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Berliner Hauptschüler musizieren mit Philharmonikern

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Berlin (ddp-bln). Der Abend stand ganz im Zeichen der großen Stars der Klassik-Musikszene: Placido Domingo war nach Berlin gekommen, um den ersten Akt aus Richard Wagners «Walküre» konzertant zu präsentieren. Begleitet wurde er von den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Sir Simon Rattle. Doch Besucher, die am Donnerstagabend ein wenig zu früh in die Philharmonie am Potsdamer Platz gekommen waren, hörten und sahen Erstaunliches:

35 junge Leute, deren Aussehen eher an einen Rap-Battle erinnerten, hatten auf einem Podium im Foyer Platz genommen und erzeugten mit Computern, Trommeln, Stimmen und spärlich gesäten Instrumenten faszinierende Töne. Die Education-Abteilung der Philharmoniker hatte für das Projekt «REMIX - Asyla» Schüler einer Haupt- und einer Realschule aus Berlin-Tempelhof zusammengebracht.

«Ich wollte mal was Neues ausprobieren, darum hab\' ich mitgemacht, als die Musiker die Projektwoche bei uns vorgestellt haben», sagte Korhan. Der betont coole 15-Jährige schwärmt sonst eher für die Musik des umstrittenen deutschen Gangster-Rap-Stars Sido und für Underground. Von dem Komponisten Thomas Ades und seinem Werk «Asyla» hatte er vorher noch nie was gehört. «Ohne dass die Schüler dieses Werk kannten, hatten sie die Aufgabe, sich mit dem Thema Asyl musikalisch auseinander zu setzen und in Töne umzuformulieren», sagte die Betreuerin des Projekts, Henrike Grohs.

«Zwei Wochen lang haben wir jeden Tag drei Stunden in der Schule und in unserer Freizeit an den Tönen gebastelt», erzählte der quirlige kleine Russe Dimitri vor dem Auftritt. «Mit dem speziellen Computerprogramm haben wir zum Beispiel aufgenommen, wie wir uns boxen, an einer Tür anklopfen oder in Kartoffelchips beißen.» Aus dem Ergebnis wurden Samples gemacht, aus instrumentalen Klängen und Alltagsgeräuschen wurde ein Klangteppich am Computer zusammengewoben, der beim Live-Auftritt abwechselnd von deutschem Sprechgesang und traditionellem türkischem Gesang begleitet wurde. «Mit diesen zusammengesammelten Tönen ist es wie mit den Asylanten: Sie werden bunt zusammengewürfelt und müssen miteinander auskommen», sagte der 13-jährige Reinhard.

Vom Verlust der Heimat und der Angst vor der Fremde berichtete eine zweite Gruppe Jugendlicher auf der Bühne. Gemeinsam hatten die Jungs und Mädchen nach musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten für das Thema Asyl gesucht. Sie werden unterstützt von Trommeln, einem Ghettoblaster und von drei professionellen Musikern der Philharmonie.
«Auch Ades hat für sein großes orchestrales Werk \'Asyla\' Alltagsklänge verwandt», sagte Grohs.

Am Schluss der Präsentation gab es auch vom mitgereisten Familienanhang und Freunden viel Applaus für die Fantasie und den Mut der Kinder, sich so ungewohnt in der Öffentlichkeit zu präsentieren. «Ich würde mich sofort wieder anmelden, wenn es so ein Projekt an unserer Schule noch einmal gäbe. Meine Freunde übrigens auch», sagte der 14-jährige Adrian begeistert. Und schließlich kennt er sich jetzt schon bestens aus in der Berliner Philharmonie, die er vorher nie betreten hatte.