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21.10.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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Prinzessin Leonie oder Freistaat Thüringen: Wem gehören Goethes Handschriften? +++ Günter-Grass-Haus offiziell in Lübeck eröffnet +++ 11. Berlin-Brandenburgische Buchwochen starten +++ Schriftstellerverband: NRW bietet Nachwuchs «optimale» Bedingungen +++ Bald Märchenzeit am Theater Altenburg-Gera

Prinzessin Leonie oder Freistaat Thüringen: Wem gehören Goethes Handschriften?
orf - Um den handschriftlichen Goethe-Nachlass - 2001 in das UNESCO-Register "Gedächtnis der Menschheit" aufgenommen - ist ein Gerichtsstreit entbrannt. Das Verwaltungsgericht Gera muss sich an diesem Donnerstag mit den Rückübertragungsansprüchen von Prinzessin Leonie von Sachsen-Weimar-Eisenach zu Kernbeständen des Goethe- und Schiller-Archivs beschäftigen. Das Adelshaus fordert vom Freistaat Thüringen die Rückübertragung der Schriften von Goethe und Schiller. Politiker und Kunstfreunde sind alarmiert. Sie befürchten, das einzigartige nationale Kulturgut könnte in Privathand übergehen und nur noch gegen horrendes Entgelt Öffentlichkeit und Forschung zur Verfügung stehen.
Jochen Golz, Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs, hofft auf eine Lösung, die Weimar die Kostbarkeiten erhält. "Es geht um den größten und kostbarsten Teil des Archivs", sagt der Literaturwissenschaftler. Er umfasse etwa 90 Prozent aller poetischen Manuskripte Goethes (1749-1832), darunter die Reinschrift von "Faust II" und des "West-Östlichen Divan" sowie seine Tagebücher aus sechs Jahrzehnten. "Das ist unverzichtbarer Teil des deutschen Kulturerbes", meint Golz. Der Eintrag in das "Memory of the World" (Gedächtnis der Menschheit) der UNESCO unterstreiche diese Wertschätzung. Bisher gibt es weltweit knapp 100 Projekte, denen diese Ehre zukommt.
Das Landesamt für offene Vermögensfragen hatte 1998 die Ansprüche des Adelshauses zunächst anerkannt, ein Jahr später dann jedoch aus Rechtsgründen und nach deutschlandweiten Protesten revidiert. Zur Begründung hieß es, der Klassikernachlass sei 1945 einer Stiftung übertragen und damit nicht enteignet worden. Die Rückgabe von Bildern, Möbeln, Geschirr und Büchern könne nur bei einer Enteignung erfolgen. Hintergrund ist das seit 1994 geltende Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz, nach dem Adligen und privaten Sammlern, die nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet wurden, ihre bewegliche Habe zurückgegeben werden muss.
Adel verpflichtet - dieser Maxime fühlte sich das Weimarer Herzogshaus über Jahrhunderte verbunden. 1895 übergab der letzte Goethe-Enkel Wolfgang die Schriften als Zeichen des Vertrauens in die Hände von Großherzogin Sophie, berichtet Golz. Eine gute Lösung, findet er. "Literaturarchive in dem Sinne gab es noch nicht." Großherzogin Sophie baute eigens für die Schriften Goethes und Schillers ein Archiv. "Ich habe geerbt, und Deutschland und die Welt sollen mit mir erben", erklärte sie. In ihrem Testament gliederte sie das Archiv aus und bestimmte, dass es immer als unveräußerliches Erbe der Familie in Weimar bleibt und der Forschung offen stehen muss. "Wir sehen den Willen der Großherzogin weiter als verbildlich an", sagt Golz im Namen der Stiftung Weimarer Klassik.
Prinz Michael von Sachsen-Weimar-Eisenach beteuerte immer wieder, er wolle den Nachlass in Weimar lassen. Er habe jedoch die Ansprüche seiner minderjährigen Tochter Leonie sichern wollen. Das Adelshaus fordert zudem die Rückübertragung des Inventars der Schlösser Weimar und Tieffurt sowie der Fürstengruft mit den Särgen seiner Ahnen und denen von Goethe und Schiller.
Seit Jahren verhandeln Adelshaus und Land Thüringen. Kunst- Staatssekretär Jürgen Aretz sagte: "Die Bemühungen der Parteien um eine außergerichtliche Einigung dauern an." Thüringen strebe unverändert eine Gesamtlösung zu allen Restitutionsforderungen des Hauses Sachsens-Weimar-Eisenach an. Das Goethe- und Schiller-Archiv wäre ein Bestandteil dieser Gesamtlösung, sagte Aretz, der Leiter der Interministeriellen Arbeitsgruppe Restitution ist.

Günter-Grass-Haus offiziell in Lübeck eröffnet
Lübeck (ddp-nrd). Mit einem Festakt ist das neue Günter-Grass-Haus in Lübeck am Sonntag offiziell seiner Bestimmung als Literatur- und Kunsthaus übergeben worden. Zu der Feier mit dem Schriftsteller und Nobelpreisträger waren neben zahlreichen Gästen auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis, der scheidende Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin (beide SPD) und der Schauspieler Armin Müller-Stahl in das Theater der Hansestadt gekommen. Grass hatte am vergangenen Mittwoch seinen 75. Geburtstag gefeiert.
Simonis bezeichnete die Eröffnung des Günter-Grass-Hauses als einen weiteren Meilenstein einer großartigen Künstlerkarriere. «Zeichnen und Schreiben sind für den Künstler Günter Grass Möglichkeiten der Mitteilung. Sie sind nicht voneinander zu trennen», sagte Simonis in einer vorab verbreiteten Rede. Das Haus werde diese untrennbaren Möglichkeiten der Mitteilung veranschaulichen. Es sei für Schleswig-Holstein ein Glücksfall, in Lübeck eine national bedeutsame Einrichtung für die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts schaffen zu können. Die Einrichtung vereine die Nobelpreisträger Thomas Mann und Günter Grass unter einem organisatorischen Dach.
Grass sei ein Künstler, der mit seinen Werken immer wieder Anstoß erregt habe. «Partei ergreifen, ein Stachel sein gegen Selbstgefälligkeit und Konformismus, ein Mensch sein - dazu gehören Unabhängigkeit, Unbestechlichkeit und Mut. Und davon hast Du mehr als genug», sagte Simonis an die Adresse von Grass.
Rund zwei Millionen Euro haben Erwerb und Umbau des denkmalgeschützten Hauses und der Ankauf eines repräsentativen Teils von Grass\' Vorlass gekostet. Die Hansestadt Lübeck, die das Literatur- und Kunstzentrum betreibt, finanzierte das Projekt durch nationale und europäische Fördermittel. Die Landesregierung unterstützte das Projekt Simonis zufolge mit 787 000 Euro aus dem Regionalprogramm 2000.
Die Adresse in der Glockengießerstraße 21 in Lübeck gilt schon seit Jahren als Anlaufstelle für Literaturinteressierte. In dem Haus ist seit langem das Sekretariat des Künstlers und Zeitkritikers Grass eingerichtet. Besucher finden in dem neuen «Forum für Literatur und bildende Kunst» neben Texten und Handschriften auch Bilder, Radierungen und Lithographien von Grass. Neben einer ständigen Ausstellung über sein bisheriges Leben und Wirken wird es immer wieder wechselnde Präsentationen junger vielseitig begabter Talente geben. Eine umfangreiche Bibliothek bietet Forschern und interessierten Besuchern die Möglichkeit, sich umfassend über Leben und Werk des Wahl-Lübeckers zu informieren.

11. Berlin-Brandenburgische Buchwochen starten
Berlin (ddp-bln). Die 11. Berlin-Brandenburgischen Buchwochen werden heute in der Hauptstadt eröffnet. Unter dem Motto «Das Abenteuer des Verlegens: Über Bücher & Autoren» wird es in einem angeregten Duett der Verleger Inge Feltrinelli aus Mailand und Klaus Wagenbach aus Berlin um Leseerfahrungen, Vergangenheit und Zukunft der Bücher gehen. Die Veranstaltung beginnt um 11.00 Uhr in der Berliner Schaubühne.
Die Buchwochen bieten bis zum 10. November 96 Veranstaltungen in Buchhandlungen, Bibliotheken und literarischen Einrichtungen der Region. Unter der Überschrift «Mein erstes Buch» berichtet beispielsweise der Dramatiker und Schriftsteller Rolf Hochhuth über Bücher, die sein Leben entscheidend beeinflusst haben. Veranstalter der Buchwochen ist der Verband der Verlage und Buchhandlungen Berlin-Brandenburg, der vor elf Jahren als erster Ost-West-Wirtschaftsverband gegründet wurde.

Schriftstellerverband: NRW bietet Nachwuchs «optimale» Bedingungen
Köln (ddp-nrw). Nach Meinung des Verbandes deutscher Schriftsteller NRW (VS) haben angehende Autoren im bevölkerungsreichsten Bundesland «optimale» Entwicklungsmöglichkeiten. In NRW gebe es jeweils in Unna, Gladbeck, Detmold und Düsseldorf Literaturbüros, die sich vorbildlich für die Nachwuchsliteraten engagierten, sagte die nordrhein-westfälische VS-Vorsitzende Anna Dünnebier in einem ddp-Gespräch in Köln. In diesen Büros würden regelmäßig Seminare zu Themen vom Drehbuchschreiben bis zum Verfassen eines Romans angeboten.
Auch der Schriftstellerverband veranstalte regelmäßig so genannte Professionalisierungskurse etwa zu Urheberrechtsfragen. Dünnebiers Einschätzung zufolge machten sich zudem die Städte stark für künftige Schriftsteller. In einschlägigen Literaturhäusern böten sie den Autoren ein Forum. Außerdem lobten die Kommunen im Lande zahllose Nachwuchspreise aus, um die sich junge Schreiber bewerben könnten, sagte die VS-Vorsitzende.
Während sie sich um die Möglichkeiten für den literarischen Nachwuchs in NRW nicht sorgen muss, sieht Dünnebier für andere Bereiche allerdings schwarz. «Ich würde mir wünschen, dass Universitäten kreatives Schreiben auch in Fächern wie Jura, BWL oder den Naturwissenschaften anbieten», sagte die VS-Vorsitzende. Sie fügte hinzu: «Bei vielen Studenten stimmt es zwar inhaltlich, doch wenn man Texte von ihnen liest, erkennt man gravierende sprachliche Mängel. Um ihre Stilistik aufzubessern, müssten die Universitäten noch einiges tun.»

Bald Märchenzeit am Theater Altenburg-Gera
Altenburg/Gera (ddp-lth). Im tristen Monat November können sich die Kinder in Altenburg und Gera auf neue Märchen-Inszenierungen freuen. Nachdem in den zurückliegenden beiden Spielzeiten russische Märchen über die Bühne gingen, haben dort dieses Mal wieder die Brüder Grimm das Sagen, wie das Theater mitteilte. Während am 13. November «Die Bremer Stadtmusikanten» in Altenburg ihr erstes gemeinsames Konzert spielen, schüttelt «Frau Holle» einen Tag später in Gera kräftig die Betten.
Das Schauspielensemble greift für seine neuen Stücke auf moderne Fassungen zurück. Peter Ensikat schrieb die pointierte Versionen der «Bremer Stadtmusikanten», die direkt dem Leben abgelauscht scheint. Regisseur Steffen Pietsch setzt die Geschichte um die vier betagten Haustiere, die mit einem Neuanfang ihr Leben retten, in der Ausstattung von Otmar Alt in Szene.
Von dem Lyriker Rainer Kirsch stammt die Bühnenfassung von «Frau Holle». Getreu der Vorlage schickt er die beiden Schwestern Marie zu ihr, wo sie sich bewähren müssen und am Ende belohnt oder bestraft werden. Kirsch schuf zudem neue Figuren, mit denen die Zuschauer Neues entdecken können.
(www.theater.altenburg.gera.de)