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ZEIT-REdakteurin und Ex-WDR 3-Moderatorin: Christine Lemke-Matwey. Foto: WDR
ZEIT-Redakteurin und Ex-WDR 3-Moderatorin: Christine Lemke-Matwey. Foto: WDR
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WDR 3 kündigt Moderatorin Christine Lemke-Matwey die Zusammenarbeit auf

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Seit zwölf Jahren moderiert Christine Lemke-Matwey gemeinsam mit anderen Kollegen das WDR 3 Klassik Forum. Damit ist seit diesem Montag Schluss. Morgens war Lemke-Matwey noch drei Stunden live auf Sendung, nachmittags kündigten der Programmchef von WDR 3, Professor Karl Karst, und der Leiter der Aktuellen Kultur im Hörfunk, Volker Schaeffer, ihrer Moderatorin die Zusammenarbeit auf. Als Grund wurde deren Illoyalität genannt, die sich in einem Artikel Lemke-Matweys in der Wochenzeitung DIE ZEIT äußern würde.

In ihrer Eigenschaft  als ZEIT-Redakteurin hatte Lemke-Matwey am 29.4.2014 den Kommentar „Ohne Mozart? Reformen, Fusionen, Frequenzen: Die öffentlich-rechtlichen Radiomacher verspielen die Zukunft der klassischen Musik“ veröffentlicht, in dem sie  Überlegungen zur Klassikferne der derzeitigen Generation von Radiomachern anstellte. „Denn die Philister kennen nicht, was sie verderben“, diesen Satz hat der Komponist und Musikkritiker Robert Schumann seinen fiktiven Davidsbündlern Florestan und Eusebius Mitte des 19. Jahrhunderts in den Mund gelegt. Die ZEIT-Redakteurin und WDR-Moderatorin drückt das in heutigen Worten aus: „Die Intendanten der ARD  entstammen allesamt der ersten Generation der Nach-68er und haben von den einstigen Weltverbesserern vor allem das militante Desinteresse an der Hochkultur geerbt. Mit Bob Dylan lässt sich noch Staat machen (...) - mit Mozart geht das nicht mehr.“

Dass den Top-Managern der Rundfunkanstalten der Gegenstand Klassische Musik nicht wirklich nahe steht, ist keine vage Vermutung, sondern erschließt sich jedem, der die gegenwärtigen Entwicklungen beim Funk wie die drohende Abschaltung von BR Klassik von der Ultrakurzwelle (UKW), die bereits vollzogene Fusion der SWR-Sinfonieorchester und nicht zuletzt die viel diskutierte WDR-Programmreform von 2012 aufmerksam verfolgt hat. Doch auch wenn das alles kein Geheimnis ist, die Vorgänge im WDR zeigen, dass die journalistische, freie Meinungsäußerung nicht nur nicht gewünscht wird, sondern – so freie Mitarbeiter sich zu Wort melden – drastische Folgen hat.

Wer die Debatte über die vielen Abbau- und Umbauerscheinungen im Musikbereich bei diversen ARD Rundfunkanstalten in den letzten Wochen und Monaten aufmerksam verfolgt hat, konnte den deprimierenden Eindruck gewinnen, protestieren hilft nichts – der Zug scheint abgefahren. Immer stärker schielen die Öffentlich-rechtlichen auf die Quote, Medienanalysen werden zur Richtschnur für die Programmausrichtung. Je weniger der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich aber vom Massenangebot der privaten Sender unterscheidet, desto dünner wird die Rechtfertigung für Gebühren. Man sägt unbekümmert an dem Ast, auf dem man sitzt.

 

Mehr zum Thema unter:

http://www.nmz.de/online/vorabdruck-aus-nmz-6-2012-gefechtsfeld-kulturradio-rundfunkrat-beschliesst-umstrittene-wdr3-r

http://www.nmz.de/dossiers/swr-orchesterfusion

http://www.nmz.de/artikel/die-vertreibung-ins-digitale-paradies

 

Nachtrag 12. Mai 2014

Auf Nachfrage beim WDR erhielt die nmz-Redaktion am Abend des 9. Mai folgendes Statement des Pressesprechers Birand Bingül zu den Vorgängen um Christine Lemke-Matwey sowie zu ihrem Artikel in der ZEIT:

Gerade in 2014 sind wir besonders aktiv in der klassischen Musik. Ob zum Beispiel das große medienpädagogische Dvorak-Experiment für Jugendliche oder die großflächige Übertragung des „Eurovision Young Musicians“-Wettbewerbs für junge Klassiktalente.

Unsere vier Klangkörper treten überall im Land auf. Aus Überzeugung veranstalten wir die "Wittener Tage für neue Kammermusik" und die "Tage Alter Musik" in Herne jährlich mit und übertragen umfangreich. Das Kölner Funkhaus ist einer der meist bespielten Kulturhäuser. Wir arbeiten mit 80 Konzerthäusern, Festivals, Theatern, Museen und Kulturorganisationen in NRW zusammen.

Der WDR setzt sich nachweislich in hohem Maße für die Hochkultur ein. Die Kultur gehört zur DNA des WDR.

Vor diesem Hintergrund sind wir sehr verblüfft über die Vorwürfe. Für die grobe Behauptung der Autorin, der öffentlich-rechtliche Rundfunk verspiele die Zukunft der Klassik, wird den Leserinnen und Lesern nicht ein einziger Beleg vorgelegt. Oben genannte Beispiele finden nicht statt. Stattdessen zeichnet die Autorin ein Zerrbild, übrigens ohne den entsprechenden Stellen im eigenen Sender die Chance für eine Reaktion zu lassen. Das entspricht nicht unseren Standards, was journalistische Qualität und faire Zusammenarbeit angeht.

 

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