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Schimmel am göttlichen Instrument - Schimmelsporen in Kirchen der Hauptstadtregion [update, 7.2.]

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Berlin - Die weißen Schimmelflecken im Innenraum der imposanten Orgel in der Rosenthaler Kirche am Stadtrand von Berlin sind nicht auf den ersten Blick zu erkennen. "Da setzen sich die Sporen ab", sagt die Kantorin Heidegard Moll und zeigt auf zahlreiche erbsengroße Tupfer auf dem Holz.

Seit vielen Jahren habe die Kirche mit der Feuchtigkeit zu kämpfen, fügt sie hinzu. "Das hängt mit dem Heizsystem und schlechten Möglichkeiten zur Lüftung zusammen", erklärt die studierte Kirchenmusikerin. Da die Luft im Innenraum der Orgel besonders wenig zirkuliere, setze sich der Schimmel am Instrument ab.

Das Problem in der Rosenthaler Kirche ist kein Einzelfall. Mehrere Sachverständige der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz bestätigen eine Zunahme des Schimmelbefalls an den Orgeln in der Hauptstadtregion - zentral erfasst wird das Auftreten der Sporen jedoch nicht. Die Instrumente werden von den einzelnen Gemeinden betreut, die eigenständig Maßnahmen gegen den Schimmel einleiten, wie eine Sprecherin erläutert. Doch sowohl in Berlin als auch in Brandenburg wisse die Landeskirche von etlichen betroffenen Orgeln.

Nach einer Sanierung muss anders gelüftet werden

In der vermutlich ab dem 13. Jahrhundert erbauten Rosenthaler Kirche ist die Feuchtigkeit besonders im Sommer zu spüren. "Wenn wir keine Abdeckung über der Tastatur hätten, würde es auch da richtig nass werden", sagt Moll. Die Fenster des Gotteshauses sind fest im Mauerwerk verbaut und lassen sich nicht öffnen. "Wir können einfach keinen richtigen Durchzug machen", sagt Moll. Mittlerweile sei ein Entlüfter aufgestellt worden, der aber nur wenig Verbesserung bringe.

Wie gefährlich die Schimmelflecken für die Mitarbeiter und Gemeindemitglieder sind, lässt sich nur schwer abschätzen. Nicht alle Sporen sind gesundheitsgefährdend. Ein gutes Gefühl hinterlassen sie jedoch nicht.

Moll übt ihre Musikstücke meist zu Hause und spielt nur zu den Gottesdiensten in der Kirche. "Für Organisten, die jeden Tag in den Kirchen üben, ist es sicherlich gefährlich", vermutet die Musikerin. Eigentlich müssten die Orgelpfeifen regelmäßig fachmännisch gesäubert werden - dafür fehle der Kirche aber das Geld, sagt Moll.

Eine solche Reinigung bietet das Unternehmen Alexander Schuke Potsdam Orgelbau in Werder an der Havel an. Oftmals sei der Einbau von Heizungen oder eine Sanierung der Kirchen Auslöser für den Schimmelbefall, sagt der kaufmännische Leiter Detlef Zscherpel. "Die Fenster, die heute eingebaut werden, sind richtig dicht", fügt er hinzu. Wenn dann beispielsweise an Weihnachten viele Menschen in der Kirche seien, müsse danach besonders gut gelüftet werden - am besten mit Durchzug.

"Die feuchtwarme Luft schlägt sich immer an der kältesten Stelle nieder - was in einer Kirche meist der Orgelraum ist", erklärt der Experte. Zudem werde vor einem Gottesdienst schnell aufgeheizt, obwohl abrupte Temperaturänderungen vermieden werden sollten. "Das Beste ist für die Orgel, wenn gar nicht geheizt wird, dann ist die Raumfeuchtigkeit meist gleich bleibend", sagt Zscherpel.

Schimmel kann das Instrument schädigen

Auch Moll weiß, dass das Heizsystem meist die größte Ursache für den Schimmelbefall ist. "Im Prinzip müsste der ganze Raum vor einem Gottesdienst im Winter über drei Tage hinweg sachte erwärmt werden", sagt die Organistin. Doch die Gemeinde habe kein Personal, um diesen Aufwand zu stemmen. Der zuständige Orgelbauer habe schon vor sieben Jahren ein Hygrometer an das Instrument gestellt, um die Raumfeuchtigkeit besser kontrollieren zu können. "Seitdem ist der Schimmel in etwa gleich geblieben", sagt Moll.

Glücklicherweise sei die mehr als 100 Jahre alte Orgel durch den Schimmel noch nicht ernsthaft beschädigt worden, sagt die Musikerin. Doch besonders die verarbeiteten Naturmaterialien wie Holz, Leder oder Filz seien anfällig für die Sporen. Sollte sich der Schimmel innerhalb einer Orgelpfeife absetzen, würde dies den Ton verstimmen, erklärt Moll und ergänzt: "Im schlimmsten Fall fällt eine ganze Pfeife aus."

 

[update, 7.2.]:

EKM nimmt Schimmelbildung an Kirchenorgeln ins Visier

Erfurt - Die Evangelische Kirche Mitteldeutschland (EKM) will der zunehmenden Schimmelbildung an Kirchenorgeln wissenschaftlich auf die Spur kommen. In einer auf drei Jahren angelegten und etwa 260.000 Euro teuren Untersuchung sollten zunächst die Ursachen für das Phänomen geklärt werden, sagte der Fachreferent für Orgeln der EKM, Christoph Zimmermann, der Nachrichtenagentur dapd in Erfurt. Frühestens ab 2016 könnten dann in einer zweiten Phase Gegenmaßnahmen erarbeitet werden.

Die Kirchenorgeln in Thüringen und Sachsen-Anhalt werden immer häufiger von Schimmel befallen. Im Einzugsbereich der EKM seien mittlerweile über 100 Instrumente betroffen, hieß es. Selbst an historischen Orgeln werde das Problem immer häufiger beobachtet. Die endgültigen Finanzierungszusagen für das Forschungsprojekt stehen derzeit allerdings noch aus.

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