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Länder und Bund im Dialog: Senator Carsten Brosda auf der Buchmesse Leipzig. Foto: Juan Martin Koch
Länder und Bund im Dialog: Senator Carsten Brosda auf der Buchmesse Leipzig. Foto: Juan Martin Koch
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Zur Kulturpolitik der Länder und des Bundes

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Gespräche auf der Leipziger Buchmesse mit Carsten Brosda, Olaf Zimmermann, Benjamin-Immanuel Hoff und anderen
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Auf der Leipziger Buchmesse im März 2019 sprach nmz-Herausgeber Theo Geißler am Stand der neuen musikzeitung mit Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, und Senator Dr. Carsten Brosda, Vorsitzender der Kulturministerkonferenz, über die Position und Funktion der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Was hat sich dadurch verändert, was muss sich noch tun? Diesen Fragen ist Olaf Zimmermann auch als Herausgeber des Buchs „Wachgeküsst – 20 Jahre neue Kulturpolitik des Bundes 1998 – 2018“ nachgegangen, das im Gespräch vorgestellt wird. Dieses Gespräch – sowie weitere mit Thüringens Kulturminister Benjmain-Immanuel Hoff – sind hier in Auszügen wiedergegeben, in voller Länge können Sie sie auf www.nmzmedia.de nachhören.

Theo Geißler: Bei mir zu Gast sind Olaf Zimmermann, der stolz einen Wälzer namens „Wachgeküsst“ vor sich stehen hat und diesen maßgeblich auch mitgestaltet hat, und Dr. Carsten Brosda, Senator der Hamburger Behörde für Kultur und Medien sowie Vorsitzender der Kulturministerkonferenz. Senator Brosda hatte bei einer Veranstaltung zur Vorstellung des Buches „Wachgeküsst“ eingestanden, dass auf ihn die ständige Forderung Zimmermanns nach einem Bundeskulturministerium leicht neurotisch wirke. Herr Brosda, es scheint mir, Sie sind nicht unbedingt begeisterter Fan dieses Werkes. Was ist da dran?

Carsten Brosda: Gut, dass ich hier und heute Gelegenheit bekomme für ein Dementi. Ich habe mich mit dem Begriff freundschaftlich mokiert über eine Pressemitteilung, die der Kulturrat Anfang des Jahres verfasst hatte nach dem Motto „Jetzt habt ihr die Kulturministerkonferenz der Länder gegründet, jetzt wird es Zeit für das Bundeskulturministerium“. Ich finde das Buch ausdrücklich lesenswert und sinnvoll, weil es zeigt, welche Kraft darin gesteckt hat, dem Bund eine institutionelle Verfestigung in seiner kulturpolitischen Zuständigkeit zu geben. Das war etwas, was die kulturelle Debatte und die kulturpolitische Debatte im Land maßgeblich mitbefeuert und auch viele gute Konzepte und Initiativen nach sich gezogen hat. Vor allem hat es mit dazu beigetragen, dass die Länder jetzt, 20 Jahre später, eine Kulturministerkonferenz gründeten. Würde man aus dem Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung ein eigenes Ressort machen, dann würde man viele Jahre mit Kompetenzstreitigkeiten innerhalb der Bundesregierung und zwischen Bund und Ländern verbringen, und es würden Gräben wieder aufbrechen, um die ich mich ehrlicherweise momentan nicht kümmern möchte. Deswegen würde ich sagen, die Ansiedlung im Kanzleramt, der Kabinettsrang, der auch jetzt schon an der Staatsministerin hängt, sind so stark, dass ich weniger über die Institutionen und mehr über die Inhalte reden möchte. Da haben wir einen Dissens, aber das hat gar nichts mit dem Buch zu tun, das empfehle ich jedem zur Lektüre, um diesen Werbeblock dann gleich anfänglich erledigt zu haben.

Geißler: Vor 20 Jahren, soweit ich mich entsinne, war Bundeskulturpolitik ein ganz dürres, kleines Pflänzchen. Es gab etliche Ministerien, die sich gerne mit Kunst und Kultur schmückten, und vielleicht auch mal ein bisschen Geld gaben. So richtig zuständig fühlte sich niemand. Wen hat man denn da wachgeküsst vor 20 Jahren, Olaf Zimmermann?

Olaf Zimmermann: Noch in den letzten Jahren der Amtszeit von Helmut Kohl wurde der Unterausschuss Kultur im Innenausschuss des Deutschen Bundestages abgeschafft und Kulturpolitik wurde nur noch am Küchentisch des damaligen Kanzlers gemacht. Es gab letztendlich keinen Ort, an dem man über Kulturpolitik gestritten hat. Der Deutsche Kulturrat war vor 21 Jahren in der Notlage, dass es im Parlament keinen mehr gab, mit dem wir auf der Bundesebene hätten sprechen können und deswegen haben wir dann gefordert: Es muss ein Bundeskulturministerium geben, es muss einen Kulturausschuss im Deutschen Bundestag geben und es muss eine Kultur-Enquete geben! Nach der Wahl 1998 – Gerhard Schröder ist Regierungschef geworden – sind zwei dieser Wünsche erfüllt worden, nämlich der Kulturausschuss im Deutschen Bundestag ist gegründet worden sowie die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“. Unser dritter Wunsch nach einem eigenständigen Kulturministerium ging nicht in Erfüllung. Aber es gab von da an einen Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung. Diese 20 Jahre sind, seit wir also letztendlich diese Neustrukturierung haben, unglaublich erfolgreich für die Kulturpolitik des Bundes gewesen. Darüber handelt so nebenbei dieses Buch: Es will zeigen, was in diesen 20 Jahren passiert ist. Und ich freue mich sehr, dass jetzt quasi zum Abschluss dieser 20 Jahre die Länder gesagt haben: „Jetzt satteln wir auch noch einen oben drauf und gründen die Kulturministerkonferenz.“ Da bin ich mir ganz sicher, das tut uns allen gut, wenn Bund und Länder im Bereich der Kulturpolitik stark sind, und auch ein bisschen Wettbewerb untereinander tut gut.

Geißler: Ihr wart eine Maus, die brüllte. Und was mich wundert, ist, dass dann dennoch die Politik, auch die Politiker, im Grunde genommen Eure Wünsche und Sehnsüchte wohl ernstgenommen haben?

Zimmermann: Wir waren eine Maus und hätte es nicht in der Luft gelegen, das muss man auch ganz ehrlich sagen, dann hätten wir das auch nicht so politisch positionieren können. Ich kann mich erinnern, dass wir damals viel Prügel einstecken mussten, bis zum Anwurf „Verfassungsfeind“, der mir von einem Vertreter aus Nord-rhein-Westfalen wegen unserer Forderung nach einem Bundeskulturministerium entgegengehalten wurde. Denn es sind nämlich nicht nur die Unions-regierten Länder besonders föderalistisch, sondern auch die großen damals von der SPD-regierten Länder waren immer sehr stark föderal orientiert gewesen und haben uns wirklich das Leben schwer gemacht. Aber auch in den Ländern merkte man schließlich, dass es nicht vernünftig ist, auf der Bundesebene überhaupt keine kulturpolitischen Strukturen mehr zu haben. Trotzdem war es nachher auch politisches Glück: Bis wenige Tage bevor Gerhard Schröder das Amt des Bundeskulturbeauftragten angekündigt hat, waren wir uns sehr sehr, sehr unsicher, ob irgendjemand in der Politik das wirklich würde umsetzen wollen.

Dann hatten wir natürlich noch einmal eine Bewährungsprobe, als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde. Sie hatte sehr lange gezögert, bis sie jemanden in das Amt des Kulturstaatsministers berufen hat. Es gab in der Union heftige Debatten, ob man denn dieses ungeliebte Amt von der SPD übernehmen sollte. Heute ist es Normalität und auch in der Union gibt es niemanden in der ersten Reihe der Partei mehr, der sagt „Wir wollen dieses Amt wieder abschaffen“.

Geißler: Herr Brosda, woher kommt denn diese Angst vor einer zu starken zentralen Kulturpolitik, die vom Bund ausgeht, innerhalb der Länder?

Brosda: Also ich nehme an keiner Stelle eine Angst wahr, um das ganz deutlich zu sagen. Wir haben als föderal verfasster Staat Themen, die in Länderzuständigkeit liegen, und Themen, die in Bundeszuständigkeit, und Themen, die in geteilter Zuständigkeit liegen. Wir haben versucht, letztere im Rahmen von zwei großangelegten Föderalismus-Reformen vor rund 15, 20 Jahren zu reduzieren. Über seine genuinen Aufgaben hinaus, etwa Hauptstadtkulturfinanzierung und national bedeutsame Themen zu finanzieren, geht der Bund inzwischen auch an der einen oder der anderen Stelle thematisch aufs Feld. Das finden wir gut, wenn das wechselseitig verstärkend passiert und wir das kooperativ hinbekommen. Wir reden auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD von kooperativem Kulturföderalismus. Probleme haben immer etwas damit zu tun, dass ein Akteur – obwohl er eigentlich nur einen Bruchteil der Budgets verwaltet und auch nur einen Bruchteil der operativen Verantwortung trägt – hochgradig symbolhaft Themen setzen kann und damit Zugzwang für alle anderen erzeugt. Die anderen waren unter Umständen nicht einmal daran beteiligt, und wurden nicht gefragt, ob das auch aus ihrer Sicht die richtige Schwerpunktsetzung ist. Der Normalfall ist leider der, dass der Bund mit Programmen in bestimmte Felder hineingeht, für drei bis vier Jahre anfinanziert und sich dann meistens zurückzieht – mit dem schönen Hinweis „Jetzt mögen das die Länder bitte in ihre Fördersystematiken übernehmen“. Oder ein noch schöneres Beispiel: Wenn wir die unmittelbare Kofinanzierung von 50 Prozent durch die Länder haben, hilft es sehr, vorher miteinander zu sprechen, ob man eigentlich gemeinsam das Gleiche will und ob das in den jeweiligen Haushalten auch eingestellt ist.

Darum geht es auch maßgeblich in der neugegründeten Kulturministerkonferenz. Keiner von den Kulturministern hat Angst vor dem Bund, die Verteilung der Mittel bewegt sich immer noch bei etwa 85 Prozent, die von den Ländern und Kommunen für Kultureinrichtungen und Kulturförderung ausgegeben werden, und etwa 15 Prozent, die durch den Bund finanziert werden.

Zimmermann: Was ich heute hier vom Kultursenator von Hamburg und erstem Vorsitzenden der Kulturministerkonferenz gehört habe, freut mich sehr. Das ist ein guter Start, das ist wirklich „Wachgeküsst!“. Ich glaube, dass wir dann auch wirklich gemeinsam etwas bewegen können, danke!

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