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Das neue Leitungsteam des Staatstheaters Mainz. Foto: Hauff
Das neue Leitungsteam des Staatstheaters Mainz: Sara Ostertag, Niklaus Helbling, Jan Christoph Gockel, Elisabeth Stöppler, Markus Müller, Erik Raskopf, Ina Karr, Jörg Vorhaben, K. D. Schmidt. Foto: Staatstheater Mainz
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„Die Zeit der Theaterfürsten ist langsam vorbei.“ – Markus Müller, künftiger Intendant des Mainzer Staatstheaters, stellt Leitungsteam und konzeptionelle Ideen vor

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Nach sieben eher mageren Jahren steht dem Staatstheater Mainz ein Leitungswechsel ins Haus. Markus Müller, derzeit noch Generalintendant am Staatstheater in Oldenburg, übernimmt zum Sommer 2014 die Position des derzeitigen Intendanten Matthias Fontheim. Müller, ein Freund flacher Hierarchien, stellte Anfang Januar sein Leitungsteam vor.

Einer der wichtigsten Sätze der Pressekonferenz stammt von Jan Christoph Gockel. Der 31-jährige Regisseur, der schon mehrfach am Mainzer Schauspiel inszeniert hat und künftig als einer von fünf festen „Hausregisseuren“ fungieren wird, sagt: „Die Zeit der Theaterfürsten ist langsam vorbei.“ Markus Müller, der künftige Intendant, hat sich zurückgenommen und an  den Rand gesetzt, um Platz zu machen für sein Team. Zu diesem gehören als weitere Hausregisseure Niklaus Helbling und K.D: Schmidt, derzeit beide am Theater in Oldenburg, dazu mit Elisabeth Stöppler und Sara Ostertag zwei bislang freiberufliche Regisseurinnen. K.D. Schmidt (Der abgekürzte Vorname ist Markenzeichen), der sich mit 58 Jahren selbst als „Nestor“ der Gruppe charakterisiert, wird als leitender Regisseur die Schauspieldirektion zusammen mit dem leitenden Schauspieldramaturgen Jörg Vorhaben übernehmen.

Im Musiktheater teilen sich Ina Karr als Chefdramaturgin für die Oper und Stefan Vogel als Operngeschäftsführer (beide aus Oldenburg) die Verantwortung. Erik Raskopf (derzeit noch in Nürnberg) wird Künstlerischer Betriebsdirektor und Chefdisponent. Sylvia Fritzinger als Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit folgt dem neuen Intendanten aus Oldenburg ebenso wie Tanzdirektor Honne Dohrmann, der der Öffentlichkeit bereits im Herbst vorgestellt wurde. Der amtierende GMD Hermann Bäumer als Chef des formell selbstständigen Philharmonischen Staatsorchesters komplettiert das Team.

Wichtige Stichworte der Pressekonferenz sind das spartenübergreifende Denken, die Bedeutung des jungen Publikums, das gemeinsame „Ringen um die Sache“ im Leitungsteam, der Wunsch nach Kontinuität und der Willen, ein Theater für die Mainzer Bürger und mit ihnen zu entwickeln. „Wir glauben zutiefst an Ensemble und Repertoire“, betont Müller. Helbling erklärt, er wolle „sich in allen Genres nützlich machen“ und habe es satt, wie andernorts „Hals über Kopf Spielpläne zusammengeschustert werden.“ Karr spricht von ihrer Begeisterung dafür, „Räume zum Klingen zu bringen“. Ostertag, mit 28 Jahren die Jüngste im Team, weist darauf hin, wie lange es dauere, verlässliche Strukturen in der Kooperation zu entwickeln: „Das dauert einfach, bis ich eine Grundschullehrerin kenne und mit ihr zusammenarbeiten kann.“

Allen im Team gemeinsam ist eine große Portion Idealismus, den sie offen bekennen. Man habe kaum über Gagen geredet, gibt Müller zu Protokoll: „Fast alle kommen aus inhaltlichen Gründen.“ Mit Zweifeln an den flachen Hierarchien im Leitungsteam konfrontiert, betont er, die Aufgabengebiete würden klar festgelegt. Nichts sei schlimmer, als wenn Betriebsangehörige nicht wüssten, wer für ihr Anliegen zuständig sei. Raskopf gibt sich zuversichtlich, dass Mainz „als kleinstes und ärmstes Staatstheater“ mit den benachbarten Bühnen in Darmstadt und Wiesbaden künstlerisch mithalten werde.

Keinen Zweifel lässt Markus Müller daran, dass er Theater für die Stadt machen will. Dem direkten Blick vom Theaterfoyer auf den Mainzer Dom gilt seine erste Bemerkung. Schon vorher hat er in einem Interview darauf hingewiesen, das Theater liege „wie eine Burg“ im Zentrum der Stadt, aber es solle keine „kulturelle Festung“ sein, sondern „offen und einladend“. Hier liegt nun in der Tat ein Problem. Unter der gegenwärtigen Intendanz sind die Musiktheater-Produktionen auf einen so niedrigen Stand zurückgefahren worden, dass sie im Spielplan die Ausnahme darstellen. Dabei wurde vor 20 Jahren das Kleine Haus neu errichtet, um in Mainz mehr, nicht weniger Theater zu spielen. Überhaupt scheint sich – nicht ohne das Zutun nassforscher Lokalpolitiker - in der Chefetage des Hauses eine Wagenburg-Mentalität entwickelt zu haben, die das Publikum als Zielgruppe und Dialogpartner nicht mehr wirklich interessiert.

Wie es anders ginge, ist an GMD Bäumer zu sehen, der mit dem Philharmonischen Staatsorchester gerade eine erfolgreiche Charme- und Kompetenz-Offensive betreibt. Die verankert das Orchester in der Stadt, ohne künstlerische Abstriche zu machen. (Selbst die Besucher des Benefizkonzertes im Stadion des Fußballvereins Mainz 05 wurden mit ungewohnten zeitgenössischen Klängen konfrontiert.) Angesichts der Tatsache, dass in absehbarer Zeit dem Staatstheater nicht nur der Dom, sondern auch eines der inzwischen üblichen überdimensionalen Shopping-Center gegenüberstehen wird, ist es Zeit geworden für eine langfristige konzertierte Aktion, die zeigt: Innenstadt, das ist mehr als Shoppen, Essen, Trinken und (bis Aschermittwoch) Fastnacht.

Zur gegenwärtigen Auslastung des Mainzer Staatstheaters kann und will Markus Müller auf der Pressekonferenz nichts sagen. Er räumt aber ein, man werde „einen langen Atem brauchen“. Auch in Oldenburg habe es eine ganze Weile gedauert, bis er Zusatzvorstellungen ansetzen musste. Mit der Aufstockung des künstlerischen Personals sind jedenfalls die Weichen gestellt, wieder häufiger zu spielen. Während die Tanzkompanie bei 18 Personen bleibt, soll das Schauspielensemble von 18 auf 24 oder 25 Personen aufgestockt werden und die Operntruppe von 12 auf ca. 17 Mitglieder. Finanziell sei das bis Sommer 2016 zu stemmen, gibt sich der künftige Intendant sicher, und über die Zeit danach sei er „in guten Verhandlungen“ mit der Stadt und dem Land.

Als einziger Schwachpunkt an diesem Vormittag zeichnet sich ab: Die Mannschaft um Markus Müller hat über der lebendigen Kulturlandschaft des Rhein-Main-Gebietes noch zu wenig im Blick, dass ihr künftiges Haus ein rheinland-pfälzisches Theater ist. Der größte Teil der Zuschauer, die wichtigsten Geldgeber, die relevantesten Kulturinstitutionen sind links des Rheins angesiedelt – und damit auch die Zukunft des Hauses.

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