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2.10.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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John M. Coetzee erhält Literatur-Nobelpreis +++ Schweizer Autor entdeckt bisher unbekannte Brecht-Werke +++ Theaterfestival in der Platte fand regen Zuspruch

John M. Coetzee erhält Literatur-Nobelpreis
Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften hat heute Mittag die mit Spannung erwartete Entscheidung bekannt gegeben: John M. Coetzee erhält den heurigen Literatur-Nobelpreis. Er zählte zu den erklärten Favoriten. Die Auszeichnung ist mit 10 Millionen schwedischen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotiert und wird traditionsgemäß am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, in Stockholm überreicht.
Der 63 Jahre alte Coetzee ist nach Nadine Gordimer der zweite weiße Autor aus Südafrika, der mit der wichtigsten Würdigung der literarischen Welt ausgezeichnet wird.
Zur Begründung sagte die Akademie, Coetzee "porträtiert die Teilhaftigkeit des Menschen an der Vielfalt des Daseins in oft überrumpelnder Weise". Zu Coetzees bekanntesten Werken zählen "Leben und Zeit des Michael K." sowie "Schande". Für beide Romane wurde Coetzee bereits mit dem britischen Booker-Preis ausgezeichnet.
Der als Sohn eines Rechtsanwalts und einer Lehrerin in Kapstadt geborene Coetzee hat bisher neun Romane sowie zahlreiche Essays und Aufsätze publiziert. "Schande" ("Disgrace") gilt als das bedeutendste Werk des heute in Adelaide (Australien) lebenden Schriftstellers. In Deutschland sind seine Werke im S. Fischer Verlag erschienen.
Coetzee setzt sich in seinem oft als düster und freudlos beschriebenen Werk mit den Folgen des Kolonialismus auseinander. Oft steht dabei eine Eltern-Kind-Beziehung für das Verhältnis zwischen Kolonialmacht und kolonisiertem Volk. "Disgrace" setzt sich sehr kritisch mit dem Südafrika Nelson Mandelas auseinander. Schwarze zünden die Hauptperson, einen weißen Unidozenten, an und vergewaltigen seine Tochter.
"J.M. Coetzees Romane zeichnen sich durch verschlagene Komposition, verdichteten Dialog und analytische Brillanz aus. Aber er ist gleichzeitig ein gewissenhafter Zweifler, schonungslos in seiner Kritik der grausamen Vernunft und der kosmetischen Moral der westlichen Zivilisation", heißt es von Seiten der Akademie.
"Seine intellektuelle Ehrlichkeit zersetzt alle Grundlagen des Trostes und distanziert sich vom billigen Theater der Reue und des Bekenntnisses. Auch wenn seine eigene Überzeugung durchscheint wie in der Verteidigung der Rechte der Tiere, so erhellt er eher die Voraussetzungen dieser Überzeugung, als dass er für sie argumentiert."
Coetzee sei vor allem an Situationen interessiert, in der die Unterscheidung von richtig und falsch sich als unbrauchbar erweise: "Indem er Schwäche und Niederlage erforscht, fängt Coetzee den göttlichen Funken des Menschen." Hervorgehoben werden sein Debütroman "Dusklands" ("die erste Probe eines Einfühlungsvermögens, mit dessen Hilfe Coetzee immer wieder unter die Haut des Fremden und Abstoßenden kriecht"), "Im Herzen des Landes", "Warten auf die Barbaren" ("ein politischer Thriller in der Tradition Joseph Conrads"), der Roman "Leben und Zeit des Michael K" ("hat seine Wurzeln sowohl bei Defoe als auch bei Kafka und Beckett") sowie weitere Bücher.
Der Variationsreichtum in Coetzees Werk sei groß: "Er verfertigt nie zwei Bücher nach demselben Rezept."
Die südafrikanische Literatur-Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer hat die Zuerkennung des Preises jetzt auch an ihren Landsmann John M. Coetzee mit großer Freude aufgenommen. "Ich bin begeistert, er ist ein guter Freund und ein großer Schriftsteller", sagte Gordimer der dpa nach Bekanntwerden der Preisvergabe. "Ich denke, es ist großartig, ich war die erste (1991) und er ist nun der zweite - es ist auch bedeutsam für Südafrika."
Die Vergabe des Literatur-Nobelpreises an John M. Coetzee ist nach Ansicht des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki eine "vernünftige Entscheidung". Der Südafrikaner sei ein "beachtlicher Autor".
Der Literatur-Nobelpreis für Coetzee wird nach Ansicht seiner deutschen Lektorin Ursula Köhler (S. Fischer Verlag) die Aufmerksamkeit auf den Autor lenken, die er seit Jahren verdient habe. "Ich habe das Gefühl, dass es doch noch Gerechtigkeit auf der Welt gibt", so die Lektorin.
Coetzees Verleger Stephen Johnson von Random House Südafrika fasste es kurz zusammen: "Der Mann ist ein Genie. Er sagt so viel in so wenigen Worten."
Der neue Literaturnobelpreisträger sorgt für Rätselraten. Dass der südafrikanische Schriftsteller J. M. Coetzee die begehrte Auszeichnung erhalten hat, weiß mittlerweile zwar die ganze Welt - nur er selbst möglicherweise noch nicht. Die Königlich Schwedische Akademie, die den Nobelpreis vergibt, hat den neuen Literaturstar noch nicht ausfindig machen können. Doch damit nicht genug: Niemand scheint genau zu wissen, was sich hinter den Initialen J. M. verbirgt. Nicht einmal Coetzees Verlag kann das Mysterium aufklären.
Coetzee gibt selten Interviews. "Ich glaube an Kargheit", heißt es in einem der seltenen Interviews. "Karge Prosa, eine karge, sparsame Welt: das ist eine unattraktive Seite meiner Persönlichkeit, an der viele Menschen fast verzweifelt sind, die an meiner Seite leben mussten."
Seinen Namen könne man aussprechen, wie man wolle, "Koisi" mit Betonung auf dem ersten i oder endsilbenbetont "Koezee", habe Coetzee auf Anfragen seines Verlages hin mitgeteilt, wie es einmal im "profil" hieß.
Um zu dieser Entscheidung zu kommen, mussten die Juroren im Sommer gewaltige Stapel mit Büchern von Nobelpreis-Kandidaten ablesen, um sich dann Schritt für Schritt auf eine Endauswahl zu einigen. Die Mitglieder der Akademie haben sich in diesem Jahr sehr früh und schnell auf einen Preisträger geeinigt haben, eine Überraschung schloss man daher schon im Vorfeld aus - Coetzee war unter den erklärten Favoriten.
In den vergangenen beiden Jahren wurden mit Kertész und Naipaul zwei Autoren geehrt, die seit längerem, genau wie auch Grass 1999, zum engsten Anwärterkreis gehört hatten. Dazwischen entschied sich die Akademie mit dem international weitgehend unbekannten Exil-Chinesen Gao Xingjian für einen absoluten Außenseiter.
Der von der Schwedischen Akademie vergebene Literatur-Nobelpreis ist inzwischen mit zehn Millionen Schwedischen Kronen (1,1 Millionen Euro) dotiert. Er wird jeweils am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters, in Stockholm überreicht. Der Nobelpreis für Literatur wird seit 1901 - mit Unterbrechungen vor allem in den Weltkriegen - jedes Jahr vergeben.

Seine wichtigsten Werke in deutscher Ausgabe im Überblick:
· "Eiserne Zeit" (deutsche Ausgabe 1995)
· "Leben und Zeit des Michael K." (1997)
· "Mr. Cruso, Mrs. Barton & Mr. Foe" (1998)
· "Der Junge. Eine afrikanische Kindheit" (1999)
· "Schande" (2000)
· "Das Leben der Tiere" (2000)
· "Warten auf die Barbaren" (2001)
· "Die Geisteswissenschaften in Afrika" (2001)
· "Die jungen Jahre" (2002)
· "Der Meister von Petersburg (2002)

Quelle: http://kultur.orf.at/031002-12648/index.html

Schweizer Autor entdeckt bisher unbekannte Brecht-Werke
Zürich (ddp). Der Schweizer Theater- und Buchautor Werner Wüthrich hat in einem privaten Nachlass bisher unbekannte Werke von Bertolt Brecht (1898-1956) entdeckt. Darunter befinden sich unter anderem zwölf neue Geschichten über Brechts bekannte Kunstfigur Herr Keuner. Der Fund umfasst außerdem weitere Fragmente der verschollenen Kollomann-Wallisch-Kantate, Textfassungen bekannter Brecht-Werke sowie Bilder, Bücher und Briefe.
«Das ist ein herausragender Fund, gerade für einen so gut erforschten Künstler wie Brecht», sagte Erdmut Wizisla, Leiter des Brecht-Archivs der Akademie der Künste Berlin, am Donnerstag. Er verhandelt derzeit über den Kauf des Nachlasses. Noch gehören die Werke zwei Töchtern der Familie Mertens-Bertozzi. Diese gaben Brecht und seiner Lebensgefährtin Helene Weigel von Ende 1947 bis Herbst 1948 nahe Zürich Unterkunft.
Als das Paar 1949 nach Deutschland zurückkehrte, ließ Brecht ein Arbeitsdepot zurück. «Er wollte Kontakt in die Schweiz halten, weil er sich gut vorstellen konnte, dorthin zurückzukehren», sagt Wüthrich. Nach seinem Tod geriet die Existenz seiner Schweizer Hinterlassenschaft in Vergessenheit.
Wüthrich kam ihr nach einem Besuch im Berliner Brecht-Archiv auf die Spur. Er forscht seit 1998 im Auftrag des Instituts für Theaterwissenschaft der Universität Bern. Die bisherigen Ergebnisse veröffentlicht er in dem Buch «Brecht und die Schweiz», Band 1, das in diesem Monat erscheint.

Theaterfestival in der Platte fand regen Zuspruch
Halle (ddp-lsa). Das Internationale Theaterfestival im Plattenbauviertel Halle-Neustadt ist auf reges Interesse gestoßen. Nach anfänglichem Zögern sei der Zuspruch der Hallenser mit jedem Tag gestiegen, sagte Benjamin Foerster-Baldenius vom Organisationsteam des Thalia Theaters Halle. Auch von Auswärts seien zahlreiche Interessenten gekommen, um das «Hotel Neustadt» einmal zu besuchen. Zum Abschluss des Festivals am Mittwoch standen eine «Hotel Neustadt Show» und eine fiktive Hochzeit auf dem Programm.
Seit dem 19. September hatten außer montags vielfältige Veranstaltungen stattgefunden. Internationale Künstler, das Thalia-Ensemble und Jugendliche aus Halle stellten in Performances, mit Theaterstücken und anderen Darbietungen ihre künstlerischen Überlegungen zum gegenwärtigen Leben in Plattenbausiedlungen vor.
Hauptspielorte waren die von Jugendlichen zu einem Hotel auf Zeit umgestaltete Hochhausscheibe A, der benachbarte S-Bahnhof und das Gelände zwischen beiden Gebäuden. Neben den Angeboten von Künstlern kam dem Publikum eine entscheidende Rolle zu: Jeder konnte auf seiner Reise durch das Hochhaus-Hotel das Universum und sich selbst erforschen.
http://www.hotel-neustadt.de