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La Freya Goldmark vom Laura Jurd Ensemble. Beide Fotos: Ralf Dombrowski

La Freya Goldmark vom Laura Jurd Ensemble. Beide Fotos: Ralf Dombrowski

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Bewährtes und Perspektivisches

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Zur 53. Internationalen Jazzwoche Burghausen
Vorspann / Teaser

Ein Festival wie die Internationale Jazzwoche Burghausen muss mit vielen Variablen rechnen. Da ist zum einen die eigene Tradition, die auf mehr als ein halbes Jahrhundert Geschichte zurückblickt und auf eine beachtliche Anzahl der Berühmtheiten stolz sein kann, die in der vergleichsweise kleinen Stadt an der Salzach zu Gast waren. Man muss darüber hinaus die ortstypische Infrastruktur bedenken, von der vom 12. bis 17. März umgewidmeten Werksversammlungshalle des Hauptsponsors bis hin zu vereinsinterneren Vorlieben der Interessensgemeinschaft Jazz, der Stadt selbst und der involvierten Gastronomie. Dann kommt außerdem die Veränderung der Musik hinzu, die kaum noch Superstars, dafür aber viel spannendes neues Personal zum Entdecken zu bieten hat. Die Jazzwoche versucht daher schon länger den Spagat zwischen Bewährtem, was die große Halle füllt, und Perspektivischem, das neue Hörer*innen und Künstler*innen in die Stadt holt.

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Und in diesem Jahr ist dieses Wechselspiel der Ansprüche besonders gut gelungen. Denn auf der einen Seite konnte man junge Bands wie Feh, die Monika Roscher Big Band oder auch die Combos der Jazz Night und des Next in Jazz-Sonntags erleben. 

Auf der anderen Seite aber klappte die Anbindung an die Tradition mit dem hinreißend eleganten Quartett des Bassisten Ron Carter. Den Blick über den Tellerrand schaffte das Festival mit aufwändigen Projekten, wie etwa der britischen Trompeterin Laura Jurd oder des Komponisten Christian Muthspiel, der als Dirigent sein Orjazztra Vienna durch ein manchmal etwas übervolles Widmungsprogramm an die Filme von Federico Fellini führte. Es gab mit Black Lives ein weiteres und mit Musikern wie Reggie Washington oder David Gilmore hochbesetztes Tribute, das sich durch Spoken Words und Stilcrossover mit dem realexistenten Rassismus vor allem in der amerikanischen Gesellschaft auseinandersetzte, während der Posaunist Samuel Blaser mit seinem Routes Ensemble, ebenfalls sich verbeugend, durch Reggae-Sphären navigierte.

Manch einer kam von weit angereist, etwa um den nigerianischen Sänger und Gitarristen Keziah Jones zu erleben, der sich hart und laut mit herbem Soul präsentierte, währenddessen Landsfrau Justina Lee Brown ihre Lebensgeschichten eher in bluesige Beschwörungen verpackte. Die Überraschungen aber waren die ganz jungen Musiker des Festivals. Zum einen spielte der Blues-Gitarrist und Sänger D.K. Harrell sein erst zweites Deutschlandkonzert auf der großen Bühne und schaffte es, das Publikum in einen schwelgenden Flow des wohlwollenden Gemeinschaftsgefühls zu versetzen. Und die eigentliche Entdeckung war der Pianist Simone Locarni, der als Gewinner des dem Festival vorgeschalteten 14. Europäischen Burghauser Nachwuchswettbewerbs die Konzerte in der Wackerhalle eröffnete. Er führte nicht nur den Beweis, dass Solo-Klavier auf großer Bühne faszinieren und funktionieren kann, sondern entfaltete darüber hinaus ein in sich stimmiges Klanguniversum, das von der melodischen Feinheit bis zur großen wühlenden Klaviergeste die Menschen mitnahm. Mit Simone Locarni ahnte man eine mögliche Zukunft der improvisierten Musik, sowohl für die Jazzwoche Burghausen als auch für die Jazzwelt überhaupt, als persönliche, bewegende Kunst.

  • Die Konzerte in der Wackerhalle wurden von BR-Klassik gefilmt und sind über www.br-klassik.de/concert und die ARD-Mediathek zu sehen und zu hören.

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