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Tannhäuser am Nationaltheater Kosice. Foto: Joseph Marčinský

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Nach 65 Jahren wieder am Nationaltheater Kosice: Richard Wagners Tannhäuser

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Anders als im deutschsprachigen Raum gibt es im slawischen Osteuropa (mit wenigen Ausnahmen wie Budapest) keine lückenlose Aufführungstradition für die Opern Richard Wagners. Die bipolare Wirkungsgeschichte der Bayreuther Festspiele und des rechtskonservativen Bayreuther Kreises, die Verflechtungen zwischen Winifred Wagner und Adolf Hitler sowie die Reformen von ‚Neu-Bayreuth‘ und der ‚Werkstatt Bayreuth‘ werden im Ausland vielfach weniger gebrochen rezipiert als in Deutschland.

Unter diesen Gesichtspunkten gewinnt die Inszenierung von Richard Wagners fünfter Oper „Tannhäuser“ am Nationaltheater Kosice/Slowakei unter der künstlerischen Gesamtleitung des Operndirektoriums von Roland Khern Tóth und Stanislav Trnovský höhere Bedeutung.

Die Regie verortet das von Wagner im Mittelalter angesiedelte Sujet vom Sänger Tannhäuser im Spannungsfeld von ‚keuscher‘ Liebe zu Elisabeth und sinnlicher Leidenschaft zur heidnischen Göttin Venus direkt in der Familie Wagner und der Villa Wahnfried in Bayreuth. Sie setzt Tannhäuser gleich mit Siegfried Wagner, dem einzigen Sohn Richard Wagners, und dessen Leben als queere Persönlichkeit in der ständigen Zerreißprobe zwischen Familie, Lebensarbeit. Druck der Öffentlichkeit und persönlichem Glück. Die „biographische Phantasie“ beginnt mit der Anbahnung zur Vermählung Siegfrieds, damals „begehrtester Junggeselle Deutschlands“, mit Winifred, der späteren Festspielleiterin und lebenslangen Parteigängerin Adolf Hitlers. Sie endet mit Siegfried Wagners tödlichem Herzanfall während der Bayreuther „Tannhäuser“-Proben 1930. Als versöhnlicher Ausblick erklingt nach dem berühmten Pilgerchor-Finale der Schlusschor aus Siegfried Wagners Oper „Der Friedensengel“ (entstanden 1914).

Die „Tannhäuser“-Neuproduktion unter der musikalischen Leitung von Peter Valentovič bereichert das Wagner-Repertoire der Slowakei als gewichtiger Beitrag zu den Jubiläen „150 Jahre Einzug der Familie Wagner in die Villa Wahnfried“ (Vorstellungen am 26./28. April 2024) sowie 150 Jahre Bayreuther Festspiele 2026. Sie ist mit Karol Szymanowskis „König Roger“ (Gastspiele bei der Theaterolympiade Budapest und in Bratislava 2023) sowie einer halbszenischen Produktion von Bedrich Smetanas „Dalibor“ (Premiere: 22. Juni 2024) Teil einer lockeren Trilogie, mit der das zweitgrößte Theater der Slowakei queere Aspekte dieser bedeutenden Opern sowie ihres historischen Hintergrunds aufgreift und in poetischer Form reflektiert.

Gastdramaturg Roland H. Dippel kommentiert: „Internationale Beobachtende (z. B. Friedrich Naumann Stiftung) bezeichnen das Leben queer empfindender Personen in der Slowakei als ‚Albtraum‘. Die Planung und Konzeption für die „Tannhäuser“-Produktion entstand kurz vor Berufung der rechtspopulistischen Kulturministerin Martina Šimkovičová und vor den slowakischen Regierungswahlen im Herbst 2023.“

Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg
Romantische Oper. Musik und Dichtung von Richard Wagner (1813-1883)

Fr 01.12. und So 03.12.2023 / 18:00 (Premiere)
Fr 26.04. und So 28.04.2024 / 18:00 (150 Jahre Einzug der Familie Wagner in die Ville Wahnfried Bayreuth)

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