Hauptrubrik
Banner Full-Size

Wir sind ein Nischenprodukt mit großen Namen

Untertitel
Das Dirigentenforum des Deutschen Musikrats – ein Interview mit Andreas Bausdorf
Publikationsdatum
Body

Auswahldirigieren, Förderstufen, Künstlerliste – dem Laien erschließt sich die Struktur des Dirigentenforums, einem Projekt des Deutschen Musikrates, nicht auf Anhieb, umgekehrt sind die Namen, die aus diesem Projekt hervorgehen, jedoch dem Laien durchaus geläufig. Wie funktioniert das Dirigentenforum, das seit 1991 renommierte Orchesterdirigenten aus seinem Förderprogramm entlässt und nun auch das Chordirigieren verbessern will? Über die Ausweitung der Dirigierzone, große Namen und kleine Förderschritte sprach Susanne Fließ mit dem Projektleiter Andreas Bausdorf.

neue musikzeitung: Wie erreicht das Projekt Dirigentenforum seine Stipendiaten? Die dirigentische Ausbildung steht ja nicht halb so sehr im Fokus der Öffentlichkeit wie die Ausbildung an einem Instrument.
Andreas Bausdorf: Unsere Zielgruppe sind junge Musiker, die sich professionell mit dem Orchesterdirigieren befassen, in der zweiten Hälfte des Studiums sind oder gerade am Theater begonnen haben. Wir haben engen Kontakt zu den Hochschulen und richten unsere Meisterkurse gemeinsam mit Theatern und Orchestern aus. Unterstützung erhalten wir von Partnern wie der DOV, GVL, den Verlagen Breitkopf & Härtel und Bärenreiter. Unsere periodisch erscheinende Zeitschrift „Mitteilungen“ bewirkt erfreuliche Resonanz in der Szene, und da wir einen der höchstdotierten Preise weltweit in vergeben, klappt es mit der Aufmerksamkeit hervorragend. Deshalb sehen wir so gut wie alle Dirigierstudenten einmal als Bewerber für das Dirigentenforum.

neue musikzeitung: Seit wann gibt es das Dirigentenforum und seit wann den Deutschen Dirigentenpreis?
Andreas Bausdorf : Das Dirigentenforum ist ein Produkt aus der Zusammenführung der Dirigentenförderung in Ost- und Westdeutschland und seit 1991 ein Projekt des Deutschen Musikrats.
In Ostdeutschland geht die Initiative auf Kurt Masur zurück, der den Nachwuchs durch Dirigierkurse bei Profiorchestern fördern und auch für Wettbewerbe außerhalb der DDR weiter qualifizieren wollte. Diese Idee ist von meinem Vorgänger erfolgreich mit der im Westen existierenden Förderung im Rahmen der BAKJK unter dem Dach des Musikrates zum Dirigentenforum vereinigt worden.
Der „Preis des Dirigentenforums“ wurde erstmals 1995 an Marc Piollet vergeben. Im Jahr 2006 konnten wir mit der BHF-Bank-Stiftung eine dauerhafte Partnerschaft vereinbaren, in dem wir den „Preis des Dirigentenforums“ und den von der Stiftung bis dahin ausgeschriebenen „Bad Homburger Dirigentenpreis“ zum „Deutschen Dirigentenpreis“ zusammengeführt haben. Die Stiftung stellt aus eigenen Mitteln allein 35.000 Euro Preisgelder bereit, auch, um unserem Konzept der nachhaltigen Förderung verstärkt Ausdruck zu verleihen. 2009 steht die nächste Vergabe unter Mitwirkung des Konzerthaus-Orchesters Berlin und dem Juryvorsitzenden von Lothar Zagrosek an. Wir sind stolz, dass wir verlässliche Partner für die Förderung gewinnen konnten und registrieren natürlich, dass die publicity dieses Preises mit den hohen Preisgeldern gestiegen ist.

neue musikzeitung: Nun kann man ja als Dirigent nicht allein zuhause üben, sondern benötigt ein Orchester. Wie werden diese Orchester gefunden?
Andreas Bausdorf : Das „Instrument“ des Dirigenten ist das Orchester, und für eine erfolgreiche Entwicklung sind Dirigenten auf Arbeit mit Profiorchestern angewiesen. Mit einigen Klangkörpern wie zum Beispiel dem MDR-Sinfonieorchester verbindet uns eine kontinuierliche Zusammenarbeit, die von Fabio Luisi angeregt wurde und nun von Jun Märkl fortgesetzt wird. Hinzu kommen ehemalige Stipendiaten wie Marc Piollet oder Georg Fritzsch, die genau wissen, wovon sie selbst profitiert haben und nun ihre Erfahrung an die nächste Generation weitergeben wollen. Über die Jahre sind so mit weit über sechzig Orchestern allein in Deutschland Beziehungen entstanden.

neue musikzeitung: Wie ist das Dirigentenforum strukturiert?
Andreas Bausdorf : Um als Stipendiat aufgenommen zu werden, muss man sich mit einem Video bewerben und einige weitere Kriterien erfüllen. Jedes Jahr haben wir rund 50 Bewerber, von denen nach dem Auswahldirigieren etwa zehn Prozent aufgenommen werden. Die Förderung ist in drei Stufen gegliedert, jede dieser Stufen dauert maximal zwei Jahre und muss vor einer Jury abgeschlossen werden. Die Anforderungen steigen kontinuierlich und am Ende der dritten Stufe kann der „Deutsche Dirigentenpreis“ vergeben werden.

neue musikzeitung: Hat das Dirigentenforum in Deutschland eigentlich Alleinstellung?
Andreas Bausdorf : So weit ich das überblicke, gibt es zwar internationale Masterclasses, die man ohne Zugangsvoraussetzungen und gegen Entrichtung hoher Teilnehmergebühren besuchen kann, aber eine Einrichtung, die Dirigenten über einen längeren Zeitraum in solcher Qualität betreut, gibt es tatsächlich nur in Deutschland, vermutlich sogar weltweit. Selbst international renommierte Profis wie Colin Metters von der Royal Academy in London oder der legendäre Dirigierlehrer Jorma Panula trauten ihren Ohren kaum, als wir sie engagierten und sie erstmals von diesem Förderprogramm hörten.

neue musikzeitung: Das Dirigentenforum plant für 2008 als neues Segment das Chordirigieren? Welche Überlegungen stehen dahinter?
Andreas Bausdorf : Basis unserer Überlegungen war die Feststellung, dass es bei den deutschen Rundfunkchören kaum noch Chefdirigenten gibt, die aus der hiesigen Ausbildung stammen. Hier scheint sich eine Lücke aufzutun, die wir helfen möchten zu schließen. Da der Laienbereich im Chorwesen im Vergleich zum professionellen Bereich riesig ist, senden wir auch ein Signal in die Laienchormusik hinein und haben die Hoffnung, dass sich unsere Aktivitäten auf lange Sicht auch positiv auf die Laienszene auswirken wird. Als Partner für dieses neue Projekt konnten wir den RIAS Kammerchor gewinnen. Ende April werden die Stipendiaten nach einem ersten Auswahldirigieren mit dem Philharmonischen Chor Berlin feststehen.

neue musikzeitung: Ist die Erweiterung des Projektes mit den bestehenden Bordmittel zu leisten?
Andreas Bausdorf : Der Beauftragte für Kultur und Medien fördert unsere bisherigen Aktivitäten, wofür ich im Namen all der Stipendiaten einmal ausdrücklich Dank sagen möchte. Darüber hinaus ist uns eine Anschubfinanzierung zugesichert, so dass wir das neue Segment zunächst bis ins Jahr 2009 ausdehnen können. Was danach kommt, ist offen, doch wir planen zwei Förderstufen und sind glücklich, dass die Deutsche Orchestervereinigung bereits einen Preis in Aussicht gestellt, der in Zusammenarbeit mit dem RIAS Kammerchor vergeben wird.

neue musikzeitung: Ein Meisterkurs mit Kurt Masur ist für 2008 ebenfalls geplant?
Andreas Bausdorf : Kurt Masur gilt ja quasi als der Ur-Vater des Dirigentenforums und hat sich Zeit seines Lebens für den Nachwuchs engagiert. In seiner Funktion als Vorsitzender des Beethovenhauses Bonn setzt er sich nun dafür ein, junge Dirigenten an die Quellen der Beethoven-Literatur heranzuführen. Für zwei Tage erhalten die Stipendiaten im Beethoven-Haus Einblick in die Forschung und nehmen dann an einem Meisterkurs mit dem Beet-
hoven-Orchester unter Masurs Leitung teil.
Am Ende wird ein – bereits ausverkauftes – Konzert in der Beethovenhalle stehen, in dem Masur und die Stipendiaten die 3. und 4. Sinfonie dirigieren. Ein umfassendes Konzept also, ausgehend von den Autographen bis hin zur Aufführung der Werke.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!