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Was darf ChatGPT mit Songtexten tun?

 Landgericht München entscheidet: Was darf ChatGPT mit Songtexten tun? 

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Entscheidung erwartet: Was darf ChatGPT mit Songtexten tun? [update, 11.9., 11:30] Gema siegt vor Gericht gegen OpenAI

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In der Klage der Musikrechtegesellschaft Gema gegen OpenAI geht es um neun Lieder, von «Atemlos» über «Männer» bis «Über den Wolken» - und um sehr Grundsätzliches im Umgang von KI mit Urheberrechten.

Was darf Künstliche Intelligenz mit urheberrechtlich geschützten Texten machen? Und wer zahlt dafür? Das sind die Grundfragen hinter einer Klage der Verwertungsgesellschaft Gema gegen den ChatGPT-Betreiber OpenAI, in der vor dem Landgericht München heute (10.00 Uhr) eine Entscheidung ansteht. Konkret dreht sich der Rechtsstreit um die Nutzung von neun Texten teils sehr bekannter Lieder - unter anderem «Atemlos», «Männer» von Herbert Grönemeyer, «Über den Wolken» von Reinhard Mey und «In der Weihnachtsbäckerei» von Rolf Zuckowski.

Die Texte wurden zum Training von ChatGPT verwendet und laut Gema auf einfache Anfragen an das System exakt oder zumindest weitgehend identisch wieder ausgegeben. Die Gesellschaft, die die Urheber gegenüber Nutzern vertritt, sieht dadurch Urheberrechte verletzt. OpenAI bestreitet dies. ChatGPT ist ein Computerprogramm, das mit Hilfe eines Sprachmodells Antworten auf Fragen aller Art gibt.

Noch ist nicht klar, ob das Landgericht ein Urteil fällen oder den Fall an den Europäischen Gerichtshof verweisen wird. Dies hatten beiden Parteien angeregt, denn es geht um sehr grundsätzliche Fragen rund um Generative Künstliche Intelligenz und es ist wahrscheinlich, dass ein Urteil des Landgerichts von der unterlegenen Seite angefochten werden wird.

Grundlegende Bedeutung auch für Literatur, Kunst und Fotografie

Die Expertin Silke von Lewinski vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb ordnet das so ein: «Ein Urteil in diesem Musterverfahren hätte grundlegende Bedeutung für alle Werke, sei es Literatur, journalistische Texte, Musik, bildende Kunst, Fotografie oder jegliche andere Werke, die für Generative KI benutzt werden. Hier geht es darum, wie die schon jetzt existierenden Gesetze auszulegen sind.»

Sollte die letzte Instanz der Gema recht geben, würde das die Machtverhältnisse zwischen Kreativwirtschaft und den Technologieunternehmen ein Stück zugunsten der Urheber und anderer Rechteinhaber verschieben, sagte von Lewinski. «Bevor ein Text für Generative KI genutzt werden kann, müssten die Rechteinhaber dann ihre Zustimmung geben und hätten die Möglichkeit, dafür eine Vergütung zu erhalten.»

Sollte es in München ein Urteil geben, stehen die Chancen der Künstler nicht schlecht. Die Vorsitzende Richterin Elke Schwager, hatte in der mündlichen Verhandlung Ende September in einer vorläufigen Einschätzung angedeutet, in praktisch allen zentralen Punkten eher den Argumenten der Gema zu folgen.

Memorisiert oder nicht?

In der Klage (Aktenzeichen 42 O 14139/24) geht es auch um technische Feinheiten. Dass die Texte zum Training der KI verwendet wurden, ist unstrittig, doch was passierte danach? Die Gema wirft OpenAI vor, die Texte in seinem System memorisiert - also letztlich auf eine gewisse Weise abgespeichert - und damit vervielfältigt zu haben. OpenAI argumentiert dagegen, dass die Daten nicht memorisiert habe, sondern lediglich reflektiere, was es beim Training gelernt habe. Als Argument dafür führt sie beispielsweise an, dass die Texte teils verändert ausgegeben wurden.

In der vorläufigen Einschätzung hatte sich Schwager davon eher nicht überzeugt gezeigt. Vereinfacht argumentierte sie etwa folgendermaßen: Wenn das System mit den Texten trainiert wurde und sie danach auch auf einfache Fragestellungen hin fast oder ganz identisch ausgibt, ist es nicht realistisch, dass dies Zufall ist.

 

[update, 11.9., 13:30]

Streit um Liedtexte: Gema siegt vor Gericht gegen OpenAI

Christof Rührmair, dpa 

Vor dem Landgericht München I ging es um neun Liedtexte. Sollte die deutliche Niederlage des US-Konzerns auch in höheren Instanzen Bestand haben, könnte sie weitreichende Auswirkungen haben.

Der ChatGPT-Betreiber OpenAI hat vor dem Landgericht München eine deutliche Niederlage im Streit um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Liedtexte erlitten. Das Landgericht München I verurteilt das von der deutschen Verwertungsgesellschaft Gema verklagte US-Unternehmen unter anderem zu Unterlassung und Schadenersatz. Am Ende bricht die Vorsitzende Richterin Elke Schwager das hochkomplexe Verfahren auf ein simples Beispiel herunter: Wenn man etwas bauen wolle und Bauteile brauche - «dann erwerben Sie sie und nutzen nicht das Eigentum anderer.» Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Im Verfahren (Aktenzeichen 42 O 14139/24) ging es konkret um neun bekannte Songtexte, deren Urheberrechte die Gema vertritt. Unter anderem «Männer» von Herbert Grönemeyer, «Über den Wolken» von Reinhard Mey, «In der Weihnachtsbäckerei» von Rolf Zuckowski oder «Atemlos», das zwar vor allem in der Interpretation von Helene Fischer bekannt ist, dessen Text aber von Kristina Bach stammt. Die Auswirkungen könnten aber noch viel weiter gehen.

Position der Gema gestärkt

Auf einer ersten Ebene geht es natürlich um Rechte an Songtexten: Mit dem Urteil im Hintergrund ist die Verhandlungsposition der Gema, die Lizenzen für die Nutzung der Liedtexte verkaufen will, natürlich gestärkt. Für Anbieter generativer Künstlicher Intelligenz könnte es dagegen teuer werden.

Kein Wunder also, dass der Chefjustiziar der Gema, Kai Welp, sich zufrieden zeigte. «Was die Beklagte macht, ist nichts anderes, als was andere Dienste im Internet machen, die eine Lizenz von den Rechteinhabern, deren Werke sie nutzen, erwerben müssen», erklärte er. Er gehe davon aus, dass das Urteil eine Signalwirkung für ganz Europa haben werde.

Es dürfte in höhere Instanzen gehen

Es ist allerdings wahrscheinlich, dass das Urteil noch für einige Jahre höhere Instanzen beschäftigen wird - bis hin zum Europäischen Gerichtshof. OpenAI prüfte am Dienstag zunächst weitere Schritte. Sollte die Münchner Entscheidung auch in der letzten Instanz Bestand haben, könnten die Auswirkungen noch viel weiter als zu den Lizenmodellen der Gema gehen.

Entscheidend dafür ist einerseits, dass das Gericht zum Schluss kam, dass die Liedtexte, mit denen ChatGPT unstrittig trainiert worden war, im System gespeichert wurden - der Fachbegriff ist hier memorisiert. OpenAI hatte hier vergeblich argumentiert, dass das System lediglich lerne, aber nicht abspeichere. Das Gericht befand es nämlich für unrealistisch, dass auf diese Weise die Texte klar wiedererkennbar ausgegeben würde. Zudem kam das Gericht auch zum Schluss, dass OpenAI auch für die Ausgabe der Texte verantwortlich ist - und nicht wie vom Konzern argumentiert, die Nutzer.

Diese Argumentation dürfte auch von anderen Rechteinhabern aufgegriffen werden - auch wenn OpenAI als Reaktion auf das Urteil nicht nur erklärte, dass man ihm widerspreche, sondern betonte, dass die Entscheidung nur ein begrenztes Set an Liedtexten betreffe und keine Auswirkungen auf die Nutzer habe.

Grundlegende Bedeutung für alle Werke

Expertin Silke von Lewinski vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb hatte dagegen im Vorfeld der Entscheidung «grundlegende Bedeutung für alle Werke, sei es Literatur, journalistische Texte, Musik, bildende Kunst, Fotografie oder jegliche andere Werke, die für Generative KI benutzt werden.» Sollte die Gema auch in der letzten Instanz gewinnen, würde dies die Machtverhältnisse zwischen Kreativwirtschaft und den Technologieunternehmen ein Stück weit zugunsten der Urheber und anderer Rechteinhaber verschieben. «Bevor ein Text für Generative KI genutzt werden kann, müssten die Rechteinhaber dann ihre Zustimmung geben und hätten die Möglichkeit, dafür eine Vergütung zu erhalten.»

Diese Hoffnung hat auch der Deutsche Journalistenverband, der das Urteil als Etappensieg des Urheberrechts bewertete. «Das Training von KI-Modellen ist Diebstahl geistigen Eigentums», sagte der Bundesvorsitzende Mika Beuster. Die Rechtsposition der Rechteinhaber habe sich verbessert.

Persönlichkeitsrecht nicht verletzt

In einem Aspekt wies das Gericht die Klage der Gema allerdings ab. Diese hatte auch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Künstler beklagt, weil die Texte verändert ausgegeben wurden. Dies sah das Gericht aber nicht so. Die Texte seien wiedererkennbar, betonte es. Für die Verwertungsgesellschaft dürfte dieser Teil verschmerzbar sein.

 

 

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