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Hans Peter Haller (re.) und sein Nachfolger André Richard. Foto: C. Oswald
Hans Peter Haller (re.) und sein Nachfolger André Richard. Foto: C. Oswald
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Die neue musikzeitung hat ihre interaktiven Tätigkeiten ausgeweitet. Mit dem Kulturinformationszentrum stellen wir die engagierte Diskussion in das Zentrum der Aktivitäten im Netz. An dieser Stelle können Fragen gestellt, Informationen verbreitet und die Arbeiten anderer kultureller Initiativen zur Darstellung gebracht werden.

Als die Elektronik das Mitspielen lernte
Zum Tod Hans-Peter Hallers: Er war ein spiritus rector für Luigi Nonos Spätwerk

„Was schert mich seine elende Geige, wenn der Geist über mich kommt“. Beethovens apokrypher Ausspruch zu Schuppanzigh war Wasser auf die Mühlen romantischer Genie-Ästhetik: Geist und Materie fielen auseinander, der umwölkte Genius hatte mit kruder Realität nichts zu tun. Gemessen an manch smarter Macher-Mentalität auch in der Neuen Musik ist das radikalidealistische Pathos dieser Polarität nicht gering zu schätzen. Trotzdem ist der Satz allenfalls halbrichtig. Kompositorische Stringenz und instrumentale Praxis gehören spannungsreich zusammen. Beethoven und das Klavier, Berlioz und das Orchester: Kompositorischer und spieltechnischer Fortschritt bedingten einander, Instrumentenbau und Raumklang (Bayreuth) wirkten an der Entwicklung mit; Interpreten und Komponisten inspirierten sich wechselseitig. Ja Produktion und Reproduktion fielen in eins, zumal in der synthetisierten elektronischen Musik. Studiogeräte und Lautsprecher wurden zu Instrumenten anderer Art.

Auch diese bedürfen individueller Kreativität. Die These hat auch einen Namen: Hans-Peter Haller. Lange Jahre leitete er das Freiburger Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des Südwestfunks. Und er war weitaus mehr als nur ein hochqualifizierter Akustiker, Elektronik- und Computerspezialist.
Klänge der Begriff nicht anrüchig, man hätte ihn einen Virtuosen nennen können. Ausgerechnet ein Komponist, den man mit der Sphäre des Zirzensischen schwerlich verbindet, Luigi Nono, hat Haller mehrfach geradezu als Wiedergeburt eines epochalen Geigers des 19. Jahrhunderts gepriesen: Joseph Joachim. So wie dieser an Brahms’ Violinkonzert instrumental inspierierend quasi mitkomponiert, technische Erfahrung als Phantasiepotenzial ins Ästhetische überführt habe, so sei Haller von seinem Spätwerk kaum mehr ablösbar.
In der Tat haben Haller und seine Mitarbeiter enormen Anteil an den zum Teil wahrhaft unerhörten Innovationen Nonos in den 80-er Jahren. Im Freiburger Studio wurden musikalisch-technische Möglichkeiten entwickelt, die „über die Grenze des Fruchtlands“ (Boulez) weit in dieses hineinführten. Es ging nicht nur, wie in der traditionellen elektronischen Musik, ums Sinuston-Medium, sondern ums schier trinitarische Amalgam aus Instrument, auch Stimme, Technik und Raum. Live-Elektronik hieß das Zauberwort; doch der Zauber war nicht der prunkender Sound-Überrumpelung, sondern der des Leisen. Mit unvorstellbar diffizilen Prozeduren wurden fragile Klänge, Einzeltöne mikrotonal aufgefächert, kunstvoll verzögert, im Raum fast magisch bewegt. Nonos spätes Hauptwerk „Prometeo“, Tragödie des Hörens, lebt aus diesen Sonoritätswanderungen, bereitete ganz neue Erfahrungen, Werk und Wiedergabe verschmolzen latent ineinander, konfrontieren die Nono-Rezeption mit der Frage nach Original und Authentizität. Ohne Hallers ingeniöse Transzendierung des bloß Technischen wären manch mystische Prozesse nicht entstanden. Aber Haller war nicht nur ein alter ego Nonos: Boulez’ „Répons“, Serockis „Pianophonie“, selbst Schnebels Studien für zwei Klaviere lebten mit und von den Freiburger Zaubereien, Beleg für die undogmatische Offenheit für divergente Ästhetiken, auch der Jüngeren.
Haller, 1929 geboren am Bodensee, ursprünglich Kirchenmusiker und Komponist, leitete 1972 bis 1989 das Experimentalstudio. Zu Ostern ist er gestorben. Sein Nachfolger ist der Komponist André Richard. Im „Ländle“ gibt es Begehrlichkeiten, analog zur Demontage des Stuttgarter SWR-Vokalensembles, auch das Studio abzuwickeln. Eine Kulturpolitik, die halbwegs diesen Namen verdient, diskreditierte sich damit selbst. [Gerhard R. Koch]

Zum Tod des Jazzgeigers Schnuckenack Reinhardt
Der Jazzmusiker und Geigenvirtuose Schnuckenack Reinhardt ist am Samstag, den 15. April 2005 im Alter von 85 Jahren gestorben. Das teilte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg mit. Der Präsident des Zentralrats, Romani Rose, hob Reinhardts Verdienste um den so genannten Zigeunerjazz hervor. Reinhardt, ein Vetter des legendären Gitarristen Django Reinhardt, habe diese Musik der Sinti und Roma wie kein anderer geprägt und populär gemacht. Schnuckenack Reinhardt, am 17. Februar 1921 im pfälzischen Weinsheim geboren, studierte am Mainzer Konservatorium Musik. Während der NS-Zeit wurde er 1940 nach Polen verschleppt. Dort gelang ihm zusammen mit seiner Familie die Flucht. Das 1967 gegründete Schnuckenack Reinhardt Quintett war Vorbild für zahlreiche weitere Formationen - etwa die Ensembles von Hänsche Weiß oder Titi Winterstein. Auch jüngere Virtuosen wie die Gitarristen Bireli Lagrène und Joscho Stephan orientieren sich an der Reinhardt-Tradition.

Gottfried Böttger Klavierspieler des Jahres
Der Komponist, Pianist und Moderator Gottfried Böttger wurde in diesem Jahr im Rahmen der Frankfurter Musikmesse als „Klavierspieler des Jahres“ ausgezeichnet. Diese Ehrung wird vom Fachverband Deutsche Klavierindustrie an Persönlichkeiten vergeben, die sich für das Klavierspielen und die Förderung des aktiven Musizierens verdient gemacht haben. Böttger sei ein Mann, der sich nicht nur dem Ragtime, Blues, Boogie-Woogie und Swing verschrieben habe, sondern der sich auch häufig und gerne an die klassische Musik herantaste. Mit diesem umfangreichen Gesamtrepertoire spreche er ein vielschichtiges Publikum an, heißt es in der Erklärung der Jury. Böttger, Vorstandsmitglied des Deutschen Komponistenverbandes, hat sich in den vergangenen Jahren auch als Spezialist im Bereich „Musik und Computer“ einen Namen gemacht. Er lehrt an der Hamburger Universität und ist Professor für Mediendidaktik an der Fachhochschule Anhalt. In seiner Dankesrede verwies Böttger auf die Bedeutung des Urheberrechts in der digitalen Welt. Das Bewusstsein für den Wert des geistigen Eigentums gelte es zu wahren und zu stärken.

Auszeichnungen

Im 2. Internationalen Henri-Marteau Violinwettbewerb 2005 gingen jeweils vier Preise in der Alterskategorie bis zu 17 Jahren an Danae Papamatthäus-Matschke (Griechenland), Paula Sumane (Lettland), Sarah Christian (Deutschland) und Nozan Bartanab (Israel), in der Gruppe 18 bis 25 Jahre an Stefan Tarar und Rebekka Hartmann (Deutschland), Sang-Mee Huh (Korea) und Zolt-Tihamer Visontay (Deutschland/Ungarn).

Der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft zeichnete in Rostock die Gewinner seines Wettbewerbes für Harfe aus, für die Förderpreise von insgesamt e 12.000 vergeben werden: in der Kategorie Interpretation Sololiteratur an Antonia Schreiber (21) aus München, die als erste Preisträgerin auch die Auftragskomposition „Crows“ von Harrison Birtwistle uraufführte. Den 2. Preis mit e 1.500 erhielt Emilie Jaulmes (geb. 1981) aus St. Martin d`Heres/Frankreich. In der Kategorie Orchesterliteratur nahm Jie Zhou (geb. 1981) aus Shanghai/China den 1. Preis entgegen.

Im Bremer Klavierwettbewerb 2005 erhielt David Meier aus Lübeck sowohl den 1. Preis als auch die Sonderpreise des Publikums und drei Förderprämien für die besten Interpretationen von Bach, Beethoven und der Auftragskomposition „Drei Stufen“ von Violeta Dinescu. Maria Svoskina aus Moskau erhielt den 2. Preis und eine Förderprämie für eine Schumann-Interpretation. Ein 3. Preis wurde nicht vergeben. Barbara Giepner aus Willich wurde für die beste Interpretation eines zeitgenössischen Werkes ausgezeichnet. Eine Doppel-CD stellt David Meier und Maria Svoskina mit ihren ausgezeichneten Interpretationen vor.

Beim Wettbewerb Klavier im 20. Jahrhundert belegten der Franzose Wilhelm Latchoumia und die beiden Griechen Prodromos Symeonidis und Emis Theodorakis die ersten Plätze.

Der ZKM-Preis Karlsruhe, ein Integrations-Projekt mit den Europäischen Bell Days, wurde unter 21 Bewerbern dem Argentinier Mario Verandi zugesprochen, zwei zusätzliche Preise den deutschen Komponisten Andre Bartezki und Frank Niehusmann. Für die elektroakustischen Manipulationen mit Bell-Sounds können die Preisträger an ihren Kompositionen im Zentrum für Kunst und Medien-Technologie arbeiten.

Der Stuttgarter Komponist Georg Wötzer erhält den mit 12.500 € dotierten Maria-Ensle-Preis der Kunststiftung Baden-Württemberg. Damit wird Wötzer, geboren 1946, der an der Musikhochschule Stuttgart Musiktheorie und Computermusik unterrichtet, für seinen „autonomen Weg in der algorithmischen Komposition“ geehrt.

Der italienische Komponist Salvatore Sciarrino ist der erste Preisträger des mit 100.000 Euro dotierten Musikpreises Salzburg. Davon gibt der Preisträger 20.000 Euro als Förderungspreis an einen jungen Komponisten seiner Wahl weiter, und zwar an den 32-jährigen italienischen Komponisten Francesco Filidei.

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