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Lyrikerin Eva Strittmatter gestorben [update]

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Berlin - Die Schriftstellerin Eva Strittmatter ist gestorben. Eine Sprecherin der Eulenspiegel-Verlags bestätigte am Dienstag auf dapd-Anfrage eine entsprechende Meldung des «Berliner Kuriers». Die Lyrikerin und Kinderbuchautorin starb in einem Altersheim bei Berlin. Strittmatter wurde 80 Jahre alt. Weitere Details waren zunächst nicht bekannt.

Ihr letzter Gedichtband «Wildbirnenbaum» war 2009 im Berliner Aufbau Verlag erschienen. «Ich spüre, wie ich vereise. Vom Alter, nicht vom Frost...», heißt es dort in einem Gedicht. Die Lyrikerin hat es «Finstere Stunde» genannt.

Eva Strittmatter wurde am 8. Februar 1930 in Neuruppin geboren. Von 1947 bis 1951 studierte sie Germanistik und Romanistik in Berlin, arbeitete dann beim Deutschen Schriftstellerverband und beim Kinderbuchverlag der DDR.

Seit 1954 war sie freie Schriftstellerin. 14 Gedichtbände hat sie veröffentlicht, sechs Prosa-Bände, darunter die «Briefe aus Schulzenhof»-Trilogie, und mehrere Kinderbücher. 1956 heiratete sie den18 Jahre älteren Schriftsteller Erwin Strittmatter - und ordnete ihr Tun fortan zu weiten Teilen der Liebe zum nicht unkomplizierten Mann und der zu den vier Söhnen unter.

Über ihr Leben an der Seite des Romanciers («Der Laden») hat sie mit der Literaturkritikerin Irmtraud Gutschke gesprochen. Das daraus entstandene und 2008 unter dem Titel «Leib und Leben» erschienene Buch beschreibt schonungslos offen, dass das Geschehen in Schulzenhof nicht immer so idyllisch war, wie hundertfach aufgeschrieben. «Wenn ich nicht immer um Verzeihung gebeten hätte für das, was er mir angetan hat, wären wir schon vor Jahrzehnten auseinandergeprellt», sagte Eva Strittmatter einmal über die Beziehung zu ihrem 1994 verstorbenen Mann.

Bis fast zum Ende ihres Lebens hat Eva Strittmatter Gedichte geschrieben, wann immer es ihre Kraft erlaubte. Planmäßigkeit war dabei ihre Sache nicht - ihre Lyrik kam immer aus dem Augenblick. Die Liebe, das Leben als Mutter und - in den letzten Jahren immer wieder - Alter, Krankheit und Tod waren ihre Themen. «Ich habe geschrieben, wie das Leben so geht. Alle Menschen erleben ziemlich verwandte Dinge», resümierte sie im dapd-Gespräch. Die Strittmatter hat den Menschen aus der Seele geschrieben -und wurde so im Schatten des berühmten Mannes zu einer der meistgelesenen Poetinnen im deutschsprachigen Raum.

Ihr letztes großes Projekt aber galt einmal mehr dem Lebensgefährten. Nachdem sie jahrelang den Nachlass ihres Mannes geordnet hatte, plante Eva Strittmatter gemeinsam mit dem Aufbau Verlag die Herausgabe zweier Bände aus den Tagebüchern Erwin Strittmatters, die zu dessen 100. Geburtstag 2012 erscheinen sollen. Eva Strittmatter hat nach eigenem Bekunden gehofft, diese Arbeit noch vollenden zu können. Was aus dem Projekt wird, konnte am Dienstag im Aufbau Verlag noch niemand sagen.

 

Vor dem Winter

Ich mach ein Lied aus Stille
Und aus Septemberlicht.
Das Schweigen einer Grille
Geht ein in mein Gedicht.

Der See und die Libelle
Das Vogelbeerenrot.
Die Arbeit einer Quelle.
Der Herbstgeruch von Brot.

Der Bäume Tod und Träne.
Der schwarze Rabenschrei.
Der Orgelflug der Schwäne,
Was es auch immer sei,

Das über uns die Räume
Aufreißt und riesig macht
Und fällt in unsre Träume
In einer finstren Nacht.

Ich mach ein Lied aus Stille.
Ich mach ein Lied aus Licht.
So geh ich in den Winter;
Und so vergeh ich nicht.

Eva Strittmatter (Aus "Leib und Leben", 2008)