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Schauspiel und Regie: Veränderungen an der HfMDK Frankfurt

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Die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt reagiert auf die veränderte Situation des zeitgenössischen Theaters mit einem neuen Ausbildungskonzept. Die Hochschule will Schauspieler ausbilden, die sich sowohl als Ensemblespieler als auch als eigenständige Künstler etablieren können.

Das zeitgenössische Theater ist in der Konkurrenz zu den übrigen Medien und den immer knapper werdenden öffentlichen Geldern vielfachen Veränderungsprozessen ausgesetzt: Zwischen Nachahmung und Verfremdung hat sich im zeitgenössischen Theater die Suche nach neuen Spielformen mehr und mehr durchgesetzt. Nicht nur der Begriff des Spiels wird immer wieder neu definiert und erfunden, sondern auch der des Theaters als bürgerlicher Institution problematisiert.
Schauspieler finden längst nicht mehr nur im subventionierten Theater ihren Arbeitsplatz, sondern müssen sich genauso in der freien Szene durchsetzen können. Die kleinen subventionierten Häuser sind nicht mehr unbedingt das Sprungbrett für die eigene Karriere, Institutionen wie z. B. das HAU in Berlin oder viele Festivals bieten für freie Gruppen eine neue Form der Präsentation. So müssen Schauspieler ausgebildet werden, die sich sowohl als Ensemblespieler als auch als eigenständige Künstler etablieren können.
Einen Einblick in ihr neues Ausbildungskonzept geben die beiden neuen Professoren Marion Tiedtke (Nachfolge Peter Iden) und Christof Loy (Nachfolge Hans Hollmann):

Die Dramaturgin Marion Tiedtke, die in letzten sechs Jahren an den Münchner Kammerspielen mit dem Regisseuren Kriegenburg, Perceval, Ostermeier und Simons arbeitete, hat in der Nachfolge von Peter Iden die Professur für Schauspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main übernommen und der namhafte Opernregisseur Christof Loy die Professur für Regie. Sie sehen sich vor wichtige neue Aufgaben gestellt, denn das zeitgenössische Theater ist in der Konkurrenz zu den übrigen Medien und den immer knapper werdenden öffentlichen Geldern vielfachen Veränderungsprozessen ausgesetzt: Nicht nur der Begriff des Spiels wird problematisch, sondern auch der des Theaters als bürgerlicher Institution. Das Theater ist geprägt von verschiedenen Spielweisen und Darstellungsabsichten, sowie von unterschiedlichen Modellen der Institutionalisierung. Eine Ausbildung im Bereich Regie und Schauspiel muss darauf reagieren und mit seinem Ausbildungsstandart an die Entwicklungen des Theaters anknüpfen. Tiedtke und Loy wollen ihre Ausbildungsbereiche stärker verbinden und haben exemplarisch einige Projekte vorgestellt.

Künstlerische Workshops: Schon im Wintersemester 2006/07 hat der Stuttgarter Schauspieldirektor Hasko Weber einen Workshop zu Kleist-Szenen anhand der Biomechanischen Methode von Meyerhold gemacht und so bei den Studierenden des dritten Jahrgangs das Bewusstsein für die körperliche Präsenz einer Rolle geschärft. Im Sommersemester 2007 wird der minimalistische Regisseur Laurent Chétouane, selbst ein Abgänger der Frankfurter Hochschule, der jetzt u.a. an den Münchner Kammerspielen, vorher Schauspielhaus Hamburg und demnächst am Schauspiel Köln arbeiten wird, in der Auseinandersetzung mit performativen Spielweisen Szenen aus Sarah Kane erarbeiten. Corinna von Rad, Musik- und Schauspielregisseurin, derzeit als Hausregisseurin am Frankfurter Schauspiel engagiert, möchte wiederum vor dem Hintergrund ihrer Arbeitserfahrung mit Christoph Marthaler die Musikalität minimalistischer Texte von Jon Fosse mit den Studierenden erkunden.

Studienreisen: Um die Entwicklungen des Theaters auch in anderen Städten zu verfolgen, werden die Studierenden jedes Semester eine längere Reise zu Theatern unternehmen, hier nicht nur Vorstellungen besuchen, sondern die Künstler vor Ort treffen und mit ihnen arbeiten. Im letzten Wintersemester ging es an die Münchner Kammerspiele, wo ein mehrtägiger Probenbesuch zur Inszenierung von Prinz Friedrich von Homburg in der Regie von Johan Simons möglich war. Zugleich konnten die Studierenden von Schauspiel und Regie mit dem renommierten Schauspieler André Jung selbst an Kleist-Szenen arbeiten. Im Sommersemester geht die Reise an das Hamburger Thalia Theater zu den Autorentheatertagen, wo die Studierenden sich mit einer szenischen Lesung an der Präsentation der Gegenwartsdramatik beteiligen: Die Lesung Der Tag als Mama auf den Leuchtturm stieg von Gilles Granouillet findet am 15. Juni um 18 Uhr im Thalia in der Gaußstraße statt.

Der März 2007 war auch für die Regieklasse ein Reisemonat. Die Klasse traf sich mit der Bühnenbildklasse von Prof. Martin Zehetgruber in Stuttgart zu einem intensiven einwöchigen Arbeitsaustausch, Modelle und Skizze werden im Sommersemester präsentiert. Auch nahm ein Teil der Klasse an dem von der Koerber-Stiftung initiierten Regieschultreffen in Hamburg teil.

Eine weitere Exkursion ist für Juli 2007 geplant: Die Regiestudenten besuchen Generalproben und Aufführungen der Salzburger Festspiele. Geplant sind dabei auch Diskussionsrunden u.a. mit Thomas Oberender und Teilnehmern des Young Director’s Program. Lectures: Durch eintätige Begegnungen sollen die Studierenden die Möglichkeiten haben, sich mit Regisseuren, Intendanten, Schauspielern über ihre zukünftigen Arbeitsbedingungen und die Position des Schauspielers zu informieren. Auch Fragen zum Vertrag oder Vertragsverhandlungen bzw. Arbeitsbedingungen in der freien Szene sollen in diesem Format vermittelt werden.

Im Regiebereich gab es im Wintersemester schon Lectures zum Thema Kostüm mit der Kostümbildnerin Bettina Walter und dem Technischen Direktor und Lichtdesigner Olaf Winter von der Oper Frankfurt. Für das Sommersemester sind Begegnungen mit Johan Simons und Andreas Kriegenburg geplant.

Ebenfalls ist eine engere Zusammenarbeit mit den Partnerbühnen der Hessischen Theaterakademie geplant. So sollen Regiestudenten verstärkt und regelmäßig die Möglichkeit erhalten, mit sich bereits im Engagement befindlichen Schauspielern und Sängern in der Szenenarbeit auseinanderzusetzen. Im vergangenen Wintersemester erarbeiteten Regiestudenten Szenen aus Kleist-Stücken mit Schauspielern vom schauspielfrankfurt. Ergebnisse werden in sogenannten „Work in progress – Regie“ – Veranstaltungen gezeigt.

Produktion und Projekte: Die bisherigen Projekte und Inszenierungen wie den Liederabend, die Jahresinszenierung im Schauspiel und die Diplominszenierungen der Regiestudierenden sollen erweitert werden um eine weitere Produktion der Studierenden beider Ausbildungsbereiche, mit der sich die Hochschule dann auch auf dem jährlichen Regieschultreffen der Körberstiftung am Hamburger Thalia Theater präsentieren kann. Der diesjährige Liederabend des 3. Ausbildungsjahrgangs Schauspiel findet am 12. und 13. April unter der Leitung des Schauspielmusikers Günter Lehr im Gallustheater statt.

Hessische Theaterakademie: Die bisherige gute Zusammenarbeit mit den Hessischen Theatern soll zukünftig noch enger werden. Wünschenswert wäre, die Studierenden des letzten Jahres schon stärker in den alltäglichen Betrieb der Partnertheater einzubinden und nicht nur punktuell, wie es jetzt im Rahmen der Jahresinszenierung und der Diplominszenierungen der Regieklasse stattfindet. In diesem Frühjahr konnte der Ausbildungsbereich Schauspiel seine Jahresinszenierung im Kleinen Haus am schauspielfrankfurt aufführen: Für eine bessere Welt von Roland Schimmelpfennig in der Regie von Hermann Schmidt-Rahmer , - eine Zusammenarbeit mit dem schauspielfrankfurt, die sehr gut war und in Zukunft fortgesetzt werden soll. (Nächste Vorstellungen am 19. April und 13. Mai, jeweils 19.30 Uhr).

Hörfunk und Film: Mit dem Hessischen Rundfunk und dem Ausbildungsbereich Schauspiel besteht ein enger Kontakt, da professionelle Sprecher die Studierenden im Mirkofonsprechen schulen. Gleiches wäre auch wünschenswert für den Film, denn immer mehr zukünftige Schauspieler finden hier ihr Einkommen. Die Kameraarbeit in die Ausbildung zu integrieren, ist dringend notwendig, an den adäquaten Voraussetzungen dafür wird noch gearbeitet. Internationale Kontakte: Loy und Tiedtke haben selbst an vielen internationalen Häusern gearbeitet und wollen nun für die Hochschule auch Kontakte ins Ausland nutzen, um die eigene Ausbildung dadurch zu bereichern und Partnerschaften aufzubauen.

Vernetzungen: Angestrebt wird eine engere Zusammenarbeit mit den anderen Ausbildungsbereichen des Fachbereichs Darstellende Kunst, den Angewandten Theaterwissenschaften in Gießen und dem Studiengang Dramaturgie an der Goethe-Universität. Schon im letzten WS haben Studierende aus der Dramaturgie und aus dem Schauspiel an dem Fassbinder-Projekt der Regisseurin Barbara Weber teilgenommen, das auf den Hessischen Theatertagen noch einmal zu sehen sein wird. Im September (26. bis 30.) werden sich die Studierenden beider Fachbereiche auf dem Symposium zur Dramaturgie des 21. Jahrhunderts mit Szenen aus neuen Theatertexten präsentieren. Als ein Szenenlehrer dafür konnte u. a. der Schauspieler Wolfram Koch gewonnen werden.


Quelle: Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt

http://www.hfmdk-frankfurt.de