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Sirenengesänge, Schattenklänge, Gurgelmusik

Untertitel
Neuerscheinungen mit Neuer Musik, vorgestellt von Max Nyffeler
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Thierry Pécou *** Rohan de Saram *** Mark Andre *** Thomas Larcher *** Josef Anton Riedl

In seiner „Symphonie du Jaguar“ lädt der 1965 in der Pariser Banlieue geborene Thierry Pécou den Klang des Orchestre Philharmonique de Radio France mit der Magie präkolumbianischer Rituale auf, die fünf solistischen Frauenstimmen beschwören mit ihrem Sirenengesang die Kosmologie der Mayas herauf. Eine wilde, visionäre Musik, die die zeitgenössische Sinfonik mit einem ganz neuen Tonfall bereichert und nichts mit den Basteleien umtriebiger Weltmusik-Arrangeure zu tun hat. Die zweite Komposition auf dieser ungewöhnlichen CD, das viersätzige Orchesterwerk „Vague de pierre“ (Welle aus Stein), fasziniert durch seine rhythmische Kraft und den souveränen Umgang mit der Klangmasse des Orchesters. Pécous Musik gibt den Blick frei auf fantastische Bilderwelten und wartet mit einem unerhörten Reichtum an klanglicher Erfindung auf. (Harmonia Mundi France HMC 905267)

Nach drei Jahrzehnten als Ensemblecellist hat Rohan de Saram 2005 das Arditti Quartett verlassen und betä­tigt sich seither wieder als freier Solist und Kammermusiker. Seine einzigartige Musikalität kommt jetzt wieder ungehindert zur Geltung, was sich auf der CD mit Werken von sieben Komponisten nachprüfen lässt. Den Beginn macht die für ihn geschriebene „Sequenza XIV“ von Berio, den Schluss die gestaltreiche „Pulsation VII“ mit Elektronik von Bernfried Pröve. Dazwischen fünf weitere Werke, darunter als Klassiker die „Vier kurzen Stücke“ von Zimmermann und „Kottos“ von Xenakis. Ein breites Spektrum zeitgenössischer Cellomusik, gespielt mit unbestechlicher Präzision und überragendem klanglichen Raffinement – ein Prüfstein für jeden Interpreten Neuer Musik. (Edition Zeitklang ez-25023)

Im Hinblick auf seinen kammermusikalischen Zyklus „iv4“ argumentiert Mark Andre im Booklet mit dem Lachenmann-Schlagwort der Schutzlosigkeit („non-protection“), aber musikalisch hat er sich von seinem dominanten Lehrer einen Schritt weiter abgesetzt. In den kurzen Stücken artikuliert sich nicht ätzende Kritik am Betrieb und am falschen Bewusstsein anderer, sondern bohrende Selbstbefragung; mit den mal düsteren, mal aufgehellten Schattenklängen und ihrer entspannten Zeitgestaltung tendieren sie zu einer meditativen Haltung. Auch das Klaviersolo „Contrapunctus“ landet nach linearen Erregungszuständen im Bereich des Numinosen. Dieses dominiert im Septett „...zum Staub sollst du zurückkehren...“ durchgehend. Die akkuraten Klänge, Träger von Andres geheimnisvollen Botschaften, finden im Pariser Ensemble Alternance ideale Interpreten. (Stradivarius STR 33837)

Wer glaubt, ein Pianist wie Till Fellner, Brendel-Schützling und gefragter internationaler Nachwuchskünstler, ließe sich bequem auf den Typ des Klassikinterpreten reduzieren, wird auf der Porträt-CD mit Werken von Thomas Larcher eines besseren belehrt. In „Böse Zellen“, einem verkappten Klavierkonzert, produziert er mit dem Münchener Kammerorchester ebenso gekonnt gläsern splitternde Klänge, Saitengeräusche und Schlagzeugeffekte, wie den vertrauten pianistischen Wohlklang. Kim Kashkashian und das Diotima Quartett sind die anderen verzüglichen Interpreten in Larchers Werken, in denen sich Intensität, weiträumige Anlage und zeichenhafter Klang zu einem abwechslungsreichen Hörerlebnis verbinden. (ECM 476 3651)

Eine Auswahl von Werken Josef Anton Riedls aus den Jahren 1960 bis 2007 bietet einen repräsentativen Querschnitt durch das originelle Schaffen des achtzigjährigen Komponisten. Glasgeräusche, Gurgelmusik und Lautgedichte wechseln sich ab mit durch Klopfen und Stampfen angereicherten Instrumentalstücken. Eine bizarre Rhythmik, der Klang des reinen Materials und die Absage an jegliche musiksprachliche Tradition prägen das Erscheinungsbild dieser Musik, die dem Gesetz der Verweigerung bis heute unverdrossen treu geblieben ist. (Neos 10925)

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