Am Mittwoch, 15. Oktober 2025, hat die international renommierte Komponistin die Ehrendoktorwürde der Kunstuniversität Graz entgegengenommen. Die Laudatio beim Festakt im György-Ligeti-Saal des MUMUTH hielt die designierte Vizerektorin Elisabeth van Treeck.
v.l.n.r.: Joseph Breinl, Elisabeth van Treeck, Olga Neuwirth und Georg Schulz. Foto: Alexander Wenzel
Olga Neuwirth wurde Ehrendoktorin der KUG
„… Humor, Selbstinszenierung, auch Selbstironie, und politische Schärfe. All das findet seit über drei Jahrzehnten in einem bemerkenswert facettenreichen, verästelten, interdisziplinären, multimedialen und klugen, politischen, künstlerischen Schaffen jenseits von Genregrenzen, oft auch jenseits von Raum- und Zeitgrenzen auf eine Weise Ausdruck, wie es nur von einer Pionierin wie Olga Neuwirth kommen kann.“ So ein Auszug aus der Laudatio, mit der die Neuwirth-Spezialistin, KUG-Forscherin und gewählte Vizerektorin Elisabeth van Treeck am 15. Oktober durch das vielschichtige Werk der Ausgezeichneten führte.
Auf Beschluss von Rektorat und Senat der Kunstuniversität Graz wurde das insgesamt vierte Ehrendoktorat in der Geschichte der Kunstuniversität Graz an Olga Neuwirth vergeben. Bisher hat die KUG Phil Collins (2019), Absolvent Peter Simonischek (2022) sowie die belarussische Musikerin und Demokratieaktivistin Maryja Kalesnikawa (2023) auf diese Weise geehrt.
Die zuständige österreichische Bundesministerin Eva-Maria Holzleitner würdigte Olga Neuwirth als große Künstlerin und kritische Stimme, die für junge Komponistinnen nicht nur manche Türe geöffnet, sondern die eine oder andere auch „eingetreten“ habe. Zugleich erinnerte sie an Neuwirths Klage, als Frau und Künstlerin trotz aller Ehren weiterhin unsichtbar gemacht zu werden.
Hier knüpfte die Ausgezeichnete selbst in ihren Dankesworten an. Olga Neuwirth sprach über die Missachtung, die sie immer noch erlebe, wenn ihr als Frau nicht im selben Ausmaß das kompromisslose Eintreten für ihre Kunst zugestanden werde wie männlichen Kollegen oder offen kritisches Hinterfragen als Jammerei abgetan werde. Zugleich zeigte sie sich glücklich über die Ehrung durch die Kunstuniversität ihrer Geburtsstadt, mit der sie „viele wunderschöne Kindheitserinnerungen“ verbinde: frühe Besuche im Forum Stadtpark und beim steirischen herbst oder auch die Abende, an denen sie sich, anstatt ins Bett zu gehen, unter dem Klavier des Vaters versteckte, um zu lauschen.
Rektor Georg Schulz betonte, dass die KUG mit Olga Neuwirth eine herausragende Komponistin ehre, die in ihrem Schaffen sowie als Person Stellung für eine offene und vielfältige Gesellschaft bezieht: „Als erfolgreiche und kompromisslos engagierte Schöpferin ureigenster Klangwelten ist Olga Neuwirth zudem Vorbild für längst anstehende Veränderungen in einem noch immer männlich konnotierten Feld.“
Senatsvorsitzender Joseph Breinl strich Neuwirths Verbindung zur KUG hervor: „Ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem Institut für Elektronische Musik und Akustik der KUG sowie die intensive Auseinandersetzung von Wissenschaftler*innen und Künstler*innen unserer Universität mit ihrem Schaffen zeugen von der tiefen und fruchtbaren Verbindung zwischen ihrer Arbeit und unserer Institution. Dass ein bedeutender Teil ihres Vorlasses in der Bibliothek der KUG verwahrt wird, ist für uns nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Verpflichtung, ihr künstlerisches Erbe zu bewahren und weiterzugeben.“
Olga Neuwirth wurde 1968 in Graz geboren. Ihr Vater war der 2023 verstorbene Pianist Harald Neuwirth, eine der prägenden Persönlichkeiten aus der Gründungszeit des KUG-Jazz-Instituts. Während ihrer Schulzeit lernte sie Klavier und Trompete, nach ihrem Schulabschluss ging sie nach San Francisco, wo sie Komposition und Musiktheorie bei Elinor Armer am Conservatory of Music studierte. Neben der Musik beschäftigte sich Olga Neuwirth dort auch mit Malerei und Film. 1987 kehrte sie nach Österreich zurück und begann in Wien ein Kompositionsstudium bei Erich Urbaner an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst (Abschluss 1993). Zudem studierte sie am Elektroakustischen Institut bei Dieter Kaufmann und Wilhelm Zobl. Als prägend für ihr Schaffen gelten Komponist*innen wie Adriana Hölszky, Luigi Nono, Edgar Varèse oder auch Pierre Boulez.
Der internationale Durchbruch gelang Olga Neuwirth 1991 mit den beiden Mini-Opern „Körperliche Veränderungen“ und „Der Wald“ nach Texten Elfriede Jelineks. Mit der Literaturnobelpreisträgerin verbindet sie eine lange künstlerische Partnerschaft. Weitere Kooperationen der beiden sind etwa „Lost Highway“ nach dem gleichnamigen Film von David Lynch, „Bählamms Fest“ oder das Oratorium „Aufenthalt“.
2019 erlangte die Uraufführung ihrer Oper „Orlando“ an der Wiener Staatsoper große Aufmerksamkeit, nicht zuletzt deshalb, weil es sich um den ersten Kompositionsauftrag an eine Frau in der rund 150-jährigen Geschichte der Institution handelte. Breit wahrgenommen wurde auch die Neuinszenierung von „Bählamms Fest“ des Regieduos Dead Centre im Rahmen der Ruhrtriennale 2021.
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