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Sozialversicherungspflicht

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Thesen von Olaf Zimmermann zum Thema Sozialversicherungspflicht für Ehrenamtliche anlässlich der Anhörung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „Sozialversicherungspflicht für ehrenamtlich Tätige“ am 23.08.2000

Am 23.08.2000 führte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Anhörung zu Frage der Sozialversicherungspflicht ehrenamtlich Tätiger durch. Zur Anhörung waren neben dem Deutschen Kulturrat und dem Deutschen Musikrat als Vertreter aus dem Kulturbereich, der Deutsche Sportbund, der Deutsche Feuerwehrverband, der Deutsche Städte- und Gemeindebund, die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz, Caritas und der Paritätische Wohlfahrtsverband geladen.



Bei dieser Anhörung wurden vom Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, folgende Thesen vertreten.

Ausgangssituation

Ehrenamtliche Tätigkeit ist von ihrem Grundsatz her unentgeltlich. Im ehrenamtlichen Engagement findet der Wunsch nach einer sinnvollen Tätigkeit für das Gemeinwohl seinen Ausdruck. Ehrenamtliches Engagements ist darüber hinaus mit Freude und persönlichem Erfahrungsgewinn verbunden.

In verschiedenen Organisationen erhalten ehrenamtlich Tätige für ihre Aufwendungen im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung. Eine Aufwandsentschädigung von bis zu DM 2.400,-- im Jahr war bis zum 31.12.1999 für Übungsleiter steuerfrei. Sozialversicherungsbeiträge fielen nicht an.

Seit dem 01.01.2000 liegt die Grenze für steuer- und sozialversicherungsfreie Aufwandsentschädigungen bei DM 3.600,-- im Jahr. Der Personenkreis, der diese Aufwandsentschädigung bei der Einkommenssteuererklärung geltend machen kann, wurde von den Übungsleitern auf Betreuer ausgeweitet.

Seit der Neufassung der gesetzlichen Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung zum 01.04.1999 rückten auch ehrenamtliche Tätige, die eine Aufwandsentschädigung erhalten, in das Blickfeld der Diskussion. Aufwandsentschädigungen, die über DM 3.600,-- im Jahr betragen, müssen mit dem darüber liegenden Betrag versteuert werden und es müssen für diesen Betrag Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Hinsichtlich der Lohnsteuer- und Sozialabgabepflicht gibt es je nach Status, Arbeitnehmer, Nicht-Erwerbstätige und Beamte, spezifische Regelungen.

Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich Tätige im Kulturbereich

Der Kulturbereich ist von der Frage der Sozialversicherungspflicht für ehrenamtlich Aktive sehr unterschiedlich betroffen. Bei der Zahlung von Aufwandsentschädigungen gibt es eine breit gestreute Praxis. Am häufigsten werden Aufwandsentschädigungen im Musikbereich oder auch in soziokulturellen Zentren gezahlt.

Zum Musikbereich wird die Vertreterin des Deutschen Musikrates ausführlich Stellung nehmen, so dass hier nur kurz auf die Bedeutung dieses Bereiches hingewiesen werden soll. Der Musikbereich repräsentiert mit seiner Vielzahl an Chören und Laienorchestern, die vor Ort tätig sind, am ehesten das Bild des klassischen Ehrenamtlichen. Die Chor- und Orchesterleiter erhalten häufig eine Aufwandsentschädigung.

In soziokulturellen Zentren ist ein Grenzbereich zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit und Beschäftigung anzutreffen. Soziokulturelle Zentren, die aus Bürgerengagement heraus in den 70er und 80er Jahren gegründet wurden und zumeist die Rechtsform eines eingetragenen Vereins haben, weisen in ihrer Beschäftigungsstruktur typische Übergänge der modernen Arbeitsgesellschaft auf. Ein- und dieselbe Person übt im Laufe der Jahre mitunter eine ABM-Stelle, ein festes Beschäftigungsverhältnis, eine Honorartätigkeit, eine ehrenamtliche Tätigkeit oder auch eine geringfügige Beschäftigung aus. In diesen Fällen ist nicht immer scharf zu trennen, ob es sich bei Aufwandsentschädigungen um „echte“ Aufwandsentschädigungen im Sinne einer Anerkennung der ehrenamtlich geleisteten Arbeit oder ob es sich um geringfügige Beschäftigung handelt.

Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich Tätige spielen über die genannten spartenspezifischen Beispiele hinaus in Ostdeutschland eine besondere Rolle. Hier findet gerade auch in Kulturvereinen sehr häufig ein Wechsel zwischen normaler Beschäftigung, Beschäftigung durch Arbeitsmarktförderungsmaßnahmen, geringfügiger Beschäftigung und ehrenamtlicher Tätigkeit statt. D.h., die oben beschriebenen fließenden Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und ehrenamtlicher Tätigkeit sind besonders häufig anzutreffen. Mitunter wird die ehrenamtliche Arbeit als Einstieg in die Erwerbsarbeit gesehen. Aufwandsentschädigungen haben dabei zum Teil durchaus den Charakter einer geringfügigen Beschäftigung.

Der Kerngedanke, dass eine Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit tatsächlich nur eine Anerkennung der Leistung und eine Entschädigung für die Aufwendungen ist, muss trotz der unbestritten vorhandenen fließenden Übergänge von Erwerbsarbeitsmarkt, Zweitem Arbeitsmarkt und Ehrenamt erhalten bleiben. Ehrenamtliche Arbeit ist keine Lösung der Probleme des Erwerbsarbeitsmarktes.

Probleme in der Anwendung der Regelungen für geringfügig Beschäftigte

Wie bereits ausgeführt muss der über 3.600,-- DM im Jahr liegende Betrag einer Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich tätige Übungsleiter und Betreuer versteuert werden. Ebenso müssen für diesen über 3.600,-- DM im Jahr liegenden Betrag Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Fällt die ehrenamtliche Tätigkeit nicht unter die Regelungen für ehrenamtliche Übungsleiter oder Betreuer, müssen für die gesamte Aufwandsentschädigung Sozialabgaben geleistet und Lohnsteuer entrichtet werden.

Die Vereine stehen nun vor der Aufgabe, dass sie ehrenamtlich Aktive wie geringfügig Beschäftigte bei der Sozialversicherung melden müssen. Weiter müssen sie Lohnsteuer abführen. Sie werden also zu Arbeitgebern. Dies zieht nach sich, dass die Vereine sich nach dem Beschäftigungsstatus (Arbeitnehmer, Nicht-Erwerbstätig, Beamter) derjenigen erkundigen müssen, die eine steuer- und sozialversicherungspflichtige Aufwandsentschädigung erhalten. Sie müssen, sofern sie für ehrenamtliche Tätige, die Arbeitnehmer sind, nicht die pauschale Lohnsteuer übernehmen wollen, eine Lohnsteuerkarte vom ehrenamtlich Tätigen verlangen. Sie müssen ferner die Sozialversicherungsnummer und die Krankenkasse erfragen, um die Sozialversicherungsbeiträge mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung zahlen zu können.

Dies bedeutet für die Vereine einen beträchtlichen Aufwand. Vereine, die ausschließlich ehrenamtlich geführt sind, sind kaum in der Lage diesen Aufwand zu bewältigen. Denn es heißt alle Änderung in der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge, alle Änderungen der Krankenkassenbeiträge für die verschiedenen Kassen usw. zu verfolgen.

Neben dem Aufwand kommt auf die Vereine eine zusätzliche finanzielle Belastung zu. Für Beamte müssen sie für den Teil der steuer- und sozialversicherungspflichtigen Aufwandsentschädigung 12% Rentenversicherung aufbringen. Für Nicht-Erwerbstätige, die keine anderen Einkünfte haben, müssen sie 10% Krankenversicherung und 12% Rentenversicherung zahlen für den steuer- und sozialversicherungspflichtigen Teil der Aufwandsentschädigung. Und für Arbeitnehmer müssen sie die Hälfte der üblichen Krankenkassen-., Pflegeversicherungs- und Rentenversicherungsbeiträge abführen für den steuer- und sozialversicherungspflichtigen Anteil der Aufwandsentschädigung. Zusätzlich übernehmen manche Vereine noch die pauschale Lohnsteuer bei Arbeitnehmern, da bei der zweiten Lohnsteuerkarte erhebliche Steuern für den Arbeitnehmer anfallen. Die höheren Kosten schlagen in den Etats der Vereine zu Buche.

Schlussfolgerung

Der Deutsche Kulturrat fordert bereits seit mehreren Jahren eine Anhebung der steuer- und sozialversicherungsfreien Pauschalen für Aufwandsentschädigungen ehrenamtlich Tätiger auf
DM 4.800,-- im Jahr. Zuletzt wurde diese Forderung in den Steuerpolitischen Vorschlägen „Kulturförderung und Steuerrecht – Steuerpolitische Vorschläge des Deutschen Kulturrates zur Zukunftssicherung von Kultur in Deutschland und Europa“ im Jahr 1998 erhoben.

Weiter fordert der Deutsche Kulturrat eine Ausdehnung der steuer- und sozialversicherungsfreien Aufwandsentschädigung auf Organisationsleiter bzw. diejenigen, die in den Vereinen und Verbänden administrative Aufgaben übernehmen. Eine Befragung der im Deutschen Kulturrat organisierten Verbände zum Stand und den Perspektiven des ehrenamtlichen Engagements aus dem Jahr 1996 kam zu dem Ergebnis, dass es aufgrund komplizierter Verwaltungsvorschriften für viele Vereine und Verbände immer schwieriger wird, ehrenamtlich Aktive zu gewinnen.

Mit einer solchen Anhebung der Grenzen für Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit bei Aufwandsentschädigungen ehrenamtlich Tätiger würde eine Reihe von Problemen hinsichtlich der Steuer- und Sozialversicherungspflicht gelöst. Es würde zugleich eine eindeutige Grenze zwischen geringfügiger Beschäftigung und ehrenamtlicher Tätigkeit gezogen. Im Zuge der Einkommensentwicklung und der Veränderung der Grenzen geringfügiger Beschäftigung sollte der steuer- und sozialversicherungsfreie Betrag für Aufwandsentschädigungen laufend überprüft werden.

Mit Blick auf den Verwaltungsaufwand, den die Vereine haben, die eine steuer- und sozialversicherungspflichtigen Aufwandsentschädigung an ehrenamtlich Aktive zahlen, sollte geprüft, ob die Bezirks- und Landesverbände der lokalen Kulturvereine die „Personalbuchführung“ für diesen Personenkreis übernehmen könnte. Eine Bündelung der Abrechnung für eine Vielzahl von Vereinen könnte die Einstellung einer professionellen Kraft ermöglichen. Es würde die Sicherheit entstehen, dass die Abrechnungen tatsächlich korrekt gemacht werden. Die Vereine vor Ort wären von Verwaltungsaufwand befreit. Diese Bündelung von Verwaltungsaufgaben bei Bezirks- oder Landesverbänden der lokalen Kulturvereine müßten durch die öffentliche Hand gefördert werden.