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Senat der Folkwang Hochschule stoppt Reformprozess

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Die zwei Prorektoren treten zurück. Die im Winter 2000 begonnene Reform an der Folkwang Hochschule ist in eine schwere Krise geraten. Nach einem in der deutschen Hochschullandschaft beispiellosen Prozess, in dem allen Hochschulmitgliedern ein breites Mitwirkungsrecht eingeräumt worden war, hatte der Senat der Hochschule im Februar diesen Jahres ein ganzes Bündel von Reformvorhaben beschlossen.

Dazu gehörten Modernisierungen der Studienstrukturen, mehr Wahlfreiheit für Studierende, Anpassung an die veränderten Bedingungen des Kulturlebens, Integration des Standortes Duisburg in ein Gesamtkonzept der Folkwang Hochschule als "Kunsthochschule des Ruhrgebiets", Sicherungen für die Qualität der Lehre, aber auch spektakuläre neue Studienangebote wie "Integrative Komposition", "Autor/Produzent" und "Text".

Zur Verwirklichung dieser Ziele wurde ein sorgfältig austarierter Stellenplan vorgelegt, dem der Senat mit nur zwei Gegenstimmen folgte. Die Reform fand sowohl in Bezug auf das Verfahren als auch in Bezug auf die Inhalte eine außerordentlich positive Resonanz in der Hochschullandschaft und in der Öffentlichkeit insgesamt. Mitglieder des Rektorats werden zunehmend als Berater für andere reformwillige Musik- und Kunsthochschulen angefragt.

Das Reformpaket wurde im Frühjahr umgehend dem Ministerium zur Genehmigung vorgelegt. Aber die Folkwang Hochschule war vielleicht "zu schnell". Zeitlich etwa parallel hatte die Landesregierung eine Musikkommission eingesetzt, die einen Entwicklungsplan für die Musikhochschulen des Landes vorlegen sollte.

Dies geschah erst im Hochsommer, und seitdem arbeitet das Ministerium an der Entwicklung eines Umsetzungskonzeptes. Hierzu fanden im Oktober erste Gespräche mit allen Musikhochschulen des Landes statt, die nun ihrerseits Reformüberlegungen anstellen müssen: insgesamt ein Prozess, der noch lange dauern wird. Auch wenn das Ministerium versichert, es werde die Reformvorstellungen der Folkwang Hochschule mit hoher Priorität umsetzen, liegt es in der Natur der Sache, dass es sich bis zum Abschluss der landesweiten Neustrukturierungsmaßnahmen nicht endgültig festlegen wird.

In diesem "Zeitloch" fanden an der Folkwang Hochschule im Sommer ´02 Senatswahlen statt. Viele Hochschullehrer waren erschöpft von den zahlreichen Reformsitzungen der vergangenen Semester und wollten endlich wieder normal unterrichten und konzertieren. Man war allgemein froh, dass überhaupt einige Hochschulmitglieder bereit waren, für ein Senatsamt zu kandidieren. Diese Situation hat sich eine Gruppierung, die den Reformbeschlüssen zwar zunächst zugestimmt hatte, nun aber eine Chance zur Realisierung ihrer ursprünglichen Vorstellungen sah, zielgerichtet zunutze gemacht.

In dem seit Oktober amtierenden Senat hat diese Gruppe nun die Mehrheit. So sind in der Sitzung vom 4. Dezember 2002 zunächst fünf Positionen des Reformstellenplans revidiert worden. Die neuen Studienangebote "Autor/Produzent" und "Text" sind damit nicht realisierbar, die für hochrangige Gastprofessuren reservierte Position des "Meisters" ist weggefallen, die "Integrative Komposition" und das Wahlangebot für "Alte Musik" im Rahmen der neuen "Differenzierten Musikerausbildung" sind zumindest stark gefährdet. Es gibt Informationen in der Hochschule, die darauf hindeuten, dass die "Integrative Komposition" demnächst insgesamt zurückgefahren werden soll.

Die durch den jüngsten Senatsbeschluss frei werdenden Positionen sollen besetzt werden mit Stellen für "Musikalische Grundausbildung/Schulpraktische Klavierspiel", "Musiktheorie mit dem Schwerpunkt \'unterrichtsnahe Werkproduktion\'", "Bläser-Kammermusik", "Musiktheater / Gesang" und für ein zu gründendes "Zentrum für Musik anderer Kulturen" in Duisburg.

Aus Sicht der Hochschulleitung ist hinter den Revisionsbeschlüssen kein einheitliches Konzept erkennbar. Die Reformopposition behauptet dagegen, Zielvorstellungen des Musikkommissionsberichtes umzusetzen. Dies kann man indes nur aufrechterhalten, wenn man diesen Bericht selektiv liest.
An der dargestellten Gesamtkonstellation lassen sich beispielhaft strukturelle Probleme aufzeigen, die notwendige Reformvorhaben an Folkwang - und an Hochschulen insgesamt - blockieren:

· Mangelnde Koordination zwischen Landes- und Hochschulplanung;

· Verbale Zusage von "Hochschulautonomie" durch die Landesregierung bei engen (und enger werdenden) finanziellen Rahmenbedingungen;

· "Belohnt" wird nicht, wer sich bewegt, sondern wer seinen konzeptuellen Stillstand am besten verbal kaschieren kann;

· Unfähigkeit der vier Musikhochschulen des Landes, sich auf ein landespolitisch vernünftiges Gesamtkonzept zu einigen, das man der Landesregierung als sachbezogene Alternative zum Musikkommissionsbericht vorlegen könnte;

· Selbstlähmung der Institution Hochschule durch die Möglichkeit, einmal getroffene, als Resultat eines in jeder Hinsicht umfassenden Reformprozesses entstandene Beschlüsse mit einer einfachen Mehrheit rückgängig machen zu können. So werden verantwortbare mittelfristige Planungen unmöglich;

· Systembedingte Frustration der wenigen Hochschullehrer, die bereit und in der Lage sind, durch die Übernahme eines Amtes einen Reformprozess durchzuführen.

In dieser Situation und in Verbindung mit einer als unlösbar erscheinenden schweren Vertrauens- und Kommunikationsstörung innerhalb der Hochschule sehen die Prorektoren Prof. Wolf Burbat und Prof. Ludger Maxsein keine Zukunftsperspektive für ihre Arbeit und sind von ihrem Amt zurückgetreten.

Prof. Dr. Martin Pfeffer bleibt als Rektor weiter im Amt: "Wir stecken in einem zugegeben nicht ganz einfachen Prozess; die Reform ist als Methode an deutliche Grenzen gekommen. Aber natürlich wollen wir weiterhin das Beste für die Folkwang Hochschule erreichen. Ich empfinde diese Situation als politischen Gestaltungsauftrag."

Das Rektorat / 9.12.2002