Der Vorwurf fällt in sich zusammen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass alle Planungsschritte der Oper und des Konzertes drei bis vier Jahre im Voraus erfolgen und diese Dispositionen selbstverständlich im Hause bekannt sind. Leider sind Dispositionen des Schauspiels generell zu kurzatmig, so dass ein gemeinsames Konzept nur schwer zu entwickeln ist. Dass der für 2006 vorgesehenen Mozart-Zyklus mit allen 22 Bühnenwerken auch bereits im Jahr zuvor besondere Maßstäbe für die Gesamtdisposition ergibt, habe ich immer hervorgehoben und deshalb eine Opernproduktion auch für das Landestheater vorgesehen", erläuterte Ruzicka schriftlich.
Von der Zerstörung der Infrastruktur des Schauspiels durch die Planungsarbeiten für das Mozartjahr 2006 könne, so Ruzicka, keine Rede sein. "Das beweisen die aktuellen künstlerischen Planungen mit Martin Kusej, dem für die Jahre 2005 und 2006 zuständigen neuen Schauspieldirektor. Er begreift die Schauspielplanung, insbesondere für das Jahr 2006, im Unterschied zu Herrn Flimm als Herausforderung und hat fabelhafte Ideen entwickelt, wie im Landestheater, auf der Perner Insel und im republic ein künstlerisch attraktives und dabei anspruchsvolles Schauspielprogramm entwickelt werden kann", so Ruzicka.
Der wirtschaftliche Erfolg des Schauspiels bei den Festspielen sei erfreulich, stelle aber den Normalfall dar, argumentierte Ruzicka. Insgesamt sehe er, Ruzicka, keinen Grund, warum Flimm, "derart wild um sich schlägt".

Archiv unveröffentlichter DDR-Literatur
Mit einem «Archiv unveröffentlichter Literatur in der DDR» will der Berliner Schriftsteller Joachim Walther an unbekannt gebliebene Autoren erinnern.
Hiddensee/Berlin (ddp). Ihre Texte blieben ungedruckt. Oft hinterließen sie nur ein paar handschriftlich gefüllte Hefte. In den Stasi-Akten sind die Blätter noch heute als «strafrechtliches Beweismaterial» fein säuberlich abgeheftet. Joachim Walther nennt die unbekannten Autoren die «heimlichen Schriftsteller der DDR». Die meisten von ihnen waren noch junge Talente, die wegen ihrer regimekritischen Haltung in ostdeutschen Gefängnissen litten und oft seelisch und körperlich an den Repressalien der Diktatur zerbrachen.
Der 59-jährige Literaturexperte und Schriftsteller Walther durchforstet seit zweieinhalb Jahren zusammen mit der Autorin Ines Geipel die Stasi-Archive nach literarisch wertvollen Texten ehemaliger DDR-Häftlinge. Dabei sind die Experten auf zum Teil überraschende Werke gestoßen. Sie machten bereits Arbeiten von etwa 200 bislang unbekannten Autoren ausfindig und sicherten 50 vollständig erhaltene Nachlässe. Mittlerweile verfolgen sie 450 Spuren.
Die Bandbreite der Arbeiten reiche von politischen Pamphleten bis zu ästhetisch wertvoller Lyrik, Prosa und Dramatik, sagt Walther. Einige der Autoren hätten seiner Einschätzung nach in einer Demokratie eine glänzende Schriftstellerkarriere gemacht. Daher will er retten, was verloren zu gehen droht.
Zu den hoffnungsvollsten jungen Literaten in der DDR gehörte dem Experten zufolge Edeltraud Eckert. Als 21-Jährige hatte sie gegen die Zustände in den sowjetischen Internierungslagern der DDR protestiert und wurde 1950 vom Potsdamer Militärtribunal zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt. In der Strafanstalt Waldheim schrieb sie mehr als 100 Gedichte sowie so genannte Monatsbriefe an ihre Angehörigen.
Im April 1955 starb die junge Frau an den Folgen eines Arbeitsunfalls. Ihre Gedichte schickte das Krankenhaus an Eckerts Schwester, die sie bis heute aufbewahrte. Die Texte zeugten von einem großen lyrischen Talent, urteilt Walther und vergleicht sie mit frühen Schriften von Rainer Maria Rilke.
In Thüringen stießen die Experten sogar auf die Spuren eines seinerzeit verborgenen Dichterkreises, der kleine Literaturfeste veranstaltete, bis die Stasi ihn zuschlug und die Autoren festnahm. Zu dem Zirkel gehörte beispielsweise Rolf Schilling, der 30 Jahre lang im Verborgenen schrieb. Sein Lebenswerk umfasst rund 4000 Seiten. Erst nach der Wende erschien im Arnshaugk Verlag München eine 16-bändige Werkausgabe des heute bei Nordhausen lebenden Literaten.
Der heute in Hamburg lebende Autor Manfred Bartz recherchierte seinerzeit im Verborgenen überraschende Details über die DDR-Volkswahlen und schrieb die gesellschaftssatirische Komödie «Hundert Prozent», eine Anspielung auf die gängigen Wahlfälschungen.
Ein Monumentalwerk von 4000 Seiten mit dem Titel «Das Land aller Übel» verfasste Thomas Körner, der in den 80er Jahren in den Westen floh. Seine Experimentalprosa, sagt Walther, erreiche die intellektuelle Höhe von Heiner Müller. Literarisch wertvoll seien auch die Arbeiten des Thüringers Günter Ullmann, der in der Einzelisolation 14 Buchmanuskripte verfasst habe.
Viele Texte seien Zufallsfunde in den Akten der Birthler-Behörde, erläutert Walther. Die Erschließung der personenbezogenen Unterlagen sei kompliziert. Oft sei man auf die Hilfe der Autoren oder der Hinterbliebenen angewiesen.
Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur will Walther jetzt ein «Archiv unveröffentlichter Literatur in der DDR» aufbauen. Es soll öffentlich zugänglich sein und helfen, die gesamte DDR-Literatur zu bewerten. Denn viele Literaturkritiker aus den alten Ländern kümmerten sich noch immer nichtum die «weggedrückten» Autoren, bemängelt der 59-Jährige.
Außerdem wollen Walther und Geipel einen zehnbändigen Literaturführer mit dem Titel «Gerettete Texte» oder «Verschwiegene Bibliothek» herausgeben. Das Werk soll nicht nur Leseproben enthalten, sondern auch die Schicksale der «heimlichen Schriftsteller der DDR» aufzeigen.