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Der Rosenkavalier in Freiberg. Fotograf: Jörg Metzner
Der Rosenkavalier in Freiberg. Fotograf: Jörg Metzner
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Ist ein Traum, kann doch Wirklichkeit sein – „Der Rosenkavalier“ am Mittelsächsischen Theater in Freiberg

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Es hätte auch ganz anders kommen können. Es hätte so enden können, dass am Ende der Komödie für Musik von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, wenn das junge Paar Octavian und Sophie zu den Silberklängen des Orchesters sein betörendes Duett singt, „Ist ein Traum, kann nicht Wirklichkeit sein“, das Publikum mild und erlöst zustimmen möchte.

Zustimmen insofern, als dass eines der kleinsten Theater Deutschlands unweit von Dresden, von wo aus die Oper „Der Rosenkavalier“ seit der Uraufführung 1911, ihren ungebrochenen, traumhaften Triumph feiert, sich einen großen Traum erfüllen wollte, aber die Wirklichkeit am Ende zum Erwachen aus gescheiterten Träumen wurde. Das ist aber nicht passiert.

Im Gegenteil, ein kleines Theater hat sich einen großen Traum erfüllt und im Vorfeld gründlich an dessen Gelingen gearbeitet. Das beginnt mit einer musikalischen Kooperation. Studenten der Musikhochschulen Dresden und Leipzig verstärken die Mittelsächsische Philharmonie. Nach anfänglichen Irritationen im rasanten Vorspiel aber kann der Dirigent Raoul Grüneis mit seinem Strauss-Orchester immer wieder den klanglichen Ansprüchen der Partitur gerecht werden. Es sind die hellen Farben dieser Musik, es ist die Intimität der kammermusikalischen Passagen, es ist die Hinwendung zur Melodik der Sprache, bei der die menschliche Stimme eingewoben wird in das filigrane Geflecht einer großen Dichtung aus Worten und Klängen.

Eine so gute wie wesentliche Entscheidung besteht darin, das Orchester auf der Bühne zu platzieren, die Protagonisten agieren vor dem Orchester, dahinter, und auf einem Steg, der in der Mitte der Bühne durch die Musikerinnen und Musiker hindurch führt.

Passagen zerbrechlicher Silberkunst

Optisch wird so aus der Komödie für Musik eine Komödie ganz aus dem Geiste der Musik. Wenn nötig ist der Klang in voller Dimension präsent, die Passagen zerbrechlicher Silberkunst gehen nicht verloren, der Walzer und vor allem die Turbulenzen, von denen es in jedem der drei Akte gehörige gibt, können ungebremst auch mal den guten Ton der feinen Manieren einer ganz und gar nicht so feinen Gesellschaft bloßstellen. Fürs Publikum bedeutet diese Lösung zudem, dass es jedes Wort versteht.

Und drittens, die Inszenierung hat man am Mittelsächsischen Theater einem Gast anvertraut, von dem man wissen konnte, dass er formbewusst arbeitet, für entscheidende Szenen die Genauigkeit der Intimität eines Kammerspiels bevorzugt und dennoch in der Lage ist, in bildkräftiger, zuweilen auch schräger Fantasie, kommentierende Parallelwelten so böser wie skurriler, komischer Träume sichtbar zu machen. So sind Rita Zaworka als Modistin, Sang Tea Lee als Tierhändler Zombies ihrer Berufsstände oder Bettina Denner-Brückner und Jens Winkelmann als pseudoitalienisches Intrigantenpaar gespenstische Clowns oder die adeligen Waisen putzige, aufgezogene Püppchen mit beliebig abzuspulendem Bettelvers. Dazu, aus ganz anderen Welten, musikalisch voller Wehmut nach dem schönen Klang der ungetrübten Kunst eine Kostprobe des klagenden Belcanto, Alexandru Badea als italienischer Sänger. Nicht zu vergessen Frieder Post als korrekter, blitzsauberer, aber eben nicht blitzgescheiter Leiblakai Leopold des Barons Ochs auf Lerchenau, in seiner Funktion als „Rosenkofferträger“. Gewissermaßen zwischen den Welten dann so aufgedreht wie selbstironisch im Spiel und dazu prägnant im Gesang Guido Kunze als neureicher Herr von Faninal, ein Kindsverkäufer, der gerade noch, gänzlich reuevoll und geläutert in väterlicher Weisheit die Kurve kriegt, „Sind halt a-so, die jungen Leut“.

Sichtbare Musik

Sebastian Ritschel, den man noch zu den jungen Leuten zählen muss, ist in Freiberg auch sein eigener Ausstatter. Dabei bildet das Orchester mit der „sichtbaren“ Musik schon mal einen optischen Schwerpunkt. Ritschels Bilder erinnern zuweilen, nicht nur wegen einiger knapper Videozuspielungen von Steffen Cieplik, an großes Kino aus der Stummfilmzeit, und so ist der Schritt nicht weit zur großen Oper, wenn zum Bild der Ton kommt.

Und der Regisseur vermag es, einen großen Opernabend zu inszenieren, unabhängig von der Größe des Theaters, denn den Hauptprotagonisten, der Marschallin, dem Octavian, der Sophie und dem Baron Ochs gibt er viel Raum für intensives und sensibles Spiel in sorgsam choreografierten Konstellationen, so dass der begrenzte Raum der kleinen Bühne der emotionalen Weite des Geschehens keine Grenzen setzt.

Man sieht und hört diesem Quartett von Sängerdarstellern mit nicht nachlassender Aufmerksamkeit zu. Barbora Fritscher mit der klangschönen Frische ihres sicheren Mezzosoprans als Octavian, die immer selbstbewusster werdende Miriam Alexandra als Sophie und vor allem Leonora del Rio als Marschallin, klar in der Diktion, mal nachdenklich, dann wieder sehr direkt und letztlich überragend im Gesang mit klaren, hohen Tönen im berühmten Terzett des dritten Aufzugs, bevor der große Scherz des schönen Scheins mit dem Traumduett der Sophie und des Rosenkavaliers ausklingt.

Und alles wäre nicht in Gang gekommen hätte nicht ein so faunischer Lebemann und Genießer wie der Baron Ochs das ganze Versteckspiel samt Maskeraden erst gestört und dann auch noch selbst als Gehörnter auf Kosten eines gehörnten Ehemannes in Gang gebracht. Ein Darsteller wie Sergio Raonic Lukovic als Ochs wird noch lange brauchen, ehe er seine Hörner abgestoßen hat, der nimmersatte Jungwildjäger hat Charme, und wenn das nächste Abenteuer wieder so eine herrliche Komödie ins Rollen bringt, dann wünscht man nur es möge bald beginnen.

So feiert dieser „Rosenkavalier“ mit kleinen Kürzungen und Einsparungen beim Personal mit dem Freiberger Ensemble, den Damen und Herren des Chores und der von Studierenden bestens verstärkten Mittelsächsischen Philharmonie einen mit viel Beifall und Bravorufen bedachten Premierenerfolg. Ganz ohne Gäste geht es nicht, einer von ihnen ist der Berliner Absolvent Michael Zehe mit so klarem wie klangschönem Bass als Notar und Polizeikommissar, der Name ist notiert, die Termine der nächsten Aufführungen auch.

Aufführungen in Freiberg: 18., 20., 30.03.; 04.04.
Premiere in Döbeln: 19.04.

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