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In der Dudelsack-Schule: Tiefenentspannung bei 140 Dezibel

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Homburg - Einmal im Jahr lädt Schottlands berühmteste Dudelsackschule zu einem Treffen in Deutschland. Dem Ruf ins Saarland folgen Spieler und Trommler aus zahlreichen Ländern. «Es geht darum, das Dudelsackspiel als schottisches Kulturgut zu erhalten und auch außerhalb Schottlands die Qualität bei den Spielern zu verbessern.»

Craig Munro ist das, was sie hier eine Koryphäe nennen. Sie, das sind Menschen aus ganz Europa, die gekommen sind und eine Woche Urlaub genommen haben, um von ihm zu lernen. Frauen und Männer, Erzieherinnen und Lehrer, Banker und Whisky-Händler. Gemeinsam sitzen sie im Gruppenraum der Jugendherberge im saarländischen Homburg und hören zu, wie Munro von Atemtechnik und Rhythmus erzählt - und wie er seine Übungsflöte erklingen lässt.

«Craig Munro ist so jemand, von dem man sagt, dass er schon mit dem Dudelsack auf die Welt gekommen ist», sagt Rita Wyss. Seit sie vor acht Jahren zum ersten Mal selbst zur «Pipe» gegriffen hat, kann sie nachempfinden, was es bedeutet, so wie der bekannte Musiker Munro, der auch zur schottischen Band «Red Hot Chilli Pipers» gehört, spielen zu können. Die Schweizerin ist eine von 55 Dudelsackspielern und Trommlern, die an der Winterschule des «College of Piping» aus Glasgow teilnehmen und von bekannten Lehrern Einzel- und Gruppenunterricht erhalten.

Seit sieben Jahren bietet die älteste Dudelsackschule Schottlands diese Übungswoche in Homburg an - zusätzlich zur Sommerschule, die sie jährlich in den USA veranstaltet. «Es geht darum, das Dudelsackspiel als schottisches Kulturgut zu erhalten und auch außerhalb Schottlands die Qualität bei den Spielern zu verbessern», sagt Kirstin Fürst, Deutschland-Vertreterin der Schule, die das Treffen seit drei Jahren organisiert.

Noch vor sieben Jahren war die Saarländerin eher unfreiwillig dabei: Denn schon mit acht Jahren hatte sich ihr Sohn in den Kopf gesetzt, das Dudelsackspielen zu lernen. Als Mutter musste sie mit, um beim Unterricht hinter ihrem Sohn zu sitzen und zu übersetzen. Inzwischen ist die 42-Jährige längst selbst unter die Trommler gegangen.

Ist es also eine Art Sucht? «Auf jeden Fall ist es etwas sehr Spezielles», sagt Rita Wyss. Kirstin Fürst bestätigt: «Die Leute in der Szene, das sind alles Freaks. Und die Liebe zu dem Instrument, zu dieser Musik ist einfach so groß, so überwältigend groß, dass man so manche Strapazen auf sich nimmt, um mit anderen diese Musik und diese Begeisterung zu teilen.» Diese Musik habe «einfach dieses Faszinierende, Martialische, Durchdringende - das verursacht Gänsehaut!»

Beim Dudelsackspielen verlassen Klänge in einer Lautstärke von bis zu 140 Dezibel den Luftsack. Schließlich mussten die Signale der Piper, die innerhalb des schottischen Heeres besonders geachtet waren, früher über das gesamte Schlachtfeld erschallen - oder als Kommunikationsmittel in den Weiten der Highlands zu hören sein.

In Homburg geht es an diesem Vormittag leiser zu. Noch jedenfalls. Beim Unterricht in der Jugendherberge greifen Lehrer und Schüler zur «Practice Chanter», der Übungsflöte - aus Rücksicht vor den Klassen nebenan, und um sich selbst besser hören zu können. Für den Nachmittag liegen auf den Notenblättern spezielle Ohrstöpsel bereit, wenn es zur großen Gruppenprobe mit den richtigen Dudelsäcken und Trommeln kommt. Schließlich wird nicht nur zum Spaß geübt oder um später bei Wettbewerben besser abschneiden zu können - sondern auch, um die Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen. So steht beispielsweise am Samstag ein großes Dudelsack-Abschlusskonzert in der Jugendherberge auf dem Programm. Dann werden Schüler und Lehrer in schottischer Tracht, dem Highland Dress, zu sehen sein.

Norman Welz, ein 53-jähriger Banker aus Baden-Baden mit schottischen Vorfahren, trägt den Schottenrock schon zur Probe. «Für mich ist das sehr wichtig. Ich tue das aus Respekt der Kultur gegenüber.» Schon mehrmals war er in den vergangenen Jahren bei der Winterschule dabei. «Es ist die pure Tiefenentspannung», sagt er.

 

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