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Keine Absagen, keine Skandale, keine Aufsehen erregenden Neuinszenierungen. Was sich schon im Vorfeld der 91. Richard-Wagner-Festspiele abzeichnete, wurde durch ihren Verlauf nur bestätigt: Auf dem Grünen Hügel ging es in diesem Jahr ungewöhnlich ruhig zu.
Bayreuth (ddp). In Zeiten der Flutkatastrophe und der bevorstehenden Bundestagswahl fand das am Mittwoch endende wichtigste deutsche Opern-Festival somit auch vergleichsweise wenig Beachtung.Nicht einmal die mit Spannung erwartete Neuproduktion des «Tannhäuser» durch den Regisseur und Bühnenbildner Philippe Arlaud konnte für langanhaltende Diskussionen sorgen. Zu belanglos geriet die von schönen Bildern und allerlei Licht- und Farbeffekten dominierte Inszenierung des Franzosen. Auch sonst präsentierte sich Bayreuth nicht gerade als Speerspitze des innovativen Musiktheaters. Immerhin schlug sich Jürgen Flimm nun schon im dritten Jahr recht wacker durch die Mammut-Tetralogie des «Ring des Nibelungen». Ganz im Sinne des Bayreuther Werkstatt-Charakters überarbeitete der Regisseur einige Szenen und blieb dennoch manche Antwort schuldig. Unverändert rund und schlüssig präsentierte sich Keith Warners «Lohengrin», der nach wie vor durch sein einheitliches Gesamtkonzept besticht.
Dagegen entzieht sich Wolfgang Wagners Deutung der «Meistersinger» ernsthafter Kritik. Doch auch das ist bald Schnee von gestern, denn der Festspielchef, der am 30. August seinen 83. Geburtstag feiert, wird die Regie nun endgültig an den Nagel hängen. Seine Inszenierung der Geschichte um den dichtenden Schuster Hans Sachs landet nach der Schlussvorstellung in der Mottenkiste. Sie ist die letzte Arbeit einer immerhin 49-jährigen Regietätigkeit, die der Wagner-Enkel 1953 mit dem «Lohengrin» begann. Unterstützt vom Münchner Intendanten Klaus Schultz, möchte sich der greise Prinzipal nun auf das «bloße» Leiten der Festspiele konzentrieren. Ein Rücktritt ist noch lange nicht in Sicht. Bis 2006 stehen die Pläne fest, doch es ist davon auszugehen, dass Wagner auch darüber hinaus heftig an der Zukunft Bayreuths schmiedet.
Nächstes Jahr werden die Festspiele mit dem «Fliegenden Holländer» in einer Neuinszenierung von Claus Guth eröffnet. 2004 folgt dann ein neuer «Parsifal» in der Deutung von Martin Kusej. Über das Regie-Team für «Tristan und Isolde» wird noch gerätselt. Sicher ist nur, dassdie neue Inszenierung 2005 auf die Bühne kommt. Dagegen steht der dänische Filmregisseur Lars von Trier für die Neuproduktion des «Ring des Nibelungen» im Jahr 2006 fest. Auch die Finanzen auf dem Grünen Hügel scheinen gesichert. Der amerikanische Mäzen Alberto Vilar, der die Ausstattung des neuen «Tannhäuser» finanzierte, hat bereits neue Projekte in Bayreuth angekündigt.
Auch wenn der Hügel derzeit auf künstlerischer Ebene nicht wirklich überzeugen kann, war das Interesse an den Festspielen wieder ungebrochen hoch. Einem Kontingent von 58000 Karten für 30 Aufführungen standen rund eine halbe Million Bestellungen gegenüber. Wer regelmäßig Karten anfordert, wartet also rund zehn Jahre auf den begehrten Einlass ins Festspielhaus. Und daran wird sich vermutlich auch in der kommenden Saison nichts ändern.
Christa Sigg