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Das nächste Jahr ist bereits in diesem Jahr

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Die Popwelt verabschiedet sich 2004 in gleiche Zeiten
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Es war ein lausiges Jahr für die Branche. Die Umsatzrückgänge marschierten weiter, Deutschland fand keinen Superstar und die Welle der Deutsch singenden Heimatstars ebbt langsam ab, weil man geradewegs am Ausverkaufen ist. Trösten wir uns mit Kollektionen und neuen Alben der Audiowelt, die genau so gut unsere „Heilig- Abend-Forelle“, „Feiertags-Gans“ oder unser „Neujahrs-Fondue“ sein könnten.

„Un, Dos, Tres“ beginnt Bono das neue U2 Album „How to Dismantle an Atomic Bomb“, das mit klirrendem Glockenspiel (Masterbänder geklaut, iPod/Apple Werbung) eingeläutet wurde. Zu Recht, denn U2 nähern sich in Elch ähnlichen Tritten den besten „Achtung Baby“-Zeiten. The Edge ist wieder Freund mit der Gitarre, Bono der pathetische Balladensänger und prickelnde Rocksongs schreiben sie 2004 auch wieder. Ein klarer, aber prächtiger Vergangenheitstrip ist der dritte Teil der Universal „Deluxe Edition“. Das Konzept: Als Einzel-CDs veröffentlichte Alben werden mit unveröffentlichtem Bonusmaterial (Konzertmitschnitten, Outtakes, Remixen) als Doppel-CD im Digipack und bei bester Klangqualität und mit wundervollem Booklet angeboten. Dieses Mal dabei: Eric Clapton, Cream, The Cure, INXS, ABC, Nine Inch Nails, John Martyn, Lloyd Cole & the Commotions, Bob Marley und The Beatles feat. Tony Sheridan/„First“, das absolute Highlight der Kollektion. Künstlerischer aber musikalisch nicht uninteressanter geht die „Artist Collection“ von BMG vor. 14 Zusammenstellungen mit den Stars aller BMG Labels wurden auserwählt und präsentieren kleine „best of“-Alben mit Besonderheit: das Coverartwork. Die BMG konnte Künstler und Illustrator Hanoch Piven für die Gestaltung gewinnen. Piven wurde bekannt durch seine Politiker- und Musiker-Porträts, etwa in der „Times“ oder der „New York Times“. Zu hören (und gewinnen, siehe unten) gibt es mitunter Santana, Elvis Presley, Iggy Pop, Rick Astley oder Luther Vandross.

Freuen darf man sich ab 10. Januar über „Danko Jones“, den wir eigentlich als Rockmusiker kennen, der hier aber zum gesprochenen Wort greift und wunderbare Geschichten zum Rock’n’Roll-Business erzählt. Ein „Spoken Word“-Album als Märchen, bald auch live in Deutschland. Stürmisch und Ende Januar erwarten uns „Head Automatica“, die neue Band des Ex-Glass Jaw Sängers Darryl Palumbo. Ihr Album „Decadence“ weht rau mit 70er-Gitarren, Rockgesang und leichter Chili Peppers Schattierung um die Ecken. Erfrischend. Elegisch, flüchtend und emphatisch melancholisch sind „Mercury Rev“ mit „The Secret Migration“ zurück. Die Spannungsbogen-Meister legen ohne Zweifel ihr bestes von sechs Werken vor. 13 Songs als Referenz für aktives Phlegma mauern sie hoch und lassen sie als Glitzerlichter in der Popwelt stehen. Traumhaft. „Tocotronic“ dokumentieren auf ihrem Anfang Januar erscheinenden Album „Pure Vernunft darf niemals Siegen“ die Perfektion der Redundanz, die mitwiegbar bleibt, aber nach Einsamkeit schreit. Lakonisch und sprachlos-verschwiegen sagen sie einfach alles mit dem im Westberliner Kreuzberg eingespielten Album. Zum Nachdenken, aber auch klar ansprechen. Besserer Indiepop aus „Hier“.

Die Schweden „Paatos“ definieren sich nach dem Überraschungs-Debüt mit dem zweiten Album „Timeloss“ neu. Ruhe begegnet Stille, Jazz Rock und Sängerin Petronella Nettermalm glänzt mit Charakter und Wärme. Die sechs Songs vergehen im Flug, verweilen aber mit satten Progrock Elementen doch lange genug im Kopforbit. Beide Alben sollte man besitzen.

Völlig durchgeknallt präsentiert sich wieder einmal „lcd soundsystem“ und das gleichnamige Doppeldecker-Album. Die Dioden-Rocker verquirlen sowohl süß als auch unerbittlich Rock, Elektro, Blues, Funk, Jazz, Trip Hop und House. Aber Rockmusik bleibt im Kopf und ist gemessen an der Modernität und der „lcd soundsystem“-Form unerreicht in Stil-Vielfalt und Überraschungen. Ende Januar erscheint „The Greater Good“ mit selbigem Album. Dahinter steckt Craig Ross (unter anderem Produzent von Lisa Germano). Ross zeigt sich als großartiger Songwriter, leicht alternativ, mit Popüberhang und bleibenden Songmelodien. Der Geheimtipp für den Jahresbeginn 2005!

Eine Kollaboration der besonderen Art gibt es ab Mitte Januar zu begaffen. Matt Sweeney (Music) und Bonnie Prince Billy (Texte) vereinen auf „Superwolf“ alternativsten Folk mit eruptivsten Gefühlswelten. Seelenheilend. Kurt Nilsen, einst „World Idol“ der Casting Generation, möchte mit seinem selbst geschriebenen Album „A Part of Me“ und Eigenkompositionen im Stile „Plausibler Radiopop“ Punkte gut machen und seriöser werden. Gelingt nicht ganz, dennoch eine Spur netter und aufgekratzter als mit seinen Coverversionen.

Komplett anders und zum Jahresschluss sei als Mischmedium das Buch „Steine“ und die zugehörige CD empfohlen: Die Fotografin Monika Attmanspacher hielt die Anmut, Schönheit und Freiheit von Steinen im Bildband fest, dazu gibt es auf CD sphärische, aber keine geröllige Musik (Keyboard & Perkussion) von Holger Röder und Jochen Scheffter, die die Begleitmusik zum Bildband liefern. Klasse Idee und interessante Kombination. Der Vollständigkeit halber seien noch das Bon Jovi Boxset „100.000.000 Bon Jovi Fans can’t be wrong“ (vier alte neue Alben plus eine DVD) sowie das Nirvana Boxset „With the lights out“ (reihenweise unveröffentlichtes Material und Raritäten en masse) erwähnt, bevor Knecht Rupprecht zum Gewinnspiel ruft: Die neue musikzeitung verlost mit dem online Magazin www.musicoutlook.de je drei CDs der BMG Artist Collection von Iggy Pop, Rick Astley und Elvis Presley.
Details ab dem 13. Dezember unter www.musicoutlook.de.

• U2: How To Dismantle An Atomic Bomb (Universal)
• V.A.: Deluxe Edition: Luxus/Legenden/Leidenschaft (Universal)
• V.A.: Artists Collection (BMG)
• Danko Jones: The Magical World of Rock (Bad Taste Records)
• Head Automatica: Decadence (Warner)
• Mercury Rev: The Secret Migration (V2)
• Tocotronic: Pure Vernunft darf niemals siegen (L’age D’or)
• Paatos: Timeloss (Inside Out)
• lcd soundsystem: lcd soundsystem (DFA Records)
• The Greater Good: The Greater Good (India Records)
• Matt Sweeney/Bonnie Prince Billy: Superwolf (Domino)
• Kurt Nilsen: A Part of Me (BMG)
• Steine: Sachbuch mit Audio-CD (dtv)

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