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Neue alte Rechtschreibung? - Weiss will Regeln überdenken - 77 Prozent der Deutschen halten Reform für nicht sinnvoll
München (ddp). Während immer mehr Politiker einen Stopp der Rechtschreibreform anmahnen, sind sich die Bundesbürger in ihrem Urteil bereits einig: 77 Prozent halten die neuen Regeln für wenig sinnvoll, wie eine Umfrage der TV-Zeitschrift «Bildwoche» ergab. Vor allem ältere Menschen lehnen sechs Jahre nach der Einführung der neuen Schreibweisen die Reform ab. Nur jeder Fünfte findet diese mittlerweile in Ordnung.
Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) erneuerte derweil ihre Kritik an der Reform. «Wir haben bis zum Ablauf der Übergangsphase am 31. Juli 2005 noch die Gelegenheit zum Überdenken der neuen Regeln. Ich sehe die Chance, Zweifelsfälle zu klären», sagte sie am Mittwoch. Neben der neuen Getrenntschreibung nannte die Ministerin die Schreibweise von Wörtern wie «gräulich» statt «greulich» in der alten Form «problematisch».
Weiss sieht deshalb die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) in der Verantwortung, die Rechtschreibreform zu korrigieren. Sie halte nichts davon, dass sich die Ministerpräsidenten mit der Überarbeitung befassen, so wie es die Regierungschefs Bayerns, Niedersachsens und des Saarlandes, Edmund Stoiber (CSU), Christian Wulff und Peter Müller (beide CDU), vorgeschlagen hatten. Sie sollten aber das Signal an die Kultusminister geben. Eine Volksabstimmung, wie sie die FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper verlangt hatte, lehnte Weiss als «populistische Forderung» ab.
Auch Bayerns Kultusministerin Monika Hohlmeier (CSU) schließt jetzt weitere Änderungen bei der Rechtschreibung nicht aus. In Bereichen, in denen sich Sprache ständig entwickele wie in der Getrennt- und Zusammenschreibung, müssten weitere Anpassungen möglich sein, sagte sie. Ein Ministeriumssprecher fügte hinzu, es gehe nicht um eine Totalrevision der Reform, sondern darum, Entwicklungen weiter zu beobachten und einzelne Anpassungen vorzunehmen. «Änderungen und Aktualisierungen hat es ja auch schon vor der Rechtschreibreform im Duden immer wieder gegeben», sagte der Sprecher.
Die Ministerin betonte, zunächst stehe zwar der Beschluss der KMK. Aber natürlich stehe es den Ministerpräsidenten frei, eine abweichende Entscheidung zu treffen. «Eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung würde jedoch einer einzigen Schülergeneration zweimal neue Regeln vorsetzen. Das würde sicherlich zu einer großen Verunsicherung führen», räumte Hohlmeier ein.
Die Kultusministerkonferenz hatte Anfang Juni einstimmig festgelegt, dass die 1995 beschlossene Neuregelung der Rechtschreibung von August 2005 an verbindlich werden soll. Ministerpräsident Stoiber hatte angekündigt, die Rechtschreibreform zum Thema auf der Ministerpräsidentenkonferenz zu machen.
Wolfgang Schönwald