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Widerständigkeit, Verweigerung: Doppel-CD mit Werken von Christoph Delz bei MDG

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Christoph Delz war einer, der es sich nicht leicht machte. Auf nur vierzehn Opuszahlen hat er es in seinem 43 Jahre währenden Leben gebracht – von denen ganze fünf im zweiten Band seiner Gesammelten Werke enthalten sind, bis auf die „Kölner Messe“ übrigens allesamt Spätwerke. Sein Opus summum, „Istanbul“, ist hier noch einmal durch die „3 Auszüge für Klavier“ repräsentiert. Spröde Kost, wie selbst intime Kenner Neuer Musik zugeben müssen.

Am deutlichsten wird die Widerständigkeit seines Schaffens in den Vokalwerken wie „Solde / Ausverkauf“ (einer „Lektüre“ nach Lautréamont) und der für Delz‘sche Verhältnisse ausufernden „Joyce-Phantasie“. Hier wird trotz weitgehender Zurücknahme des Sanglichen der fehlende Abdruck der Textvorlagen im Beibüchlein schmerzlich spürbar: Man glaubt sich stellenweise in einem missratenen Hörspiel, wo die Sprecher aus der Rolle fallen oder ihres Idioms nicht so ganz mächtig sind. Dieser Eindruck, dass uns Delz am liebsten Musik überhaupt vorenthalten möchte, ist in der „Kölner Messe“ freilich am auffälligsten: Sie beruht überwiegend auf aufwändig collagierten, elektronisch verfremdeten Atemgeräuschen.

Die anderen, um den Klavierklang herum gebauten, aber eigentliche Virtuosität verweigernden Stücke lassen nur einen von gelinder Tragik umwehten Rückschluss zu: Die Geschichte der Klaviermusik muss offenbar schon zu Ende gegangen sein, bevor Delz zu komponieren begann, so wenig kann und will er sich von seinen großen Vorgängern lösen – und das nicht bloß in den „Nocturnes“, einer Anthologie einschlägiger Akkorde. Und wenn er ein viersätziges Werk schon „Jahreszeiten“ nennt, sollte sich dieses Programm im klingenden Endergebnis wenigstens ansatzweise niederschlagen; es brauchen ja nicht gleich naturalistische Klangeffekte à la Vivaldi zu sein. Ist es einem Künstler wichtig, seinen Elfenbeinturm zu verlassen und ein (noch so bescheidenes) Publikum zu erreichen, muss er ihm auf halbem Wege entgegenkommen, durch entwaffnenden Humor etwa, oder mittels epigrammatischer Kürze oder eines jederzeit spürbaren Ausdruckswillens.

Nichts von alledem hier. Die teils zu ausführlichen, dann wieder zu knapp geratenen, aber zuverlässig hermetischen Ausführungen der Exegeten im CD-Booklet helfen nicht wirklich weiter; auch vermisse ich Indexmarkierungen innerhalb der längeren Stücke.

Vor vier Jahren habe ich noch den Abschluss des Projekts herbeigesehnt; mein damaliger Eindruck hat sich leider nicht bestätigt: Zwanzig Jahre nach dem Tod von Christoph Delz bin ich zu der Auffassung gelangt, dass nur seine Werke bis zum Klavierkonzert op. 9 es verdient haben, von Zeit zu Zeit wiederbelebt zu werden. Denn in seinen ersten zehn Schaffensjahren war er ein (fast zu) kluger und begabter junger Komponist voller Hoffnungen und noch kein verzweifelter, weil viel zu früh dem Tode geweihter Mann – und diesen Unterschied hört man.

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