„Windiges Eck“ (= Windhoek) klingt nicht besonders einladend. Eigentlich – doch Windhoek, die Hauptstadt Namibias und seit mehr als 25 Jahren Partnerstadt von Trossingen, erfindet sich gerade neu und überrascht ihre Besucher. So auch die Staatliche Hochschule für Musik Trossingen mit Windhoek, dem International Wind Festival, kurz vor Semesterbeginn: Frischer Wind wehte an drei spannenden Tagen intensiver Arbeit an und mit Neuer Musik in Workshops mit Magnus Lindberg und Sven Ingo Koch sowie Stuttgarter Studierenden der dortigen Kompositionsklassen von Prof. Marco Stroppa und Prof. Martin Schüttler und in vier fesselnden Konzerten mit zahlreichen Welturaufführungen.
Die besondere Expertise der Bläser-Professoren der Trossinger Hochschule bildete die Initialzündung zu diesem Festival, das sich ganz der Neuen Musik verschrieben hat – und das gleich in dreifacher Hinsicht: komponierend, studierend und konzertierend. Studierende der Klassen von Marco Stroppa und Martin Schüttler hatten eigens für das Festival vier Werke geschrieben. Diese Kompositionen wurden in Trossingen in inspirierender Zusammenarbeit ebenso einstudiert und uraufgeführt wie Werke von Marco Stroppa selbst, von Marcelo Nisinman sowie den Komponisten in residence Sven Ingo Koch und Magnus Lindberg.
In intensiven Proben hatte ein groß besetztes Bläserensemble unter Leitung des Oboisten Prof. Nicholas Daniel mit dem finnischen Komponisten Lindberg dessen „Gran Duo“ einstudiert, ein Dialog zwischen Holz- und Blechbläsern mit ihren jeweils spezifischen Stimmungen. Eine spannende Arbeit für Studierende wie Lehrende, gab Magnus Lindberg doch mehr von seinen Geheimnissen preis, als zu erwarten war.
„Unspielbar wirkende Stücke wurden spielbar“, brachte es ein Student auf den Punkt und freute sich: „Wir durften gemeinsam mit den Komponisten kreativ werden, die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten erlernen, die Hintergründe großer Werke persönlich erzählt bekommen, uns davon inspirieren lassen und Ergebnisse erreichen, die wir uns nicht hätten erträumen lassen.“
Der Trossinger Horn-Professor Saar Berger, seit mehr als 15 Jahren Mitglied im Ensemble Modern, verfügt ebenso über sehr gute Kontakte in die Neue Musik-Szene wie seine Kollegen, der schwedische Fagottist Prof. Fredrik Ekdahl, der Klarinettist Prof. Chen Halevi, der Oboist Prof. Nicholas Daniel und die Querflötistin Julie Stewart-Lafin. Sie sind überaus dankbar, dass so viele renommierte Komponisten ohne Zögern zugestimmt haben, in die südwestliche Ecke Deutschlands zu kommen, um in konzentrierter Umgebung am Rande des Schwarzwaldes mit den Studierenden zu arbeiten und sich mit den Lehrenden auszutauschen, die auch verschiedene Werke – teilweise gemeinsam mit Studierenden – eindrucksvoll zu Gehör brachten.
So trafen sich alle, um von Magnus Lindberg zu lernen sowie in die hochatmosphärische und mikro-
tonale Welt Sven-Ingo Kochs abzutauchen, die dunkle Tango-Atmosphäre von Marcelo Nisinman zu erspüren, mit Prof. Marco Stroppa und seinen Studierenden der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart neue Werke zum Klingen zu bringen, mit dem Saxofon-Professor Matthias Anton zu improvisieren und mit dem Stuttgarter Pianisten Prof. Nicolas Hodges zu spielen, der sich in den vergangenen Jahren als eine der weltweit führenden Persönlichkeiten im Bereich der zeitgenössischen Musik etabliert hat.
Die Kombination aus einer kleinen, aber musikalisch sehr bedeutenden Stadt, in der intensiv gearbeitet werden kann, den international bekannten Lehrenden und dem herausragenden Niveau der angereisten Komponisten machte das Windhoek Festival so aufregend. Trossingen entpuppte sich als Zentrum für kreative Bläsermusik in Deutschland. War solche Musik ein Aschenputtel in der Neuen Kammermusik, ist jetzt der passende Schuh gefunden – auf der Unterseite „Windhoek“ eingraviert.