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Anschalten – abschalten. Beim Radiogerät geht das schnell. Und beim Sender Freies Berlin auch. Genau 18 Monate durfte sich der Hörfunksender „Radiokultur“ von SFB und ORB bewähren, dann lagen schon die Pläne für seine Einstellung bei den Verantwortlichen auf dem Tisch. Dabei war der Sender erst im Zuge der Fusion der Klassik- und Kulturprogramme von NDR, SFB und ORB am 3. Oktober 1997 gegründet worden: als Kultursender mit Wort-Musikendungen über Themen aus Berlin und Brandenburg. Bis Ende Mai muß jetzt die Entscheidung fallen, ob er mangels Einschaltqoten im Sommer abgeschaltet wird. „Radio 3“ vom NDR soll dann weitere Programmanteile aus der SFB- und ORB-produktion übernehmen. „Radio 3“ definierte sich sich von Anfang an als Spartenprogramm für klassische Musik und das soll nach den jüngsten Plänen von Wolfgang Knauer (NDR) und Wilhelm Matejka (SFB,ORB) auch in Zukunft so sein. Ein Sieg der klassischen Musik über das Wort? Ein Pyrrhussieg, denn was ist Ernste Musik, Neue Musik, auch anspruchsvolle U-Musik, ohne adäquate Vermittlung durch das Wort. Bestenfalls eine Heavy-Rotation-Station für Klassikhits. Gehobenes Kulturprogramm und geringe Einschaltquoten: Das Problem ist nicht nur in Berlin virulent. Doch dabei muß man stets fragen dürfen, wo die Herrschaft der Quote endet und wo der Bildungsauftrag eines Öffentlich-rechtlichen Senders beginnt.
Der eigentliche Skandal dieser Abschaltung liegt woanders: Wo bleibt die Kulturberichterstattung aus und für Berlin? Soll die von Hamburg aus geschehen? Spätestens am 16. April, bei der Einweihung des Plenarbereichs im Reichstagsgebäude, hätte es den Verantwortlichen doch klar werden müssen: Berlin ist Haupstadt. Und das hat auch etwas mit Kultur zu tun.