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Enzensberger "Der Untergang der Titanic" wird von Tabori szenisch eingerichte

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Berlin (ddp). Für George Tabori, 87-jähriges Theater-Urgestein, war das 20. Jahrhundert ein katastrophales Jahrhundert. Mit scheinbar unverbrauchbarer Energie spiegelt er seine Erfahrungen in Theaterproduktionen. Jetzt hat er sich Hans Magnus Enzensbergers "Der Untergang der Titanic" vorgenommen und den Text am Berliner Ensemble (BE) szenisch eingerichtet. Premiere war am Dienstagabend.

Natürlich interessiert Tabori an Enzensbergers Text aus dem Jahr 1978 vor allem dessen metaphorischer Gehalt: die "Titanic" gleichsam als Weltzustand. "Der Anfang vom Ende ist immer diskret", heißt es bei Enzensberger, und so kann auch niemand die Frage beantworten, ob, während die Party noch andauert, der Eisberg vielleicht schon gerammt wurde. Taboris/Enzensbergers Botschaft lautet: Das Schiff sinkt jedenfalls oder wird sinken, und unten bemerken sie das natürlich eher als an Deck, wo bis zuletzt die Kapelle spielt. In den Rettungsbooten ist dann aber nur Platz für die erste Klasse.

Carmen-Maja Antoni, Margarita Broich, Ursula Höpfner, Hermann Beil, Matthias Brenner, Markus Meyer und Veit Schubert sitzen vor dem halb hochgezogenen eisernen Vorhang und verlassen immer wieder den gelesenen Vortrag, um in die unterschiedlichsten Rollen, die es "an Bord" gibt, zu schlüpfen. Da treffen sich die Gezierte und der Betrunkene, der Technikgläubige und die Revolutionärin, die Frau mit Platzangst und der Schnösel. Die Ursache des gemeinsamen Untergangs liegt laut Enzensberger in den Worten, den zu spät oder zu früh gesagten - und in den gar nicht ausgesprochenen. Die "Davon-geht-die-Welt-nicht-unter"-Mentalität führt direkt zum Weltuntergang.

Im Theater am Schiffbauerdamm gab es freundlichen Applaus für die Darsteller. Auch Tabori freute sich über herzlichen Beifall.
Jens Bienioschek