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Urgestein der U-Musik der DDR wird 75

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«Heißer Sommer» und «Messeschlager Gisela» - Komponist Gerd Natschinski wird am Samstag 75

Berlin (ddp). An der Musik von Gerd Natschinski kam im Osten kein Ohr vorbei. Ob die Filmmusik zu «Heißer Sommer» (mit Chris Doerk und Frank Schöbel), die Musicals «Messeschlager Gisela» und «Mein Freund Bunburry» oder aber «Romtarom» (Regina Thoss) - zahlreiche Ohrwürmer stammen aus Gerd Natschinskis Feder. Am Samstag feiert der Komponist in Berlin seinen 75. Geburtstag.

Der Jubilar blickt auf eine Bilderbuchkarriere zurück, wie sie so wohl nur im deutschen Osten möglich war. Der Musiklehrer im sächsischen Clausnitz, der nur kurz studierte und sich dann weitgehend autodidaktisch weiterbildete, war schon 20-jährig Arrangeur, dann Chef eines Leipziger Filmorchesters im «Capitol» und als 24-Jährig bereits Leiter des Großen Unterhaltungsorchesters des Berliner Rundfunks. Außerdem brachte er es zum Meisterschüler bei Hans Eisler, der ihm 1951 sagte: «Schreiben Sie Gebrauchsmusik - die wird gebraucht.»

Das Musical «Bunburry», das meistgespielte deutschsprachige Werk seines Genres, aus dem Jahr 1964 wurde auch schon zur DDR-Zeiten von verschiedenen Bühnen im Westen präsentiert. Zu den bekannten Werken des erfindungsreichen Melodikers und findigen Arrangeurs gehören aber auch «Terzett» und «Servus, Peter». Für den Musikfilm «Heißer Sommer» - mit mehr als sechs Millionen Zuschauern einer der erfolgreichsten DEFA-Filme überhaupt - arbeitete der Komponist mit seinem Sohn Thomas Natschinski, einem der ersten DDR-Rockmusiker, zusammen.

Außerdem schrieb er Musik für Revuen des Berliner Friedrichstadtpalastes, für Fred Frohberg («Zwei gute Freunde») und Klaus Groß («Viola, Viola» aus dem DEFA-Film «Carola Lamberti»). 1978 wurde Natschinski zum Intendanten des Berliner Metropol Theaters berufen. Er gab diese Position jedoch nach drei Jahren wieder auf, um sich ganz dem Komponieren widmen zu können. Natschinskis Schaffen wurde mit internationalen Auszeichnungen und in der DDR mit drei Nationalpreisen geehrt.

Nach der Wende wurde es etwas ruhiger um ihn. Er bearbeitet ältere Melodien aus eigener Feder und ist auch als Dirigent gefragt, als der er seine Karriere einst begann. Zudem ist der Komponist Präsident der Dramatiker-Union, der ältesten deutschen Dramatiker-Vereinigung und Mitglied der Franz-Grothe-Stiftung. Darüber hinaus setzt er sich vehement für das Erbe der vertriebenen und ermordeten jüdischen Komponisten und Texter seines Genres ein.

Mit dem Filmorchester Babelsberg führte er Ende Juli zu den Elblandfestspielen in Wittenberge einen Ausschnitt aus «Mein Freund Bunbury» und mit Dagmar Frederic als Solistin den zum Evergreen gewordenen Bärbel-Wachholz-Schlager «Damals» auf. Außerdem kündigte er gerade an: «Ich schreibe wieder ein Musical!»

Klaus Klingbeil