Neue Musik – von früh bis abends! Wer das erleben wollte, war zwischen dem 15. und 22. November 2009 an Rostocks Hochschule für Musik und Theater (HMT) am richtigen Platz. Dort hatte man seitens des Vereins für Neue Musik Mecklenburg-Vorpommern e.V., des Landesverbandes MV des Deutschen Komponistenverbandes e.V., der HMT selbst, ihres Ensembles für Neue Musik und des freien Rostocker Ensembles „mv connect“ keine Mühe gescheut, um mit Unterstützung unter anderem des Schweriner Kultusministeriums, des NDR, der Siemens-Kulturstiftung, der GEMA-Stiftung das nunmehr 5. „Brücken“-Festival für Neue Musik in Mecklenburg-Vorpommern mit opulentem Angebot auszustatten: 24 Veranstaltungen, davon 9 Konzerte, 6 musikwissenschaftliche Vorträge, Meister- (Komposition) und Interpretationskurse sowie Diskussionen zu Grundfragen Neuer Musik. Der Schwerpunkt: die 1997 bis 2000 an der Rostocker HMT lehrende Adriana Hölszky als in Kursen vielbeschäftigte und mit 15 Kompositionen sehr präsente Komponistin in residence, deren Gesamtschaffen überdies Gegenstand ausführlicher musikwissenschaftlicher wie musikästhetischer Beschäftigung war.
Neu und sehr ausbaufähig schien die erstmalige Teilnahme von 25 Studierenden aus dem vor 14 Jahren von der HMT initiierten Hochschulverbund ABAM (Association of Baltic Academies of Music), was mit entsprechenden kompositorischen (elf Teilnehmer) und künstlerischen „Visitenkarten“ aus Kopenhagen, Helsinki, Warschau, Danzig, Riga, Tallin, Vilnius, Krakau, Hamburg, Lübeck und Rostock eine so vielfarbige wie attraktive Belebung des Programms bedeutete. Ein dritter Bereich bezog sich auf Komponisten aus Mecklenburg-Vorpommern selbst. Dabei bestätigte sich das Bild vergangener Jahre: eine dünne, regional breit gestreute und im Land nur punktuell wirksame Personaldecke, schwierige Rahmenbedingungen und geringe Resonanz in der Öffentlichkeit; Rostocks HMT fungiert da zumindest hinsichtlich der mit einer Hochschule gegebenen Ressourcen zweier Professoren für Komposition und Musiktheorie und der „von Amts wegen“ entfalteten Aktivitäten als einsamer Leuchtturm, dem allenfalls aus Greifswald (Jochen A. Modeß) und Stralsund (Mathias Husmann), also aus Vorpommern, immer mal ein kräftigeres Blinklicht entgegenleuchtet. Gleichwohl wird insgesamt so fleißig wie stilistisch konträr komponiert, was in allein drei Konzerten verdeutlicht werden konnte. Da gab es das nur leicht modern gewürzte Traditionsbewusstsein (Malte Hübner, Michael Baumgartl, Thomas Ehricht), die Orientierung auf rein intervallisches Komponieren (Peter Tenhaef), Grenzbereiche zu Pop, Jazz und Performance (Lutz Gerlach), in der Mehrzahl aber den auch da wieder sehr unterschiedlich ausfallenden Umgang mit neuesten Techniken – und das intellektuell, strukturell und klanglich teils ziemlich rigoros (Sven Daigger, Birger Petersen, Benjamin Lang, Maik Rechter, Peter Manfred Wolf).
Hinsichtlich kompromisslosen Komponierens hatte Adriana Hölszky ohnehin eindrucksvolle Vorbilder geliefert. Entsprechend groß war die Freude über ihre Bereitschaft, aus dem eigenen Nähkästchen zu plaudern, seriös versteht sich, und immer dort von liebenswerter Verweigerung, wo es ums Eingemachte gehen sollte ... Und ein Letztes: Wenn die Veranstalter Peter Manfred Wolf (Musiktheorie/Tonsatz und Komposition) und Birger Petersen (Musiktheorie) ein durchweg positives Fazit des Festivals ziehen konnten, dann vor allem auch im Hinblick auf die nicht selbstverständlichen vorzüglichen Qualitäten der Aufführungen. Das betraf die oben genannten Ensembles, das erstaunlich kompetente zeitweilige ABAM-Ensemble unter Professor Edith Salmen, den Glücksfall des „ensemble recherche“ aus Freiburg (mit Kursbeteiligung), Monika Hölszky-Wiedemann (Violine), sowie Christiane und Birger Petersen (Orgel) – nicht zu vergessen jene Referenten, die sich mit speziellen Fragen der Musik Adriana Hölszkys befassten (Peter Manfred Wolf, Birger Petersen, Hartmut Möller, Jan Philipp Sprick und Johannes Kreidler). Da kann die Devise nur lauten: Durchhalten!