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Schubert Edition Brilliant Classics
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Viel Durchschnitt im Querschnitt – die Schubert-Box von Brilliant Classics

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Wer es gern annähernd komplett mag, der kann sich seit einigen Jahren mit den Boxen von Brilliant Classics viel Musik für wenig Geld ins Regal stellen. Man mag das als eine durchaus „demokratische“ Kultur-Entwicklung begrüßen, doch stellt sich bei diesen wohlfeilen Angeboten zugleich die Frage: Bekomme ich bei dieser Masse auch wirklich Klasse?

Selbst auf 69 CDs lässt sich Schuberts umfangreiches Schaffen auch nicht ansatzweise vollständig abbilden – einmal abgesehen von der Frage, wem denn solche Enzyklopädien helfen. Der Musikliebhaber wird ohnehin schon vieles haben und eher Ausschau nach Raritäten halten, der Einsteiger aber dürfte ohne dramaturgisch attraktive Zusammenstellungen oder andere instruktive Hilfen sich rasch im Dschungel der grün-blauen Covers verlieren oder ratlos vor der Fülle der Wohllaute stehen. Orientierung wird auf nahezu klassische Weise nur über die Ordnung nach Gattungen geboten; allenfalls bei den Liedern findet sich durch Sänger-Recitals oder eine Gruppierung nach Dichtern ein anderer Ansatz. Zudem wird wohl nur der Kenner bemerken, dass der vorliegende Querschnitt mitunter auch beträchtliche Lücken und Schwächen aufweist – als Folge eines Konzepts, bei dem trotz mancher Eigenproduktion nur das Eingang fand, was auch per Lizenz zur Verfügung stand.

Und so will und muss das Label durch große Namen punkten, beispielsweise mit dem von Alfred Brendel, der in Aufnahmen aus den Jahren 1959 und 1962 aber nur einige Klavierstücke (darunter die Impromptus und Moments musicaux) und die Wandererfantasie spielt, diese freilich auch in der Liszt’schen Fassung mit Orchester. Bei den Liedern geben sich Gundula Janowitz (1989) sowie Elly Ameling und Arleen Augér (1978), Peter Schreier (1974) und Dietrich Fischer-Dieskau (1987) auf jeweils einer CD die Ehre, während vieles mehr durch Siegfried Lorenz und Robert Holl (Winterreise und Schwanengesang) abgedeckt wird. Bei den Sinfonien ist es die Staatskapelle Dresden unter Herbert Blomstedt (1978–1981), die zwar für ein hohes Niveau, aber eine nicht mehr ganz aktuelle Aufführungspraxis steht. Umso aufregender sind die von Michael Endres zum Leben erweckten Klaviertänze, die historisch informierten Einspielungen der beiden Einakter Der vierjährige Posten und Die Zwillingsbrüder unter Christoph Spering sowie der Messe Es-Dur unter Frieder Bernius; selbst die 1996 in nur zwei Tagen entstandene Aufnahme der übrigen Messen mit den Virtuosi di Praga und dem Prager Kammerorchester können in ihrer liebevollen Schlichtheit berühren und für sich einnehmen.

Neben diesen Schätzen finden sich freilich auch Aufnahmen, denen man lieber nicht oder nicht noch einmal begegnet wäre. Dazu rechne ich die frühen Quartette mit dem rumpelnden Endres Quartet; an erster Stelle aber steht die weitgehend unbekannte, an sich reizvolle konzertante Violinmusik, die von Susanne Lautenbacher und dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn bis zur Langeweile zerspielt wird (die LP hat bei mir schon vor 30 Jahren einen Ehrenplatz im Regal erhalten). Auch die biedere und mitunter quäkende Einspielung des Singspiels Die Freunde von Salamanka (Oboe!) zählt zu den Schwächen der Schubert-Box. Hier wurde ein nicht ganz glücklicher DG-Live-Mitschnitt nochmals versilbert, während man den grandiosen Fierrabras unter Claudio Abbado (ebenfalls live und DG) vergeblich sucht. Wer genauer hinschaut, dem fallen ohnehin die mitunter eklatanten Fehlstellen ins Auge – von den noch immer weithin unterschätzten Ouvertüren bis hin zu den vielfältigen, ein Stück Schubert-Biographie widerspiegelnden gemischten Gesängen, unter ihnen auch Mirjams Siegesgesang. Man darf also bereits heute auf eine revidierte Neuauflage der Box mit erweitertem Repertoire und anderen Aufnahmen hoffen. Brilliant Classics hat dies jedenfalls bei anderen Komponisten-Kisten schon umgesetzt.

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