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Heiner Goebbels. Foto: Archiv
Heiner Goebbels. Foto: Archiv
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Komponieren heißt, die richtigen Leute zusammenbringen

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Der Komponist, Pianist, Theater- und Rockmusiker, Intendant und Professor Heiner Goebbels wurde 70
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Am 17. August ist Heiner Goebbels siebzig geworden – ihm eine Alters­eloge zu widmen, ist aber noch viel zu früh, denn der 1952 in Neustadt an der Weinstraße geborene Musiker, Komponist und Hörspielautor ist produktiv wie eh und je. Es scheint erst gestern gewesen zu sein, als er zusammen mit Alfred Harth im Duo oder mit der experimentellen Rockgruppe Cassiber in angesagten Szeneclubs brachialen „Musikterror“ veranstaltete oder als Mitbegründer des linksradikalen Blasorchesters sich unter die Demonstranten der außerparlamentarischen Opposition mischte. Sein Movens, Musik zu machen, war stets mit einem starken politischen und gesellschaftlichen Engagement verknüpft.

Seit diesen Jugendtagen hat Goebbels ein reiches Werk in allen Sparten geschaffen und wurde dafür über 80-Mal mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet, 2018 sogar mit einem Ruf an die Justus-Liebig-Universität Gießen auf die erste Georg-Büchner-Professur.

Zentraler Impuls für seine Arbeiten war Mitte der 80er-Jahre Goebbels Begegnung mit dem Werk Heiner Müllers. Seine Hörstücke nach Texten des Dramatikers und Dichters wie „Der Mann im Fahrstuhl“, „Die Befreiung des Prometheus“ oder „Wolokolamsker Chaussee“ fanden eine breite Zuhörerschaft. Anfang der 1990er-Jahre wechselte Heiner Goebbels ins sinfonische Fach und komponierte Orchester- und Ensemblestücke für die Junge Deutsche Philharmonie, das Ensemble Modern, später für die Berliner Philharmoniker, die London Sinfonietta, das Orchestra of the Age of Enlightenment und das Hilliard Ensemble. Bald war er Composer in Residence beim Lucerne Festival und bei den Bochumer Symphonikern.

Seit Mitte der 1990er-Jahre legt Goebbels den Schwerpunkt seiner Arbeiten auf Musiktheaterstücke, darunter „Ou bien le débarquement désastreux“ (1993), „Surrogate Cities für großes Orchester, Stimme, Mezzosopran und Sampler“ (1994), „Eislermaterial“  (szenisches Konzert, 1998), „Landschaft mit entfernten Verwandten“ (Oper 2002) oder jetzt kürzlich für die Berliner Festspiele und die Münchener Konzertreihe musica viva „A House of Call“ (für großes Orchester, 2020). Das Besondere an Goebbels' kompositorischer Arbeitsweise ist es, seine Stücke mit den Musikern, etwa dem Ensemble Modern, und in einem Team von Dramaturgen, Bühnenbildnern, Lichtgestaltern, Kostümbildnern und Sounddesignern zu entwickeln.

Als Künstlerischer Direktor der Ruhrtriennale 2012 bis 2014 kuratierte und produzierte Heiner Goebbels Werke von Robert Wilson, Romeo Castellucci und Michal Rovner, Boris Charmatz, Robert Lepage, Jan Lauwers, Ryoji Ikeda, Douglas Gordon, William Forsythe, Lemi Ponifasio, Mathilde Monnier, Saburo Teshigawara, Anne Teresa de Keersmaker und vielen anderen. Kreativ sein, das bedeutet für Heiner Goebbels nach wie vor: Die richtigen Stoffe mit den richtigen Leuten zusammenzubringen.

 

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