Ich bekenne mich vorbehaltlos zu diesem Wettbewerb und halte ihn für den wichtigsten in Deutschland. Denn wie kein anderer verbindet er Breitenförderung (auf regionaler Ebene) mit einer gesunden „Mittelschicht“ (Landeswettbewerbe) und einer künstlerischen Elite (Bundeswettbewerb) – je nach Einsatz, Begabung, Durchhaltevermögen und Förderung. Ebenen, die sich gegenseitig bedingen, beeinflussen und befruchten. Ein ideales Gesellschaftsmodell.
Aber: „Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.“ Dieses Zitat stammt vom ersten Bundesminister des Innern und späteren Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Gustav Heinemann – und gilt natürlich auch für „Jugend musiziert“.
Zu viele Diskussionen haben in den letzten Wochen und Monaten den Wettbewerb in seiner unschlagbaren Grundidee beschädigt. Wie fast immer in solchen Fällen schwappten aus der Not geborene Gedanken und gut gemeinte inhaltliche Ideen und regulierende Maßnahmen über in persönliche Angriffe, unsachliche Spekulationen und hilflose Verunsicherungen.
Klar: „Jugend musiziert“ muss finanzierbar bleiben und logistisch zu bewältigen. Alle Gespräche aber sollten sich um den Mittelpunkt drehen: um unsere Kinder und Jugendlichen, die sich von der Struktur, dem Angebot und den Fördermöglichkeiten angesprochen und angezogen fühlen mögen!
Und was genau will, erwartet und braucht die junge Generation?
„Jugend musiziert“ soll vor allem ein großes Fest sein, das der Persönlichkeitsentwicklung aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit klaren Spielregeln Vorschub leistet.
Dazu zählen
- mit künstlerischen Vorbildern besetzte Jurys, Kolleginnen und Kollegen, die kraft ihres Lebensweges leuchtende Wegweiser darstellen,
- Rahmenangebote, die die Jugend in einen lebendigen Dialog untereinander, miteinander und mit erfahrenen Mentoren bringen – die Unterstützung von Eltern und Lehrern in der Vor- und Nachbereitung, aber nicht so sehr während der Wettbewerbe,
- Schluss mit Betüttelung und Konkurrenzgebaren vor den Augen und Ohren unserer Kinder!– die Bereitschaft zur Mitfinanzierung in Form einer (symbolischen) Startgebühr,
- die Wiederbelebung des Deutschen Kammermusikkurses als Woche der Begegnung von Bundespreisträgerinnen und Bundespreisträgern.
Die Wahl eines neuen Präsidiums des Deutschen Musikrates in diesem Jahr und die Neubesetzung der Projektleitung von „Jugend musiziert“ werden automatisch frische Perspektiven eröffnen.
Ich sehe darin große Chancen auf einen befriedeten Neubeginn, der das ursprüngliche Modell in seinen wunderbaren Grundzügen mit zeitgemäßen Veränderungen verbinden wird und „Jugend musiziert“ wieder zu dem macht, was es sein soll: ein dynamisches Förderprogramm und ein gestaffeltes Forum für den musikalischen Ausdruckswillen und die Lernbereitschaft unserer Kinder und Jugendlichen.
Schon Sokrates wies 400 Jahre vor Christus darauf hin:„Erziehung durch Musik ist die vorzüglichste, weil Rhythmus und Harmonie am tiefsten ins Innere der Seele dringen, ihr Anstand und Anmut verleihen.“
Daran hat sich nichts geändert!
Mit herzlichen Grüßen Ihr
Hans-Peter Stenzl