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Mined with a Motion. Music from the Setting Century Series. Werke von Dinescu, Bestor, Eastman, Oakes, Swack, Mason
Living Artists Recordings
Neue Musik hat viele Gesichter. Auch im metaphorischen Sinn. Kompositionen der amerikanischen Szene aus den 90er Jahren stellt die CD „Mined with a Motion“ vor.
Mit einer Ausnahme: Violeta Dinescu stammt aus Rumänien, lebt aber in Deutschland. „Ichthys“ bezieht sich auf eine Geheimsprache der frühen Christen. In nachempfundenen Paraphrasen wechseln verschiedene Dichtegrade eines Triologes, wobei Dinescu auch melodische Fragmente osteuropäischer Folklore verwendet. Ihr kompromißloser, doch gleichwohl dezent gestalteter Stil überzeugt durch klare Individualität.
Originell sind auch Charles Bestor’s „Soliloquies“, ein synchroner Dialog zwischen dem näselnd-metallischen Klang der Oboe und darauf abgestimmten flexibel programmierten Computersounds. Gespräch mit wechselnden Temperamenten wäre vielleicht eine zutreffende Beschreibung.
Merkwürdig zwischen Kunstlied und Popsong changierend sind Donna Eatsmans „Encounters“. Während die Pianobegleitung rauh, doch rhythmisch markant ist, bleibt der Sopranpart eher fade.
Lyrismen, die an Jack Bruce oder auch Maurice Ravel erinnern. „The Noble Pigeons“ von Rodney Oakes, der hier selbst Posaune spielt, ist eine pattern music, linear, fast ohne Entwicklung. Electronics bilden die rhythmisch-harmonische Basis für charmante Brassexkursionen, die sich allerdings im Kreis bewegen. Was wohl die Tauben dazu sagen würden? Nervös-sarkastisch erscheint die „Sonata for Piano“.
Irwin Swack hat Paraphrasen in diversen Tempi und Stimmungen kombiniert, die eine ähnlich dunkle, ja mystische Färbung haben wie manche späteren Werke von Skrjabin. Nicht jede moderne Komposition gefällt sich in der Attitüde, Zufälligkeiten zu arrangieren. Swack nimmt sich Zeit für die Form, die Ausformulierung von Gedanken.
Das Piano bleibt im Bereich der Tonalität, berührt nicht die Grenzen zum Geräusch, was durchaus nicht selbstverständlich, aber angenehm ist. Zuletzt bleibt Masons „Some Find Me ...“ auf das Gedicht „The Wreck of the Deutschland“ von Gerard Manley Hopkins.
Zwei Strophen werden vor dem ziemlich monochromen Hintergrund knarrender Electronic-Klänge rezitiert, wodurch eine pseudo-sakrale Stimmung erzeugt wird. Doch ist die Rezitation akustisch so verschwommen, daß die Idee, Verzweiflung und Hoffnung als gegensätzliche Gefühle beim Untergang des Schiffes, kaum zum Ausdruck kommt.
Resümée: „Mined with a Motion“ setzt Markierungen, nämlich daß Neue Musik weder abschreckend noch langweilig ist. Wie jede zeitgenössische Kunst hat sie Strömungen, von denen hier einige exemplarisch dokumentiert sind.