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Musikrat: Ludger Westricks Weihnachts-Amok (Part two)

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(nmz) Nach der fristlosen Kündigung des Generalsekretärs Thomas Rietschel hat Insolvenzverwalter Ludger Westrick den Musikrats-Mitarbeitern striktes Auskunfts-Verbot erteilt. Auch er selbst verweigerte dem WDR eine Stellungnahme, sagte aber für das Musikmagazin „taktlos“ von Bayern2Radio und nmz am 10. 1. 2003 zumindest ein Interview zu. Dennoch wurden weitere einschneidende Planungen Westricks bekannt, die demokratische Beschlüsse des Vereins „Deutscher Musikrat“ (DMR) – sprich, der Generalversammlung aller Mitgliedsverbände - und des noch amtierenden Präsidiums komplett aushebeln:

Das Bundesjugendorchester auf der Kippe
Zur aktuellen Arbeitsphase des Bundesjugendorchesters, die am 27. 12. in Weikersheim begann, bestellte Westrick nach einem Vorstellungsgespräch am 24. 12. dann am 27. 12., sozusagen „just in time“ als Nachfolger von Volker Spieker den vormaligen organisatorischen Leiter des Landesjugendorchesters Baden-Württemberg, Sönke Lenz. Um die Vertragsgestaltung mit Lenz hatte es nach unseren Informationen weit im Vorfeld ein skurriles Gezerre gegeben, das eine vernünftige Vorbereitung der Arbeitsphase verhinderte und den Mangel an Sachkompetenz beim Insolvenzverwalter unserer Ansicht nach besonders deutlich belegt. Nach unseren Informationen stand die Unterzeichnung noch in Frage, vielleicht weil der Vertrag quasi als Modell für den geplanten Haus-Tarifvertrag des Musikrates eine Arbeitszeit-Regelung nur in der Form enthält, als der Mitarbeiter / die Mitarbeiterin jederzeit zur Verfügung zu stehen habe.
In Sachen Kompetenz: Ein paar ergänzende Angaben über Westricks Umgang mit der „Auswärtigen Verbindungsstelle des Musikrates“ folgen in einer der nächsten „Weihnachts-Amok“-Ausgaben.

Das Westrick-Modell für die Musikrats-Struktur
Eine für den 5. Januar in Weikersheim geplante Pressekonferenz, bei der Westrick den neuen Satzungsentwurf für den Musikrat vorstellen wollte, wurde kurzfristig abgeblasen. Sozusagen im Vorgriff auf die zweite Sitzung eines von ihm zur Satzungsgestaltung einberufenen sogenannten „Kompetenzteams“ am 7. 1. wollte sich Westrick vielleicht inhaltlich profilieren. – Allerdings können sich die durchwegs honorigen und kenntnisreichen Mitglieder dieses freilich kaum durch demokratische Legitimität geprägten Gremiums Zeit und Reisekosten eigentlich sparen (darunter Christian Kroeber (GEMA), Stefan Liebing (Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände), Gerald Mertens (Deutsche Orchestervereinigung), Heinz-Dieter Sommer (Hörfunkdirektor des Hessischen Rundfunks und als langjähriges Präsidiumsmitglied des Musikrates am entstandenen Schlamassel nicht ganz unbeteiligt) und – auf spontane Einladung des Insolvenzverwalters kurzfristig dazugestoßen – Ulrike Liedke, Musikrats-Vizepräsidentin.)
Die Westrickschen Eckpunkte für die neue Struktur des DMR stehen bis hin in räumliche und personelle Entscheidungen nämlich fest: Die Geschäftsbereiche des Deutschen Musikrates hat der Insolvenzverwalter neu geordnet wie folgt:
Margot Wallscheid: Geschäftsführerin Musik Informationszentrum und „Sonstiges“ inkl. Organe des Musikrates.
Peter Ortmann: Geschäftsführer Projekte und Öffentlichkeitsarbeit.
NN: Geschäftsführer Kaufmännisches, (Buchhaltung, Gesamtbudget, Personal, innere Kommunikation, Abläufe und Verfahren, zentrale Logistik, Materialwirtschaft und Einkauf, EDV, zentrales Fundraising, Musikwirtschaft, Recht, öffentliches Zuwendungsrecht): vorläufig: Kanzlei Westrick.
Erübrigt sich zu erwähnen, wer alle Fäden in der Hand hält. Und in Branchenkreisen gilt Westrick als besonders „haltbarer“ Insolvenzverwalter, der Klienten besonders „langfristig“ betreut, was sich ja auch günstig aufs Honorar auswirken kann.
Die nächste schallende Ohrfeige für das noch amtierende Präsidium und die in der Generalversammlung vertretenen Mitgliedsverbände liegt in der - einer politischen Entmündigung gleichkommenden - Entscheidung, praktisch alle Zweigstellen in Bonn zu konzentrieren. Gegen alle demokratisch verabschiedeten Beschlüsse von Präsidium und Generalversammlung, sich aus kulturpolitischen Gründen nach Berlin zu orientieren, verordnet Westrick:
Bundesjugendorchester: „Zieht so bald als möglich nach Bonn um. Die Konsequenzen für.....bespricht der (Insolvenz- d. Red.) Verwalter mit den Betroffenen und dem Betriebsrat.“
Deutscher Musikwettbewerb, Bundesauswahlkonzert junger Künstler: „DMW hat 25 Jahre in Bonn residiert. Der Wettbewerb findet alternativ in BN und Berlin statt. BAJK wird....in Bonn gemacht. Beide Projekte ziehen so bald als möglich nach BN um. Personelle Konsequenzen s. o.“
Dirigentenforum: zieht so bald als möglich nach BN um. Personelle Konsequenzen s. o.“
Musik in Deutschland: „Zieht auch nach BN um. Personelle Konsequenzen s. o.“
Jugend musiziert, München: „Herren Ortmann, Rabbow und Westrick fahren nach München, um mit den dortigen MA (Mitarbeitern, d. Red.) die Projekte und deren Standort zu erörtern. Zuwendungen vom Freistaat sind zu berücksichtigen.“

Wozu noch Verein, Präsidium, Mitgliedsverbände, Generalversammlung, bürgerschaftliches Engagement, Kompetenz-Netzwerke? Das deutsche Musikleben ist in den Händen des Insolvenzverwalters doch bestens aufgehoben. Und eigentlich entsteht so ein Modell für unsere ganze, kränkelnde Bundesrepublik. Weg mit den teuren demokratischen Strukturen, den Wahlen, den Politikern - am besten: den Bürgern. Übergebt das Land doch McKinsey oder ähnlichen Sanierern. Die steuern das Schiff dann schon aus den Klippen.

Mittlerweile häufen sich freilich die Proteste gegen die mutmaßlichen Kompetenzüberschreitungen des Insolvenzverwalters. Klare Worte fand der Präsident des Landesmusikrates Berlin, Christian Höppner: http://www.nmz.de/kiz/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid…

Weitere Stellungnahmen werden wir im KIZ veröffentlichen und auch in der Print-nmz dokumentieren.
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