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Die Schurken. Foto: Archiv
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Genialer Schurkenstreich

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Das Musikvermittlungsprojekt „Die Schurken“ im Porträt
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„Hallo Gangster, danke für die tolle Vorstellung. Das kleine Bühnenstück hat uns allen gut gefallen. Es war lustig und man konnte vieles über Musik erfahren. Ich danke auch Kommissarin Flunke, die eine gute Musikkommissarin war. … Besonders lustig fand ich die Szene, wo Kommissarin Flunke die Sirene läuten lässt und die Gangster sich verstecken. Einer sogar im Kontrabasskoffer.“ Von Roman.

Solche Fanpost bekommen „Die Schurken“, das ist das Quartett um Ideengeber und Trompeter Stefan Dünser mit Martin Schelling (Klarinette), Martin Deuring (Kontrabass) und Goran Kovacevic (Akkordeon), zu Hauf, und größere Komplimente kann man von so jungen Zuhörern kaum bekommen. Im besagten Stück, das eine Folgeproduktion von „Räuber Potz Blitz und die Schurken“ der Jeunesse Wien ist, – „Kommissarin Flunke und die Schurken“ machen sich die Akteure und „Falschspieler“ Romero Calzone, Al Arrabiata, Mozzarella und Diavolo auf die Suche nach den Geheimnissen des musikalischen Zusammenspiels. Sie bereiten sich nämlich auf einen musikalischen Auftritt vor und merken, dass sie etwas Wichtiges verloren haben, es klingt nämlich einfach scheußlich, was sie da von ihren Notenblättern ablesen. Hier kommt eine schlaue Musikkommissarin namens Flunke (Lilian Genn) mit ins Spiel. Sie löst den kniffligen Fall, indem sie den Rabauken beibringt, dass es beim Musikmachen auch und vor allem um das Stimmen der Instrumente, das richtige Atmen, einen gemeinsamen Rhythmus, das Aufeinanderhören und nicht nur um’s Notenablesen geht.

Das junge Publikum darf hier nicht nur zuhören und zuschauen, es kann auch aktiv mitmachen – bei den Atemübungen zum Beispiel. Das ist Stefan Dünser, der schon als Kind und Jugendlicher von seinen Eltern in die „Lebenswelt Musik“ eingeführt wurde, vor allem wichtig: „Sobald man Musik zeigen möchte, geht das total in die Hose. Nur Menschen, die gerne als Menschen auf der Bühne stehen – nicht in erster Linie als Musiker –, die die Zuschauer an den Emotionen teilhaben lassen, können zeigen, dass Musik eine Sprache, eine Lebenswelt ist. Egal ob man im afrikanischen Busch lebt, in Amerika, in einer Großstadt, – überall wo es Menschen und Kultur gibt, versteht man Musik – sie ist eine internationale ‚Menschensprache‘, die jeder versteht. Sobald man den jungen Menschen die-se Weltsprache näher bringt, sind sie bei uns auf der Bühne und erleben die Musik. Es geht nicht darum, Werke wie zum Beispiel die allseits geliebte ‚Moldau‘ den Kindern näher zu bringen, sondern das Leben, das eigentlich dahinter steckt …“

Obwohl Dünser den Ausdruck „Musikvermittlung“ eigentlich nicht mag, –„es ist ein Erwachsenenwort“ – widmet er ihr einen Großteil seines Musikerlebens. „Die Schurken“ sind bereits das zweite Ensemble, mit dem er und seine Mitstreiter jungen Leuten auf den deutschsprachigen Konzertbühnen die Lebenswelt Musik nahe bringt. Auch das „Sonus Brass Ensemble“ hat bereits die „Neugierde für Musik“ zu wecken versucht, in einer Produktion der Jeunesse Österreich zum Beispiel: „Die Blech-Arbeiter“, in der fünf Arbeitslose einem Haufen Blech letztendlich wunderbare Töne entlocken.

„Es kommt niemand mehr drum herum um das Thema: Kein Veranstalter kann es sich heutzutage mehr leisten, Kinder- oder Familienkonzerte nicht mehr anzubieten,“ kommentiert Dünser. Den steigenden Zuschauerschwund im klassischen Konzertbetrieb begründet er folgendermaßen: „Wir wollen diese konservierte Welt den Kindern auf’s Auge drücken à la ‚Schaut doch, wie schön diese Musik ist‘. So erreichen wir sie nicht, die Brücke ist das klassische Familienkonzert. Die Frage ist doch, wie kann man Kinder begeistern. Das Familienkonzert ist eine große Chance, später die 20- bis 30-Jährigen wieder in den Konzertsaal zu bringen.“ Dass es dabei oftmals an finanzieller Unterstützung, sei es von staatlicher oder Sponsorenseite, hapert, findet er kurzsichtig: „Ich bin selber auch ein Wirtschaftsmensch. Meine Trompetenschule vertreibe ich international, ich habe gelernt, in Zahlen zu denken und dabei erfahren, dass sich Musikvermittlung auch in Zahlen rentiert. Musik an öffentlichen Schulen wird vernachlässigt, Musikschulen geschlossen – weil sie zu teuer seien. Aber Kinder werden durch aktives Musizieren stark, das zahlt sich schließlich auch wirtschaftlich aus. Wir im deutschsprachigen Raum definieren uns über unser Kulturerbe, unsere Musikkultur. Dieses Erbe kann nur überleben, wenn wir es pflegen. Leute kommen nach Europa wegen unsere Musikkultur … Das muss man Veranstaltern und Geldgebern bewusst machen.“

Obwohl das Projekt „Kommissar Flunke und die Schurken“ vor kurzem den Preis des Netzwerks Junge Ohren gewonnen hat, worüber man sich freute „wie ein kleines Kind“, ist es immer noch sehr mühsam, die erfolgreichen Projekte zu vermarkten, denn die Veranstalter würden die Qualität oftmals nicht erkennen. Trotzdem habe man sich inzwischen ein funktionierendes Netzwerk aufgebaut, Neues ist bereits auch wieder in Planung: 2009 wird „Rocky Rococco“, ein gemeinsames Projekt des Sonus Brass Ensembles, der Jeunesse, der Festspiele Bregenz, der Philharmonie Luxemburg und den Spielstätten Graz, Premiere haben. Hier wird Alte Musik der Rockmusik gegenüber gestellt. Das neue Projekt der Schurken mit Musik von Tristan Schulze wird „Nur Mut“ heißen.

Und wer einmal miterlebt hat, wie sich die Kinder und Jugendlichen von diesen lebendigen „Musikvermittlern“ einbinden und begeistern lassen, kann nur Mut für die weitere Zukunft wünschen. Kinder erkennen Qualität nämlich sofort und unerbittlich.

„Die Schurken auf der Musikmesse 2009“, Video unter www.nmz.de/media

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