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Klaus Obermayer. Foto: privat
Klaus Obermayer. Foto: privat
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In diesem Sommer

Untertitel
Zum Tod des Komponisten, Musikers und Verlegers Klaus Obermayer
Publikationsdatum
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„In diesem Sommer“ nannte Klaus Obermayer drei Klavierstücke, die er vor einem Jahr komponiert hat. Sie gehören zu den schönsten und reifsten Zeugnissen seines Œuvres. In diesen Klavierstücken, die alles andere sind als harmlose Sommeridyllen, spürt der Komponist dem Leben nach, versucht, die Schönheit unserer Existenz zu ergründen, ja, er möchte das Glück festhalten, das uns in „Flirrende Hitze“ als nahezu rauschhafte Vision überwältigt. „Kühler Schatten“, so der Titel des mittleren Stücks, bringt aber nicht nur angenehme Erfrischung; der Schatten ist auch Chiffre für die Ambivalenz, für die Brüchigkeit und Gefährdung dieses Glücks.

Das erste Stück „Am Morgen“ ist eine Meditation; die Aktivitäten des Tages ruhen noch, eine tiefe Stille und sogar Bewegungslosigkeit beherrschen die Szene. Nur Blaumeise und Amsel lassen ihre Stimme hören, aber die zwitschern nicht bloß munter drauflos, sie haben eine Botschaft zu verkünden. Wir glauben, eine geheimnisvoll prophetische Verheißung zu vernehmen, die tröstet und mit Hoffnung erfüllt! Keiner der vielen Freunde und Bewunderer des Künstlers konnte ahnen, dass dieses vielschichtige Kunstwerk insgesamt prophetisch war. Denn „In diesem Sommer“ – nur ein Jahr später – mussten wir von Klaus Obermayer Abschied nehmen. „Am Morgen“ des 15. August haben ihm die so inbrünstig beschworenen Blaumeise und Amsel mit ihrer Verheißung das Scheiden von dieser Welt wohl leichter gemacht. „Kühler Schatten“ schützt nun die Ruhe des zu Lebzeiten rastlos Schaffenden.

Klaus Obermayer wurde 1943 in Passau geboren. Sein niederbayerisches Naturell wollte und konnte er nie verhehlen. Lange Zeit wurde er als Meister eines gerne sarkastischen, bärbeißigen Humors gehandelt. Er verblüffte mit brillanten „Spielereien“ oder „Kapriolen“, ließ uns grimmig „Ein Hundeleben“ nachfühlen und verunsicherte naive Hörer mit den typisch Obermayer´schen chromatischen Purzelbäumen. Seine kurze, aber gepfefferte „Sauwald‑Toccata“ ist einerseits eine Huldigung an das noch immer ursprüngliche Waldgebiet im Zwickel von Inn und Donau südlich seiner Heimatstadt Passau, zugleich aber auch eine Reverenz vor seinem Freund, dem Dichter Uwe Dick, der im kleinen Sauwald die große Welt entdeckte. Eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit ergab sich mit einem anderen Seelenverwandten, dem Schriftsteller Herbert Rosendorfer. Das erfolgreiche, in Passau uraufgeführte Ergebnis war die Oper „Loia“. Der pointiert zupackende Librettist bot dem Komponisten wunderbare textliche Steilvorlagen, durch die dieser zu Volltreffern animiert wurde, die an Witz, Ironie, aber auch tieferer Bedeutung ihresgleichen suchen. Humor in der zeitgenössischen Oper – eine kostbare Rarität.

Scheinbar nicht ausgelastet, nahm Klaus Obermayer in den 80er-Jahren Unterricht im Fagottspiel beim unvergesslichen Großmeister Karl Kolbinger. Bald fand er sich mit weiteren Musikern zum Bläserquintett zusammen, das sich nach einem Werktitel Karl Kolbingers beziehungsvoll „Simple Music For Five“ nannte. Landauf, landab erntete das musikantisch frische Ensemble viel Beifall von Publikum und Kritik, weil es neue, avancierte Musik und Unterhaltsamkeit auf oft sehr witzige Art zu verbinden wusste. Überflüssig zu erwähnen, dass Klaus Obermayer durch sein Quintett zu originellen eigenen Werken angeregt wurde, welche seine Komponistenpersönlichkeit in vielen Facetten spiegeln und eine gewichtige und willkommene Bereicherung des Bläser‑Repertoires bedeuten.

Als Klaus Obermayer schließlich Anfang der 90er-Jahre den „k.o.m. Bühnen‑ und Musikverlag, München“ gründete, ging ein erstauntes, ungläubiges Raunen durch den Freundeskreis: „Was macht dieser Mann eigentlich noch alles!?“ Trotz enormer Arbeitsbelastung fand er immer wieder Freiräume fürs Komponieren. Seine Kreativität steigerte sich sogar, seine musikalische Sprache wandelte und verdichtete sich. Neue verhalten elegische, auch beklemmend tragische Töne mischten sich mehr und mehr ins Burleske. Die Musik verlor nicht an Biss, aber ihr Atem wurde weiter, die Haltung gelassener. Der Künstler ließ den achtsamen Hörer zunehmend tiefer in seine Seele blicken­, er verlor die Scheu, sich emotional auch ungeschützt zu zeigen. „Die Gesänge der Nacht“ für Oboe und Klavier legen davon ein erschütterndes Zeugnis ab.

Glücklicherweise sind einige seiner anrührendsten Kompositionen auf der CD „I have a surprise for you“ mustergültig festgehalten. „Ich hab’ für dich eine Überraschung“, das kennzeichnet auch das liebenswürdige, kulant‑ernsthafte Verhältnis des Komponisten zu seinem Publikum, zum Mitmenschen überhaupt. Sein Genie zur Freundschaft haben Manche dankbar erleben dürfen, von seinem selbstlosen, aber professionell effizienten Einsatz in den Tonkünstlerverbänden auch der neuen Bundesländer, sowie seiner großen Hilfsbereitschaft haben viele profitiert. Nun ist es an uns, die Musik Klaus Obermayers zu pflegen, mit ihr vertraut zu werden, sie zu lieben. Man darf sicher sein, diese Musik ist immer für Überraschungen gut!

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