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Erfahrungen mit einem neuen Fach

Untertitel
Kirchenmusikpädagogik in Bayreuth: Zwei Jahre Praxis geben Anlass zu einem Rückblick
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Seit dem Sommersemester 2002 existiert in Bayreuth – bundesweit erstmalig – ein Lehrstuhl für Kirchenmusikpädagogik: Die Hochschule für evangelische Kirchenmusik hatte ihn ausgeschrieben um ihr bewusst pädagogisch akzentuiertes Profil fortzusetzen. Dies soll nach zwei Jahren Praxis Anlass zu einem ersten Rückblick des Lehrstuhlinhabers sein und Chancen und Grenzen des Ansatzes aufzeigen:

Die „Kirchen-Musik-Pädagogik“ als Mischung aus Vorlesung und Seminar mit praktischen Übungen bildet im Umfang einer Semesterwochenstunde den Abschluss der schon vorher fest verankerten weiteren pädagogischen Fächer (zwei Semesterwochenstunden „Allgemeine Pädagogik“, zwei Semesterwochenstunden „Musikpädagogik“). Darüber hinaus enthält das Deputat des Lehrstuhls im Gegenüber zu den „künstlerischen Fächern“ noch eine Großzahl weiterer „wissenschaftlicher Fächer“: Hymnologie, Kirchenmusikgeschichte, Bibelkunde, Einführung in musikwissenschaftliches Arbeiten – sowie wechselnde Angebote für die Fort- und Weiterbildung.

Fächerübergreifend arbeiten

Solch vielfältige Aufgaben beschneiden zwar zum einen die Möglichkeit, sich „in Forschung und Lehre“ auf die Konzeption einer „Kirchen-Musik-Pädagogik“ zu konzentrieren, räumen andererseits aber auch die Möglichkeit ein, bestimmte Aspekte eines solchen Konzeptes besonders sinnvoll zu realisieren. Gerade die fächerübergreifenden Aspekte des Fachbereiches Pädagogik, diverse Verzahnungen und Projekte lassen sich mit relativ geringem organisatorischen Aufwand durchführen. Die Personalunion des Lehrenden für die pädagogischen Fächer mit dem für Kirchenmusikgeschichte, Hymnologie und Bibelkunde Zuständigen ist somit gleichzeitig eine der großen Chancen des neuen Faches an einer übersichtlichen Hochschule: Geht es doch weniger um die Einführung von etwas gänzlich Neuem als um die bewusste Fortführung und Ausgestaltung von teils schon immer wieder hier und da Betriebenem, teils aber auch zu Unrecht Marginalisiertem, Vergessenem oder ganz einfach aus Zeitmangel oder wegen Organisationsproblemen Fortgefallenem. Schon der Name Kirchen-Musik-Pädagogik signalisiert, dass hier Verknüpfungen ihr Heimatrecht bekommen, die in besonderer Weise auf die komplexen Anforderungen der späteren Berufspraxis vorbereiten wollen. So erweist sich Kirchen-Musik-Pädagogik nicht als eine qualitativ andere Musikpädagogik, sondern eher als ein Teilbereich von Musikpädagogik, der für eine bestimmte Berufsgruppe in besonderem Maß unter die Lupe zu nehmen ist. Es gilt, Kirchenmusik
• als Kunst nach ihren musikimmanenten Gesetzen zu erschließen,
• in ihren besonderen theologischen Bezügen zu sehen,
• als pädagogische „Heraus-Forderung“(!) wahrzunehmen – indem etwa eine vom Gegenstand her gedachte Vermittlung sich mit einer vom ausführenden und hörenden Menschen her gedachten Erschließung verbinden. Die Förderung der dazu notwendigen „kommunikativen Kompetenz“ wird immer notwendiger für das Berufsbild des eben auch gemeindepädagogisch tätig werdenden Künstlers. Wo Kirchen-Musik-Pädagogik aber in eben diesem Sinne über traditionell anerkannte Standards hinaus Neuland erschließen will, gerät sie rasch auch an die Grenzen des hochschulintern Realisierbaren – und dies nicht nur in Zeiten finanzieller Beschränkungen. Wo Berufsbilder und Studienordnungen (eben wie die ihnen zugrunde liegende Gesellschaft selbst) immer komplexer werden – wo am einen Ort ergänzt wird ohne am anderen Ort Entlastungen zu ermöglichen – da wird schnell deutlich, dass hier auch ein Entwurf für lebenslanges beziehungsweise berufsbegleitendes Lernen mitgedacht werden muss um das Studium nicht zu überfrachten.

Zielgruppen weit gefasst

Viele Teilaspekte gemeindlichen Lebens könnten durch Einbeziehung in Sache und Kommunikation kompetenter Kirchenmusiker/innen große Bereicherung erfahren. Entsprechende Seminare (nicht nur aber eben gerade auch des neu eingerichteten Lehrstuhles) der Bayreuther Hochschule für evangelische Kirchenmusik wenden sich demzufolge zunehmend auch als Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen an bereits im Beruf stehende Kolleginnen und Kollegen. Neben diversen spezifischen (Diplom-)Aufbaustudiengängen etwa im Bereich „Musikalische Früherziehung“ werden dazu auch in kürzeren Seminaren Menschen unterschiedlichster Tätigkeitsbereiche (neben Kirchenmusiker/-innen eben auch Pfarrer/-innen, Lehrer/-innen, Diakone, Erzieher/-innen, Ehrenamtliche inbesondere aus der Kindergottesdienstarbeit u.v.a.m.) unter einer kirchenmusikpädagogischen Zielsetzung zusammengeführt: So liegt es zum Beispiel nahe, dass die theologisch „bewegenden Inhalte“ einer sich „in Bewegung befindlichen Kirche“ sich endlich auch des Bereiches „Musik und Bewegung“ in besonderer Weise annehmen und ganzheitlich, sinnliches Erzählen etwa durch Liedtänze nicht auf die Arbeit mit Kindern beschränkt wird – woraus in Bayreuth Fortbildungsangebote für Multiplikatoren verschiedenster Tätigkeitsbereiche erwachsen sind und bundesweit wahrgenommen werden. (Interessenten zum Beispiel an den ein bis drei Blockwochen der „Gemeindepädagogischen Tanzleitungsausbildung“ wenden sich bitte an die unten genannte Hochschuladresse.)

Zum anderen darf in einer Zeit, in der etwa Schulen sich vermehrt auf die Suche nach „außerschulischen Lernorten“ machen und nicht nur die Esoterik die Aura besonders geprägter Orte in Erinnerung ruft, sich die Kirchenmusik als Gestalterin eben eines solchen Raumes entdecken. Während bundesweit die Öffentlichkeit Traditionsabbrüche unterschiedlichster Couleur beklagt, vermag gerade auch die Kirchenmusik ihren Beitrag für ein Verstehen der Gegenwart als aus Vergangenheit gewordener zu leisten: Unter dem Stichwort „Kirch-Raum-Pädagogik“ führt der neu geschaffene Lehrstuhl Theologen, Museumspädagoginnen, Religionslehrerinnen und Stadtführer mit einer Kirchenmusikpädagogik zusammen, die weit über traditionelle Orgelführungen hinaus in gestalteten Kirchraumbegehungen neue Wege sucht, den Stein gewordenen Glauben des Kirchenraumes wieder zum Leben zu erwecken.

So zeigt sich nach zweijähriger Tätigkeit am neu eingerichteten Lehrstuhl die Chance des neuen Faches insbesondere in

  • der weitergehenden Verknüpfung und Akzentuierung vorhandener Ansätze, die verschiedenen Formen künstlerischen Tuns auf ihre unterschiedlichen Adressaten hin zu reflektieren,
  • der behutsamen Erweiterung des Berufsbildes, in dem kommunikative Kompetenzen immer mehr neben sachlich/künstlerische treten, diese aber nicht verdrängen, sondern aus ihnen erwachsen sollen,
  • der Öffnung der Hochschule über ihre Ausbildungsfunktion hinaus zu einer Stätte auch der Fort- und Weiterbildung, an der sich auch berufsgruppenübergreifende Klientele unter gemeinsamen Fragestellungen versammeln.

Informationen

Interessentinnen und Interessenten am vielfältigen Angebot der Hochschule oder dem zugeordneten Institut wenden sich bezüglich Kirchenmusik-A/B/C-Studium und/oder dem oben angerissenen Seminarangebot bitte an die Hochschule für evangelische Kirchenmusik, Wilhelminenstraße 9, 95444 Bayreuth. Tel. 0921/759 34-17 (Sekretariat), E-Mail: info [at] hfk-bayreuth.de (info[at]hfk-bayreuth[dot]de)

Unter dem Titel „Kirchen-Musik-Pädagogik“ ist hier auch eine für Herbst 2004 geplante Publikation zu bestellen, welche die gleichnamige Vorlesungsreihe zusammenfasst, die zur Etablierung des neuen Faches in Zusammenarbeit mit zahlreichen Gastdozenten durchgeführt wurde (Beiträge von Karl-Heinrich Ehrenforth, Christoph Krummacher, Siegfried Macht, Hans-Martin Rauch, Christoph Richter, Rolf Schweizer)

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