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Unkenrufe aus dem tiefen Haushaltsloch

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Trotz langer Wartelisten für Schüler verlieren die Musikschulen immer mehr Handlungsfreiheit
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Das „Kulturinformationszentrum“ (KIZ) auf der Website der neuen musikzeitung ist ein Tummelplatz für alle möglichen Neuheiten aus dem Musikleben: Vom positiven Fazit der Salzburger Osterfestspiele bis zur Wirtschaftsprüfung bei den Bamberger Symphonikern, vom Brahms-Preis für Klarinettistin Sabine Mayer bis zu Dieter Bohlens manipuliertem Background-Gesang – dem KIZ entgeht nichts.

Das „Kulturinformationszentrum“ (KIZ) auf der Website der neuen musikzeitung ist ein Tummelplatz für alle möglichen Neuheiten aus dem Musikleben: Vom positiven Fazit der Salzburger Osterfestspiele bis zur Wirtschaftsprüfung bei den Bamberger Symphonikern, vom Brahms-Preis für Klarinettistin Sabine Mayer bis zu Dieter Bohlens manipuliertem Background-Gesang – dem KIZ entgeht nichts.Eine der Sparten des KIZ sind die Musikschul-Presse-News, die ein Kaleidoskop der Musikschullandschaft sind. Von „überwältigenden Kammerkonzerten“, die „die Bandbreite der Ausbildung eindrucksvoll dokumentieren“ liest man da ebenso wie von „hervorragenden Wertungen beim Landeswettbewerb ‘Jugend Musiziert‘“, einer „prächtigen Inszenierung“ eines Kinder-Musicals und Wartelisten bei Schüler-Anmeldungen. Doch seit geraumer Zeit schon häufen sie Nachrichten einer anderen Sorte.

Über drohende oder erfolgte Schulschließungen berichten diese, von Gebührenerhöhungen und dadurch erfolgender Sozialauslese, von drohendem Verlust qualifizierter Lehrkräfte, von „Hilfeschreien“ und Unterschriftensammlungen. Da ist zum Beispiel die bayerische Sing- und Musikschule Gemünden. Die Haushaltslage der Stadt ist so wie die vieler anderer: dramatisch. Deshalb kürzte der Stadtrat die jährlichen Musikschul-Förderungen von 136.400 auf zukünftig 100.000 Mark. Die Gründung eines Zweckverbandes mit den umliegenden Gemeinden zur Schließung der Finanzlücke der Schule schlug fehl, eine weitere Gebührenerhöhung kommt nicht in Frage, nachdem nach der jüngsten die Schülerzahl – die seit 10 Jahren beständig gewachsen war – bereits um 20 Prozent sank. So bleibt als letzter Ausweg ein sogenannter Auswärtigenzuschuss für Schüler aus den benachbarten Gemeinden. Schulleiter Mathias Weis bemüht sich derweil um Privatspenden und Sponsoren, ohne dabei die Stadt aus ihrer Verantwortung entlassen zu wollen.

Oder zum Beispiel die Musikschule Rügen: Wochenlang fürchtete man dort die Schließung, weil der Landkreis das Musikschul-Haus verkauft hatte, lange Zeit keinerlei Umzugsmöglichkeit bot und auch nicht in verbindlicher Weise den Willen zur Fortführung der Musikschule artikulierte. Die Musikschulleitung fühlte sich ob der wirtschaftlichen Instabilität der Region Rügen mit ihren dementsprechenden Haushaltsproblemen auf der Abschussliste, bis der Landkreis dann schließlich doch tätig wurde und sogar die beantragten zusätzlichen 1,5 Planstellen für „1,5“ neue Lehrer bewilligte. Trotzdem sieht sich die Musikschule einer abstrusen Situation ausgesetzt: Gezwungen durch die angespannte Haushaltslage der Region muss sie die Gebühren um zirka 15 Prozent erhöhen, anstatt von der reichhaltigen, 100 Bewerber umfassenden Warteliste zusätzliche Schülergebühren einnehmen zu können, denn es fehlt an Lehrern. Schulleiter Hans-Jürgen Kampa glaubt angesichts der steigenden Nachfrage, dass die Schülerzahl kontinuierlich erhöht werden könnte, hätte man nur ausreichend Lehrpersonal. Stattdessen hofft man nun, dass die Gebührenerhöhung die Eltern der Schüler, die oft lange Anfahrtswege zurücklegen müssen, nicht ebenso abschreckt, wie dies etwa bei der „Nachbarschule“ Stralsund der Fall war, die aufgrund von Gebührenerhöhungen Schüler verlor.

In einer besonderen Situation sieht sich die oberpfälzische Stadt Sulzbach-Rosenberg: Als Auswirkung eines seit 1976 (!) anhängigen Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof muss die Stadt eine Gewerbesteuerrückzahlung in Höhe von 5,3 Millionen Mark leisten. Stundenreduzierungen und Personaleinsparungen werden an der Städtischen Sing- und Musikschule nunmehr ebenso unausweichlich sein wie Auswärtigenzuschläge, denn auch in dieser Region ist eine Zweckvereinbarung mit den umliegenden Gemeinden gescheitert. Diese wollen nämlich die Gründung von Außenstellen in ihren Gemeinden, wohinter wiederum der Stadtrat, so der stellvertretende Schulleiter Franz-Xaver Reinbrecht, eine seinen Absichten zuwiderlaufende „Expansion“ der Musikschule wittere. Reinbrecht sieht sich nach der Kündigung des bisherigen Schulleiters übrigens nunmehr ungewollt in Amt und Würden eines faktischen Schulleiters befördert; nachdem die Stadt die Schulleiterstelle noch in der März-Ausgabe der neuen musikzeitung ausgeschrieben hatte, ist nun keineswegs mehr sicher, ob sie wirklich noch besetzt werden soll. (Die Entscheidung des Stadtrats-Personalausschusses fiel erst nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe.)

Eine ungewollte Erweiterung seiner Aufgaben erfuhr auch Herr Boje von der geschäftsführenden Verwaltung der nordrhein-westfälischen Musikschule Heimbach-Nideggen-Zülpich: Nach dem Ausstieg der Gemeinde Zülpich aus dem gemeinsamen und bisher musikpädagogisch erfolgreichen Musikschulprojekt der drei Gemeinden wurde er zu einer Art Konkursverwalter, denn zum Ende des Jahres löst sich die Musikschule auf. Die Zülpicher Gemeinde, die größte der drei an der Musikschule beteiligten, trug 55 Prozent des Budgets und sieht sich nun nach noch nicht bis zum Anschlag verschuldeten Partnergemeinden zum Betreiben einer Musikschule um.

Allen Musikschulen gemeinsam ist die Tatsache, dass es keine „Einsparpotenziale“ mehr gibt und man die Abwanderung guter Lehrkräfte befürchtet, wenn diese auf Honorarbasis arbeiten sollen. In Zeiten der Haushaltslöcher scheint neben den eindringlichen Hinweisen auf die wichtige kulturelle und soziale Bedeutung der Musikschulen noch nicht einmal mehr der Hinweis auf ihre wirtschaftsfördernde Funktion zu fruchten.

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