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Heike Matthiesen. Foto: Kaupo Kikkas

Heike Matthiesen. Foto: Kaupo Kikkas

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„Musik ist eine heilige Kunst …“

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In Memoriam: Die Frankfurter Gitarristin Heike Matthiesen ist am 22. Dezember 2023 verstorben
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„Musik ist eine heilige Kunst …“ – das steht über der schlichten Traueranzeige in der Tageszeitung. Die Gitarristin Heike Matthiesen hat kurz vor Weihnachten den Kampf gegen ihre langjährige Krebserkrankung verloren. Nach dem Umzug von der Palliativstation zurück nach Hause, verbunden mit dem Aufruf für sie zu beten, stand dies zu befürchten. Sie hatte dies in ihren verschiedenen Social-Media-Accounts bekannt gegeben. 

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Anfang Dezember 2023 war dann das letzte Mal von ihr persönlich zu lesen. Dann wurde es beunruhigend still. Sie, die meist mehrmals pro Woche gepostet hatte, schwieg. Am frühen Abend des 23. Dezember 2023 wurde dann durch ihren engen Freund, den Gitarrenbauer und Schöpfer ihrer Gitarre „Frieda“ Steven Den Toom, im Auftrag der Familie ihr Tod am 22. Dezember im Alter von 59 Jahren bekannt gegeben. Eine großartige Musikerin, geniale Gitarristin, glühende Verfechterin der Belange von Komponistinnen und Frauen in der Musik, weltweit bekannte Musik-Influencerin und wunderbarer Mensch ist nicht mehr.

Heike Matthiesen hat die klassische Musikszene Frankfurts wie kaum eine andere in den letzten Jahren – eher Jahrzehnten – geprägt: Seit langem war sie DIE Netzwerkerin der Klassikszene, pflegte den Kontakt zu unzähligen Kolleg:innen. Man traf sie bei vielen Veranstaltungen: als Botschafterin für das in Frankfurt ansässige „Archiv Frau und Musik“, dessen Vorstandsfrau sie seit 2017 war, auf der Musikmesse, bei Feierlichkeiten und natürlich auch als geniale Interpretin von Gitarrenmusik – vornehmlich von Komponistinnen.

Auch mit dem Frankfurter Tonkünstlerbund war sie eng verbunden: Es gab kaum ein Mitgliederkonzert, an dem sie nicht mit ihrer wundervollen Gitarrenmusik beteiligt war, auf den Versammlungen und Feiern war sie ein fast immer gesehener Gast – und nicht zuletzt war sie einige Jahre als 1. Schriftführerin Teil des geschäftsführenden Vorstands, Landesdelegierte und pflegte auch noch nach ihrem Ausscheiden aus dem Vorstandsamt lange Zeit die Social-Media-Präsenz des FTKB. Sie war die treibende Kraft der Kooperation mit dem „Archiv Frau und Musik“, durch die immer wieder hochkarätige Mitgliederkonzerte mit Werken von Komponis­tinnen durchgeführt wurden. Und sie hat etliche Kolleg:innen im FTKB mit ihrer Begeisterung für die Werke von Komponistinnen angesteckt: 
Die Pianistin Lydia Maria Bader, ihre langjährige Duopartnerin, tourte zum 200. Geburtstag von Clara Schumann mit dem Programm „Auf den Spuren von Clara Schumann“ durch die Republik und stellt in ihrem aktuellen Programm „Femmes de légende“ Werke von Komponistinnen den Werken ihrer berühmten männlichen Kollegen an die Seite. Beim Ruth Schönthal-Projekt „These are the days …“ mehrerer FTKB-Mitglieder am 09.11.2021 sprach sie das Grußwort für das „Archiv Frau und Musik“, welches bei der Entwicklung dieses Projekts großartig inhaltlich unterstützt hatte. Auch mich steckte sie mit ihrer Begeisterung für die Musik von Komponistinnen an. Resultat: zwei Konzertprogramme mit Werken von Komponistinnen für die Duo-Besetzung Flöte-Klavier und die CD „La Flûte Femme“.
Apropos CD: Heike Matthiesen hat insgesamt fünf CDs herausgebracht, zwei davon ausschließlich mit Werken von Komponistinnen. Die „Guitar Divas“, ihre letzte CD und ihr Vermächtnis, erschien erst im Mai 2023. Hier sprüht sie nur so vor Lebensfreude, Virtuosität, die nie zum Selbstzweck wird – und Hoffnung. Dies ist umso bemerkenswerter, da Heike Matthiesen zu diesem Zeitpunkt schon stark durch ihre fortgeschrittene Krebserkrankung beeinträchtigt war. In ihrem Interview für die nmz, welches ich im Mai 2023 mit ihr führen durfte, sprach sie noch von ihren Plänen, mindestens zwei weitere CDs zu veröffentlichen.

Über ihre Musik ist in den letzten Tagen viel geschrieben worden: 
Sie war ein strahlender Stern am Gitarrenhimmel und setzte sich als international gefeierte Gitarristin durch, als die internationale Gitarrenszene noch eine Männerdomäne war. Daher sprach sie – obwohl sie durch und durch eine Frau und dies auch ganz bewusst war – von sich als „Gitarrist“. 
Ihre Tourneen führten sie über den ganzen Globus. Sie trat zum Beispiel auch als Botschafterin für die deutsche Kultur in mehreren afrikanischen Ländern auf Einladung der deutschen Botschaften auf. Matthiesen gab regelmäßig Kompositionen in Auftrag, von denen einige in ihrer Reihe „Edition Heike Matthiesen“ bei Margaux herausgegeben wurden. Sie unterrichtete Meisterklassen, war Jurorin bei vielen Wettbewerben und bildete Musiker:innen in ihrer Medienkompetenz weiter. 

Bei mehr als 2 Millionen Klicks auf YouTube, über 13.200 monatlichen Hörern bei Spotify vor allem in der „Nischen-Nische“ (Zitat Heike Matthiesen) klassische Gitarrenmusik von Komponistinnen und über 25.000 Followern auf ihren verschiedenen Social-Media-Kanälen hat sie den neuen medienaffinen Künstlertypus wie kaum jemand anderes geprägt. 

„Musik ist eine heilige Kunst …“ Das Zitat von Hugo von Hofmannsthal aus dem Libretto der Oper „Ariadne auf Naxos“, das ihre Familie für ihre Traueranzeige verwendet hat, hätte durchaus von ihr stammen können. Sie war durch und durch von der Mission erfüllt, mit ihrer Musik den Seelen der Menschen Frieden, Heilung und Mut zu spenden. In ihrer Internetpräsenz versuchte sie als nahbare Künstlerin auch abseits der Bühne möglichst viele Menschen zu erreichen und sie mit ihrer gewinnenden Art für die Musik zu begeistern.

In Frankfurt begleitete sie die Freie Szene intensiv auf ihrem Weg zum interdisziplinarischen Kultursprachrohr für die Kulturschaffenden der Stadt. Sie fungierte als Ideengeberin, Ansprechpartnerin und Gesprächspartnerin für die Akteure.

Sie war eine Integrationsfigur, hat Viele mit ihrem offenen und empathischen Wesen inspiriert und in ihrem Leben unglaublich viel bewirkt.

Sie hinterlässt eine riesige Lücke, die schwer zu schließen sein wird. Nicht nur in ihrer Familie und in ihrem Freundeskreis, sondern in der ganzen Musikwelt – insbesondere in Frankfurt. Auch ich verliere mit ihr eine enge Freundin und Vertraute. Unser aller Gedanken sind in dieser Zeit bei ihrer Mutter und Schwester. Wir wünschen ihnen von ganzen Herzen viel Kraft und Trost.

Damit das Lebenswerk Heike Mat­thiesens weiter Bestand hat, möchten auch wir im Namen der Familie herzlich um Spenden für das „Archiv Frau und Musik“ unter der IBAN DE04 5005 0201 0200 2040 92, BIC HELADEF1822 bitten.
 

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