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Musiker hauen für Schüler auf die Pauke - Klassikkonzertreihe für 10 000 Teenager in Rostock gestartet
Rostock (ddp-nrd). Peter Leonard schafft das, wovon Lehrer träumen, spielend. In einer voll besetzten Turnhalle zieht er 1500 mucksmäuschenstille Teenager mehr als eine Unterrichtsstunde lang in seinen Bann. Der Amerikaner hat Unterstützung von 100 Musikern der Norddeutschen Philharmonie, die nicht etwa angesagten Rock oder Techno spielen, sondern reine Klassik. Am Dienstag startete in Rostock ein außergewöhnliches Projekt für Schüler. In sieben aufeinander folgenden Konzerten werden insgesamt 10 000 Mädchen und Jungen mit klassischer Musik konfrontiert. Für viele ist es das erste Mal.
Sie sollen die Augen zumachen und ihrer Phantasie freien Lauf lassen, sagt Leonard zu den Kids. Dann legt er los: Aus Gustav Holsts Orchestersuite «Die Planeten» spielt er das Jupiter-Stück, danach den Mars. Die Musiker hauen kräftig auf die Pauke, und selbst die ganz leisen Töne sind in der großen Halle bis auf den letzten Platz zu hören. Nach den Stücken applaudieren und trampeln 1500 Bravo-rufende Schüler. «Das wollte ich hören», sagt Generalmusikdirektor Leonard, der schon auf Bühnen in aller Welt stand, genießerisch.
Für ihn sei es immer wieder beeindruckend, wie junge Leute auf die Klanggewalt eines großen Sinfonieorchesters reagierten, sagt der Dirigent. Teenager seien bereit, Neues aufzunehmen. «Das Abo-Konzertpublikum ist konservativ, markenabhängig», erklärt Leonard. Beethoven und Mozart seien gut, weniger bekannte Komponisten dagegen würden nicht so gern gehört. Das sei komplett anders bei Kindern und Jugendlichen. Außerdem wolle er den Kids nicht ihre Musik ausreden. «Ich erzähle ihnen, dass ich Techno gut finde. Aber Klassik ist auch schön. Es gibt einen Regenbogen musikalischer Stilrichtungen, genau wie es unterschiedliche Charaktere von Menschen und verschiedene Emotionen gibt», sagt der Musiker.
Um den jungen Leuten die Welt der Musik zu öffnen, gibt es unzählige geeignete Kompositionen. Holst habe ein «farbiges und kraftvoll rhythmisches» Stück geschrieben, findet Leonard. Dass es dem Komponisten der «Star Wars»-Filme, John Williams, als Inspiration für seine Filmmusik diente, wissen sogar einige Schüler im Konzert. Für neue Schülerkonzerte hat auch Volkstheater-Intendant Steffen Piontek so einige Ideen. «Es wäre jammerschade, wenn das eine Eintagsfliege bliebe», sagt der Theatermann am Dienstag nach dem Auftaktkonzert. Man wolle zunächst den Erfolg abwarten und sich auch mit den Musiklehrern verständigen. Aber letztlich sei auch alles eine Frage des Geldes.
Schließlich sind zu Konzertbeginn jeweils 1500 Schüler aus der ganzen Stadt zur Turnhalle zu transportieren. Technik, Räumlichkeiten und nicht zuletzt Gastmusiker, die das Ensemble der Norddeutschen Philharmonie für diesen Mammuteinsatz verstärken, kosten Geld. Dafür ist unter anderem die Kreuzfahrtreederei AIDA Cruises mit einer «hohen fünfstelligen Summe» eingesprungen und würde das Engagement auch im kommenden Jahr wiederholen, wie Reedereichef Michael Thamm versichert.
Katrin Schüler