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Sehnsucht nach wilderen Zeiten

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180 Teilnehmer kommen zu „next generation“
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Unter dem neuen Label „music academy Donaueschingen (maD)“ fand das Studentenprogramm „Next Generation“ vom 12. bis zum 17. Oktober bereits zum sechsten Mal rund um die Donau­eschinger Musiktage statt. 180 Kompositions-, Musikwissenschafts- und Kunststudierende aus 18 Ländern nahmen das Angebot an. Neben freiem Eintritt zu den Konzerten bot das Programm Workshops, Künstlergespräche sowie zwei Off-Konzerte mit Stücken von Kompositionsstudierenden. Erstmals konnten bei einem entsprechenden Arbeitsaufwand auch Bachelor- und Master-Leistungspunkte gesammelt werden.

Die 90-jährigen Donaueschinger Musiktage zeigen zumindest ihr Interesse daran, junge Komponisten und damit möglicherweise Innovation zu fördern: Von den rund 60 eingereichten Stücken konnten 12 dieses Jahr bei den Off-Konzerten in der Aula der Musikhochschule Trossingen vorgestellt werden. Dass diese mehr als brave Kompositionshausaufgaben sein können, zeigte sich beispielsweise bei Stefan Beyers anspruchsvollem Septett „Die schreien Salz“, expressiv interpretiert vom Stuttgarter echtzeitEnsemble. Eine Jury rund um die Organisatorin Julia Cloot hatte die Stücke ausgewählt. Die Möglichkeit, sich als junger Komponist beim Festival vorzustellen, ist eben auch abhängig von der Realisierbarkeit der Stücke für die teilnehmenden Ensembles der Musikhochschulen Basel, Luzern, Trossingen und Stuttgart.  

Vorgesehen für das Off-Programm war eine hauptsächliche Beschäftigung mit dem Thema Musik und Raum. Das von den Festivalorganisatoren gestellte Thema wurde von Dozenten wie Studenten lustlos aufgenommen: zu übergestülpt, modisch, bereits vielfach diskutiert oder überholt wirkte das Ganze. Der unter dem vielversprechenden Titel „RaumMusikKonzepte – Akustische Installationen als Konzert und Kunst“ angekündigte Workshop mit Stefan Fricke entpuppte sich als unvorbereitetes Experiment im Umgang mit der Freiheit. Das vermutlich unfreiwillige Beispiel dafür, dass es nicht reicht, nur den äußeren Rahmen  von Veranstaltungen zu ändern – der Raum wurde „geräumt“, um exemplarisch eine neue Konzertsituation zu schaffen – war jedenfalls ein wenig bereichernder Monolog zum Thema Raumkonzepte. Erfrischend hingegen war das Komponistengespräch mit François Sarhan, der zeigte, dass der erste Schritt zur Multimediakomposition auch die Improvisation sein kann. Interessiert angenommen wurde die Schreibwerkstatt mit Björn Gottstein, in der neben grundsätzlichen Fragen zum Schreiben über Neue Musik die Sorgen der jungen Komponisten zum Verfassen von eigenen Werkbeschreibungen behandelt wurden. Ein Seminar mit Dr. Markus Fahlbusch zum historischen Konzert bot eine solide musikwissenschaftliche Einführung.

Erstmals im Off-Programm war ein studentisch moderierter Open Space am Sonntagnachmittag. Die interne Diskussionsrunde zeigte das große Interesse daran, Meinungen auch außerhalb der während des Festivals in Cafés und Kneipen anzutreffenden Kleingruppen auszutauschen.

Insgeheim sehnte sich manch ein Kompositionsstudent wohl in wildere Festivalzeiten zurück: Die Festivalstücke sowie die Publikumsaufnahme derselben wurden insgesamt als „zu harmonisch“ kommentiert. Innovative musikalisch-ästhetische Konzepte, Aufführungen, die bewusst den rein akustischen Raum verlassen und ihn durch visuelle oder performative Elemente sinnvoll ergänzen, waren – bis auf wenige Ausnahmen: Stache, Walshe, Sarhan – schlichtweg nicht zu finden. So wurde auch Rebecca Saunders’ als Raumcollage angekündigtes Stück „Stasis“, eine vierzigminütige Neue-Musik-Meditation, bei der die Musiker im Raum verteilt spielten, eher gleichgültig aufgenommen und brav abgeklatscht.

So attraktiv das Rundum-Paket „Next Generation“ sein mag: Die vom Festivalleiter Armin Köhler propagierte „Innovation“ der Musiktage vermissten viele der Studierenden.

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