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„Across the Skies“ ist ein rhythmisch impulsives Konzert für Pipa und Streichorchester, das die chinesische Laute als Impulsgeber obertonreicher Klangfelder und Echos im Orchester ebenso nutzt wie als Melodieinstrument.
„Across the Skies“ ist ein rhythmisch impulsives Konzert für Pipa und Streichorchester, das die chinesische Laute als Impulsgeber obertonreicher Klangfelder und Echos im Orchester ebenso nutzt wie als Melodieinstrument.
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Außereuropäische Entdeckungen

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Neue CDs Neuer Musik, vorgestellt von Dirk Wieschollek
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Musik von: Karlheinz Stockhausen, Wenchen Qin, Michael Blake und Graciela Paraskevaídis.

Vergangenes Jahr starb die argentinische Komponistin Graciela Paraskevaídis 76-jährig in ihrer Wahlheimat Montevideo. Hierzulande ist sie leider nur unzureichend bekannt geworden. Das Ensemble Aventure schafft jetzt Abhilfe mit bemerkenswert individuellen Kammermusiken. Vieles an der existentiell aufgeladenen (unterschwellig den Schrecken der Militärdiktaturen in Argentinien und Uruguay reflektierenden) Musik von Paraskevaídis erinnert in ihrer Konzentration auf wesentliche Klangmomente, ihren klanglichen Extremen an die Musik Galina Ustwolskajas. Aber Paraskevaídis’ Sprache ist bei aller Klarheit, Reduktion und obsessiver Wiederholung insgesamt farbiger, motivisch reicher. Auch im Terror von „un lado, otro lado“ ist das aber keine explizit politische Musik, sondern lebt ganz aus dem Klang heraus, der sich ambivalent zwischen Melancholie und trotziger Energie bewegt. In „sin ir más lejos“ (ohne weiter zu gehen) sind das nur noch einsame Zeichen von Gongs, Becken, Flöte und Klavier. Absolute Empfehlung! (Wergo)

Weniger elektrisierend präsentiert sich die Veröffentlichung des südafrikanischen Komponisten Michael Blake, auch wenn die Liner-Notes bemüht sind, diese Werke für Cello und/oder Klavier bei jeder noch so kleinen lyrischen Miniatur bedeutender zu machen als sie es eigentlich sind. Blake konzentriert sich auf wenige motivische und klangfarbliche Konstanten. Das kann in Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Traditionen auch ausgesprochen polystilistische Züge annehmen. In „A Fractured Landscape“ treffen sich afrikanische Rhythmus-Modelle und Brahm’sche Harmonik, in der „Sonate“ für Violoncello und Klavier in fast neoklassizistischer Manier Elemente von Jazz, Romantik und Minimalismus, aber am Ende bleibt doch immer ein Nachgeschmack von Unverbindlichkeit und Eklektizismus, was auch ein Friedrich Gauwerky nicht verhindern kann. (Wergo)

Manche Komponisten neigen dazu, ihren Werken Titel zu geben, die auch zu schlechten Pop-Songs gehören könnten. Gott sei Dank gibt das nicht immer Auskunft über die Qualität der Stücke. Der chinesische Komponist Wenchen Qin verbindet in klangsatten Kompositionen asiatische Klangvorstellungen mit expressiven Abgründen europäischen Zuschnitts. Qin rückt dabei traditionelle asiatische Instrumente in den Fokus und bringt sie spannungsvoll mit dem europäischen Orchesterapparat ins Gespräch, hier in Gestalt eines beherzt aufspielenden ORF-Sinfonieorchesters. „Across the Skies“ ist ein rhythmisch impulsives Konzert für Pipa und Streichorchester, das die chinesische Laute als Impulsgeber obertonreicher Klangfelder und Echos im Orchester ebenso nutzt wie als Melodieinstrument. Eine musikalische Reflexion des Unglücks schlechthin verkörpert „Lonely Song“ für 42 Streicher mit dramatischen Verdichtungen und schroffen Kontrasten – eine einzige Klang-Katastrophe. (Kairos)

Karlheinz Stockhausen war nicht der Erste, der ein Radio als Musikinstrument verwendete, aber vor ihm hatte noch keiner ein Rundfunkgerät als spirituelles Medium der Improvisation benutzt. Ende der 1960er-Jahre verbanden sich Stockhausens Begeisterung fürs Radio und seine neue, im eigenen Ensemble ausgelebte Affinität zu freien Ausdrucksformen in einer ganzen Reihe von Stücken. In den „Kurzwellen“ für sechs Spieler (1968) bilden die von den Musikern selbst auszuwählenden Radioereignisse die materielle Basis für instrumentale Imitationen und Transformationen. Das Mysterium Zufall spielt in dieser verzerrten Melange aus Musikfragmenten, Stimmen, Morsecodes, Funksprüchen und Störgeräuschen immer noch eine tragende Rolle und verleiht dieser archaischen ‚Weltmusik’ im Internetzeitalter einen ganz besonderen Charme. Das amerikanische C.L.S.I.-Ensemble um Gerard Pape verewigt hier eine eigene Version, wo den Instrumentalisten vier Elektroniker zugeordnet sind, die nicht nur selbst im Ozean der Klänge fischen, sondern auch die „gelenkten Improvisationen“ mit Filtern und Ringmodulatoren manipulieren. Das Ergebnis ist eine klangreiche, komplexe Ausgestaltung, deren Spannung nie nachlässt und bei allem Reichtum nie beliebig oder unverbindlich klingt. (mode)

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