Zwei Männer geben sich die Hand, während einer in Flammen steht. Das Cover von Pink Floyds «Wish You Were Here» ist so legendär wie die Musik. Zum 50. Jubiläum blickt Schlagzeuger Nick Mason zurück.
Wenn es um das Werk von Pink Floyd geht, dann werden oft zuerst die Konzeptalben «The Dark Side Of The Moon» oder «The Wall» genannt. Erst an dritter Stelle folgt «Wish You Were Here», obwohl es den anderen beiden in nichts nachsteht. Im Gegenteil. Der 2008 verstorbene Pink-Floyd-Keyboarder Richard Wright fand sogar, es sei das beste Album seiner Band. Zum 50. Jubiläum erscheint «Wish You Were Here» in einer luxuriösen Neuauflage.
Das vielleicht beste Album von Pink Floyd
«Ich glaube, Rick hat unbewusst recht gehabt», sagt Schlagzeuger Nick Mason (81) im Interview der Deutschen Presse-Agentur in seinem Londoner Studio. «Es ist das Beste, einiges spricht dafür. Aber ich hätte es anfangs nie so bewertet.»
Nach dem gigantischen Erfolg ihres ikonischen achten Albums, das die britische Band 1973 weltberühmt machte, waren die Erwartungen an den Nachfolger hoch. «Es war schwer, an den Erfolg von «Dark Side» anzuknüpfen», erinnert sich Mason. «Wir wollten nicht noch einmal das machen, was wir ein Konzeptalbum nennen. Wir haben also nach etwas anderem gesucht, aber wir hatten keinen konkreten Plan.»
Zunächst versuchten sich Pink Floyd an einem experimentellen Projekt, das später «Household Objects» genannt wurde. Sie erzeugten Geräusche auf Haushaltsgegenständen wie Flaschen und Gummibändern, durch das Zerreißen von Zeitungen oder durch Axthiebe ins Holz. «Es war nicht so, dass wir ein Musikstück gehabt hätten, das wir mit Haushaltsgegenständen nachspielen konnten», sagt Mason. Das Projekt wurde verworfen.
Epischer Tribut an den Bandgründer
Schließlich besannen sich Pink Floyd wieder auf richtige Instrumente und auf ihre Kernkompetenz, epische Songs zu schreiben. «Ich kann mich nicht daran erinnern, welcher Song, welcher Klang, welche Melodie oder welcher Text damals überhaupt alles ins Rollen gebracht hat», gibt Mason zu. Der Drummer war nicht am Songwriting beteiligt. Die Aufgabe teilte sich Wright mit Bassist Roger Waters und Gitarrist David Gilmour.
Das Album beginnt und endet mit «Shine On You Crazy Diamond». Das geniale, neunteilige Epos macht mit über 25 Minuten mehr als die Hälfte der Laufzeit aus. Es ist Bandgründer Syd Barrett gewidmet. Wegen seines exzessiven LSD-Konsums und zunehmenden Realitätsverlusts hatte sich die Gruppe 1968 schweren Herzens von ihrem Schulfreund getrennt.
«Die Idee zum Tribut kam, nachdem Syd uns besucht hatte», erzählt Mason. Während der Aufnahmen in den berühmten Londoner Abbey Road Studios schaute Barrett überraschend vorbei. Er hatte sich optisch stark verändert.
«Als ich in den Regieraum kam, sagte David zu mir: «Nick, weißt du, wer das ist?» Ich sagte: «Nein.» Ich sah einfach nur diese merkwürdige Gestalt. Und er sagte: «Das ist Syd.» Ich war völlig von den Socken. Total. Den anderen muss es genauso gegangen sein.»
Zynischer Kommentar zur Musikindustrie
Ob sich auch der titelgebende Song «Wish You Were Here» um Barrett dreht, der vor seinem Rauswurf wegen seines Zustandes nicht wirklich anwesend war, kann Mason nicht mehr eindeutig sagen. Das müsse man Waters oder Gilmour fragen. Allerdings: «Rogers Erinnerungsvermögen ist sogar noch schlimmer als meins. Gelegentlich ruft er mich an, um etwas zu fragen», berichtet der Schlagzeuger. «Es geht definitiv um verschiedene Formen von Abwesenheit. Das ist das durchgängige Thema.»
Die anderen beiden Lieder - «Welcome To The Machine» und «Have A Cigar» - sind ein zynischer Kommentar auf eine als verlogen empfundene Musikindustrie, die junge Künstler ihrer Individualität beraube. Kalte Synthesizer und Maschinengeräusche erzeugen eine düstere Klangwelt, die den Verlust von Freiheit und Kreativität symbolisiert.
Ein legendäres Foto und ein Gastauftritt
Auch das berühmte Albumcover mit dem Foto von Storm Thorgerson - zwei Männer in Anzügen schütteln Hände, während einer von beiden in Flammen steht - ist eine Metapher: Im Musikbusiness kann man sich schnell verbrennen.
«Ich glaube, das Verhältnis zwischen Bands und Anzugträgern war schon immer schwierig», sagt Mason. «Tatsächlich waren die Anzugträger, wie man sie nennt, oft sehr hilfreich und haben ihren Job richtig gut gemacht. Aber sie konnten sich auch furchtbar benehmen. Genau wie die Künstler.»
Nach über 50 Takes von «Have A Cigar», mit denen die Sänger Waters und Gilmour nicht zufrieden waren, entschieden sie, das Lied von Folkmusiker Roy Harper singen zu lassen, der im Studio nebenan arbeitete. Bezahlt wurde er nicht.
«Ich schätze, wie Roy Harper behandelt wurde, war wohl einer der beschämenden Momente in der Geschichte von Pink Floyd», gibt Mason zu und grinst. «Und es tut mir sehr leid, Roy. Ich werde das noch einmal mit Roger besprechen.»
Jubiläumsauflage mit viel Bonusmaterial
Am 12. September 1975 stand «Wish You Were Here» in den Plattenläden. Das neunte Studioalbum von Pink Floyd verkaufte sich Schätzungen zufolge 20 Millionen Mal. Es zählt damit zu den erfolgreichsten Alben der Musikgeschichte und ist ein weiterer Meilenstein in der Karriere von Pink Floyd.
Die Jubiläumsausgabe erscheint auf drei LPs, zwei CDs, auf Blu-Ray oder digital und als Deluxe-Box-Set. Je nach Format enthält sie unter anderem einen neuen Mix von «Shine On You Crazy Diamond» und 25 Bonustracks, darunter neun Studio-Raritäten und 16 Live-Aufnahmen, die zum Teil erstmals offiziell veröffentlicht werden.
Die Blu-Ray enthält drei Konzertfilme aus dem Jahr 1975. Das Deluxe-Box-Set enthält zudem eine vierte LP, «Live At Wembley 1974», ein Buch mit zuvor unveröffentlichten Fotos und weitere Memorabilien.
Pink Floyd: Wish You Were Here (50th Anniversary)
Label: Sony Music Catalog (Sony Music), erscheint am 12.12.2025