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Jörg Meder. Foto: Bernd Bodtländer
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Spaßfaktor mit Lerneffekt

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Jörg Meder, neuer Generalsekretär des Arbeitskreises Musik in der Jugend (amj), im Gespräch
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Der „Arbeitskreis Musik in der Jugend“ (amj) gehört zu den ältesten Musikverbänden der Bundesrepublik Deutschland. Bereits 1947 in Hamburg gegründet, behauptet er sich seit nunmehr 70 Jahren im deutschen Musikleben. Im stetig wachsenden Feld von Fortbildungsangeboten ist es das umfangreiche Spektrum seiner Kurse, das dem amj dauerhaft Aufmerksamkeit sichert. Der neue Generalsekretär Jörg Meder hat dennoch die Ambition, die ohnehin große Angebotspalette zu erweitern, die Serviceleistungen des amj mehr in Szene zu setzen und auch mit Crossover-Angeboten für neue Attraktivität zu sorgen. Über den Spaß für alle, allzu verborgene Alleinstellungsmerkmale und Facelifting sprach Susanne Fließ mit ihm.

neue musikzeitung: Herr Meder, Sie sind seit April 2017 Generalsekretär des „Arbeitskreises Musik in der Jugend“, den amj kennen Sie schon seit Sie im Schüleralter selbst Kursteilnehmer waren. Wie sehr haben Sie den amj denn schon durchdrungen, das Kursangebot ist ja immens.

Jörg Meder: Wir haben gerade die Jahresplanung 2018 abgeschlossen, das Programm ist im Druck. Insofern habe ich im Moment einen ziemlich guten Überblick. Und da zu meinem Stellenprofil auch gehört, konzeptionell zu arbeiten, sind einige von mir neu konzipierte Kurse auch schon in das Jahresprogramm aufgenommen. Aber Sie haben Recht: Mit dem umfangreichen Angebot muss man sich permanent beschäftigen, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben.

nmz: Wie haben Sie den amj bei Ihrem Antritt als Generalsekretär vorgefunden?

Meder: Viele Angebote sind fantastisch, manche sind weniger attraktiv, manches wiederum ist zwar gut, aber zu kompliziert gestaltet. Meine Analyse fällt vermutlich ganz normal aus. Ich habe mir vorgenommen, in regelmäßigen Abständen die Perspektive des Außenstehenden einzunehmen, um das Gesamtangebot kritisch prüfen zu können: Wer sind wir? Wo stehen wir? Was wollen wir? Wohin wollen wir?

nmz: Woran bemisst sich denn die Attraktivität eines amj-Kurses?

Meder: Zum einen an der Teilnehmerzahl. Das heißt aber nicht, dass ein Kurs schon auf der Abschussliste steht, nur weil er mal ein Jahr schlecht gelaufen ist. Manchmal hilft Umstrukturierung. Jedes Jahr werden alle Kurse auf den Prüfstand gestellt: Welchen behalten wir bei, welcher ist vielleicht nicht mehr aktuell oder attraktiv genug, bei welchen hilft es Inhalte und Ausrichtung zu überarbeiten?

nmz: Wo würden Sie die Kernkompetenzen des amj verorten? Das Kursangebot changiert zwischen dem großen Spaß für alle und Professionalisierung.

Meder: Im Prinzip ist das genau so. Wir sind ein Anbieter für Freizeitmusiker im Kinder- und Jugendalter sowie für Erwachsene und für Familien, aber auch für Multiplikatoren. Der Spaßfaktor mit Lerneffekt bestimmt die Kurse ebenso wie das Thema Fortbildung. Die Frage nach dem Profil ist dabei aber wesentlich. Man mag das Angebot des amj für ein Sammelsurium halten, wir stellen aber fest, dass wir auf diese Weise ein breites Publikum ansprechen können.

nmz: Nun gibt es im Fortbildungsbereich für Profis durchaus weitere Verbände, die mit ganz ähnlichen Angeboten auf dem Markt sind.

Meder: Mein Bestreben ist hier, dass man miteinander kooperiert. Mit dem IAM (Internationaler Arbeitskreis für Musik), der Jeunesses Musicales Deutschland, dem AfS Hamburg, der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen und der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel arbeiten wir bereits eng vernetzt, bei unseren regelmäßigen Treffen – unter anderem im Rahmen von Fachgruppen bei der BKJ (Bundesvereinigung kultureller Kinder- und Jugendbildung) – werden Erfahrungswerte ausgetauscht und ausgewertet. Einer unserer großen Konkurrenten ist die Kirche mit ihren günstigen Kurs-angeboten. Da kann der amj nicht mithalten, denn wir arbeiten vielfach mit freischaffenden Dozentinnen und Dozenten zusammen. Die wollen und sollen angemessen bezahlt werden.

nmz: Haben Sie ein Beispiel für einen der Kurse, die Sie neu ins Programm aufgenommen haben?

Meder: Neu sind die Musik- und Thea-terfreizeiten für Kinder und Jugendliche. Aufgrund meiner Erfahrung als Kursleiter an Opernhäusern habe ich festgestellt, dass das ein gefragtes Feld ist, und man hat mit dieser Art von Kurs die Möglichkeit, ein ganz anderes Zielpublikum zu erreichen. Es ist mir gelungen, dafür Kooperationspartner zu finden. Beispielsweise kooperieren wir für eine Freizeit in den Osterferien im Taunus mit zwei Musikschulen in Friedrichsdorf und Bad Homburg sowie mit dem Kulturamt von Friedrichsdorf, das die Abschlussaufführung im Ort unterstützt. Ideal ist, dass diese beiden Musikschulen die Angebote auch über ihre eigenen Kanäle als Ferienangebote bewerben. Aus meiner Zeit als Musikschulleiter weiß ich, dass eine Musikschule mit Bordmitteln die Nachfrage nach Ferienangeboten kaum bedienen kann. Aber jetzt gibt es den amj als Partner. Ein Anfang ist also gemacht und ich erhoffe mir mehr Angebote in diese Richtung, mit weiteren Partnern bundesweit. Als Nebeneffekt ist der amj dadurch auch ein wenig präsenter in der Öffentlichkeit.

nmz: Mit diesen Kursen sprechen Sie ein junges Publikum an.

Meder: Ja, so steht es ja auch im Vereinsnamen. Unsere Kernzielgruppe sind die Jugendlichen. Aber wir strecken die Fühler auch in andere Zielgruppen aus: So haben wir vor kurzem mit dem Bacharchiv Leipzig eine Kooperation zur Fortbildungen für Musikpädagoginnen und -pädagogen geschlossen.

Eine weitere Kooperation haben wir mit der Landesmusikakademie Kloster Michaelstein in Sachsen-Anhalt gestartet. Dort veranstaltet das Jugend-Barockorchester „Bachs Erben“ regelmäßig im Sommer eine längere Arbeitsphase. Im kommenden Jahr wird die zu Bachs 333. Geburtstag über den amj als Chor-Orchesterarbeitsphase angeboten. So bedienen wir die Schnittstelle zwischen fortgeschrittenen älteren Schülern und Studierenden. Eine attraktive Zielgruppe, die gleichzeitig flüchtig ist, denn aus älteren Schülern werden schnell Studierende, und die sind dann für die Angebote des amj kaum noch zu erreichen.

nmz: Wie erreichen Sie Ihre Kursteilnehmer überhaupt?

Meder: Einerseits über die bereits erwähnten Kooperationen mit Musikschulen und Kultureinrichtungen. Dann gibt es seit neuestem das Angebot der amj-Geschäftsstellenkurse als Flyer im Jackentaschenformat. Wir planen seine bundesweite Streuung. Hilfreich ist natürlich die Website, die wir momentan grundlegend überarbeiten, damit man das passende Angebot schneller findet.

nmz: Wie akquirieren Sie Kursleiter?

Meder: In der Vergangenheit hatte sich der amj oft auf Empfehlungen verlassen, ohne die Dozenten persönlich erlebt zu haben. Die Kursleiter, die ich seither zum amj geholt habe, kenne ich auch aus meiner Zeit als Musiker, Kursleiter und Dozent an einer Hochschule persönlich. Und wenn ich Tipps gefolgt bin, dann stammten die von absolut vertrauenswürdigen Kontaktpersonen. Dennoch ist es mir wichtig, die Personen immer frühzeitig persönlich zu treffen. Gerade im Kinder- und Jugendbereich muss man sicher sein, dass die Kursleiter auch pädagogisch-didaktisch mit Kompetenz und Empathie ausgestattet sind.

nmz: Ist Ihre eigene musikalische Herkunft aus der Alten Musik hilfreich bei der Entwicklung von Kursangeboten?

Meder: Obwohl ich als studierter Gambist natürlich zunächst mit Alter Musik beschäftigt war, habe ich viel im Crossover- und Musiktheaterbereich gearbeitet. Ich leitete viele Workshops für Neues Musiktheater mit experimenteller Musik, denn das Genreübergreifende ist es, was mich besonders interessiert und was ich auch im Kursangebot des amj abbilden möchte.

nmz: Die Kurse des amj finden bundesweit statt, welche Rolle spielt dabei der Standort Wolfenbüttel?

Meder: Tatsächlich finden so gut wie keine Kurse in Wolfenbüttel statt. Das finde ich einerseits ein bisschen schade, denn so könnten die Mitarbeiter des amj die praktische Wirkung ihrer Planungs- und Organisationstätigkeit erleben. Andererseits ist es eine Herausforderung, bundesweit für das Kursangebot zu werben. Der amj ist ja 1978 überhaupt erst nach Wolfenbüttel gezogen. Gegründet wurde er in Hamburg, wo er auch lange seinen Standort hatte. Als der Möseler Verlag dem amj Räumlichkeiten anbot, nahm man dies erfreut an. Die Lage in Wolfenbüttel erfordert verstärkte Aktivitäten beim Knüpfen von Netzwerken und dem Kontakt zu anderen Musikinstitutionen. Hilfreich ist dabei die Präsenz von Bundesakademie und Landesakademie.

nmz: Schuf der Möseler Verlag die Grundlage für die Notenbibliothek des amj?

Meder: Wenn, dann nur in Teilen, denn der amj hält Notenmaterial vieler verschiedener Anbieter bereit.

nmz: Wer kann diese Bibliothek nutzen?

Meder: Voraussetzung ist die Mitgliedschaft eines Chores oder Orchesters im amj. Dann kann man die Noten aus unserer umfangreichen Bibliothek kostenfrei ausleihen. Dieses attraktive Angebot müssen wir künftig noch deutlicher bekannt machen, vom online-Zugang zu dieser Bibliothek ganz abgesehen.

nmz: Und wer kann im amj Mitglied werden?

Meder: Im Prinzip jede Einzelperson, Familien, Chöre, Orchester oder interessierte Institutionen. Die Kursangebote gelten für alle, unabhängig davon, ob man Mitglied ist oder nicht. Aber als Mitglied zahlt man ermäßigte Gebühren. Für den amj sind diese Mitgliedsbeiträge wiederum existenziell, auch wenn die Grundfinanzierung durch den Kinder- und Jugendplan des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend derzeit gesichert ist.

nmz: Im amj sind derzeit rund 160 Chöre Mitglied und vergleichsweise wenige Orchester. Heißt das, die Kompetenz des amj liegt im Bereich Gesang?

Meder: Der amj hat eine Stärke einerseits als Chorverband und dieser Bereich ist uns sehr wichtig. Aber wir dürfen als Musikverband den instrumentalen Bereich nicht vernachlässigen. Denn das eine kommt auf Dauer ohne das andere nicht aus. Natürlich gibt es eine reiche A-cappella-Chormusik, aber ein Orchester oder zumindest ein kleines Instrumentalensemble bereichert jeden Chor. Auch Instrumentalis-ten im Amateurbereich müssen gefördert, motiviert und angeregt werden. Versierte Unterstützung erhalten wir dabei von den Landesverbänden des amj. Sie werben regional für die Kursangebote, in dem Maße, wie das für ehrenamtlich Tätige machbar ist. Darüber hinaus führen die Landesverbände aber auch eigenständig Kurse durch. Am aktivsten sind derzeit die beiden Landesverbände in Hamburg und in Bayern.

nmz: Wie sehr ringen denn im amj Tradition und Fortschritt miteinander? Die Herkunft des Vereins aus der Tradition der deutschen Jugendmusikbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts klingt ja ein wenig verstaubt.

Meder: Zum Glück ist der Vorstand des amj sehr heterogen aufgestellt. So werden die Ideen von verschiedenen Generationen und aus verschiedenen Blickrichtungen zusammengetragen. Im Frühjahr 2018 soll in einem gemeinsamen Workshop an den neuen Strukturen gearbeitet werden. Das gesamte Team und der Vorstand sind sich darüber einig, dass der amj ein Facelifting benötigt.

nmz: Zu einem frischen und jugendlichen Image tragen dagegen die Festivals bei, die der amj veranstaltet.

Meder: Ja, das stimmt. Ganz egal, ob es sich um die großen Begegnungsveranstaltungen „Eurotreff“ in Wolfenbüttel oder die Internationale Jugendkammerchor-Begegnung Usedom handelt, die im jährlichen Wechsel stattfinden, die Singwochen oder die deutsch-französischen Musikferien. Wer den Spirit der Begegnung dieser Menschen untereinander, diese Energie mal erlebt hat, der wird das nie mehr vergessen.

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