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Im Räderwerk der verdammten Gefühle

Untertitel
Manfred Trojahn inszeniert in Würzburg seine Kammeroper „Limonen aus Sizilien“
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Die Uraufführung vor zwei Jahren an der Kölner Oper litt ein wenig darunter, dass der Komponist seine Oper, speziell die letzte Szene, erst in letzter Minute fertiggestellt hatte. Einige Sänger erschienen mit den Noten in der Hand auf der Bühne. Inzwischen aber sind die „Limonen aus Sizilien“ ausgereift. Das Würzburger Mainfranken Theater sicherte sich die zweite Uraufführung und den Komponisten als Regisseur dazu.

Mehr als in Köln in der Inszenierung Günter Krämers präsentierte sich das Werk in Würzburg als eine sehr dicht komponierte und szenisch geschickt strukturierte Kammeroper. Die drei von Trojahn und seinem Librettisten Wolfgang Willaschek ausgewählten italienischen Stückvorlagen – Pirandellos „La morsa“ und „Lumie di Sicilia“ sowie Eduardo De Filippos „Amicizia“ – werden in den handelnden Personen eng miteinander verknüpft. Was die dramatis personae vorführen, sind gleichsam „Szenen“ aus dem bürgerlichen Liebes- und Eheleben, deren Realistik jedoch umgehend überhöht und ins Dunkle und Abgründige getrieben wird. In „La morsa“ („Der Schraubstock“) treibt der Ehemann seine Frau in einem inquisitorischen Verhör in den Selbstmord – wusste er von deren Liebhaber oder vermutete er es nur? In „Lumie di Sicilia“ („Limonen aus Sizilien“) versucht der Sohn Micuccio aus der zerrütteten „La morsa“-Ehe seine Jugendliebe zurückzugewinnen. Doch diese, inzwischen ein berühmter Gesangsstar geworden, nimmt ihn kaum noch wahr. Im dritten Stück ist Micuccio alt und verbittert. Zynisch offenbart er in einem Verkleidungsspiel dem Freund Alberto, dass dessen Sohn in Wirklichkeit von ihm, Micuccio, stamme. Alberto bricht zusammen.

Die drei Geschichten sind nicht realistisch-psychologisch konzipiert, sie funktionieren quasi mechanistisch: Wie das Leben so spielt. Die Gefühle, die angeblich so lieblichen, werden brutal im Räderwerk zerstört. Trojahns Inszenierung gelingt es, diese Mechanistik aus einer realen Ambience herauszupräparieren. Ein Zug ins Groteske und Böse tritt hervor, eine surrealistische Unheimlichkeit. Die Stücke wirken nunmehr wie ein einziges mit verschiedenen Ansichten.

Die Würzburger Aufführung besaß auch musikalisch ihre Qualitäten: Der Dirigent Daniel Klajner und seine Instrumentalisten vom Philharmonischen Orchester Würzburg trafen genau den Gestus der Musik: ihre Klangsensibilität, ihre feingliedrige Beweglichkeit, auch ihre dramatischen Pointierungen. Trojahns „Limonen“-Musik untermalt nicht die Vorgänge, vielmehr kommentiert sie diese, sehr griffig und zugespitzt. Dazu traten ausgezeichnete Sängerleistungen, vor allem von Anja Kaesmacher, die in allen drei Stücken beteiligt war, als Giulia Fabbri im „Schaubstock“, in den „Limonen“ als Sängerin und in der „Freundschaft“ als Carolina Fabbri. So wie sich Trojahns Werk in Würzburg präsentierte, sollte es seinen Weg über die Musikbühnen machen: als kurze Kammeroper im „Studio“ oder als Teil-Stück eines Einakter-Abends auf der Großen Szene, wie etwa in der Art von Puccinis „Trittico“.

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