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Theater und Literatur aktuell +++ Theater und Literatur aktuell

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«Sternstunde des Josef Bieder» begeistert im Berliner Hansa-Theater +++ Zittauer Theater spielt für Döbeln +++2. Literaturfestival Berlin diskutierte über Folgen des 11. September +++ Grass-Biograf: Autor hat gespanntes Verhältnis zu Kritikern +++ Vorhang auf fürs politische Theater - Festival der Freien Bühnen +++ Neuer Schauspieldirektor in Rudolstadt startet mit Brecht-Stück

«Sternstunde des Josef Bieder» begeistert im Berliner Hansa-Theater
Im Berliner Hansa-Theater ist am Mittwochabend die «Die Sternstunde des Josef Bieder» als zweite Premiere der neuen Saison begeistert aufgenommen worden. Bei dem Stück handelt sich um ein Solo-Gastspiel von Walter Renneisen, das im September noch sieben Mal zu erleben ist. Bei dem launig-informativen Ein-Mann-Theater des früher an der Deutschen Staatsoper Berlin tätigen Dramaturgen Eberhard Streul erzählt ein Requisiteur vieles über das Innenleben eines Theaters, die Stärken und Unarten seiner Künstler. Otto Schenk hat den Text weiter bereichert, Walter Renneisen fügte musikalische Momente hinzu.
Renneisen spielt im Verlauf des Abends, an dem er auch singt und Ballett parodiert, nicht weniger als acht Instrumente von den Kastagnetten über die Tuba bis zum Alphorn. Am 2. Oktober folgt ein weiteres Soloprogramm von ihm: Patrick Süskinds «Der Kontrabass».
Unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) lädt die Bühne am Samstag (14.00 Uhr) zu einem Kiez-Theaterfest ein, dessen Erlös Hochwasseropfer zugute kommen soll. Es gibt musikalisches Kabarett, Chanson- und Song-Programme, unter anderem mit Evelin Förster, und Schlager der 20er Jahre. Für Kinder wird eine Malwerkstatt unter der Leitung von Bühnenbildnerin Alexandra Jacob auf der Probebühne vorbereitet.

Zittauer Theater spielt für Döbeln
Zu Gunsten des Döbelner Theaters geht die «Rocky Horror Show» an zwei Abenden in Zittau über die Bühne. Einnahmen aus den Vorstellungen am Samstag und am 22. September sollen der Spielstätte zugute kommen, die vom Muldehochwasser schwer getroffen wurde. Außerdem will das Zittauer Gerhart-Hauptmann-Theater für Flutopfer im tschechischen Usti nad Labem Geld spenden, wie die Leitung des Hauses mitteilte. Für den guten Zweck werden am Samstag auch Kultartikel versteigert, die der Rocky-Horror-Fanclub Deutschland zur Verfügung gestellt hat.
Das Erdgeschoss des Döbelner Theaters war bis unter die Decke überflutet worden. Unterbühne, Orchestergraben, Foyers, Fundus, Archive, Instrumente, Notenpulte und die Theaterkasse standen tagelang unter Wasser. Bereits am Wochenende startete das Deutsch-Sorbische Volkstheater in Bautzen eine Spendenaktion für die Kollegen in Döbeln. Dabei kamen gut 1500 Euro zusammen.

2. Literaturfestival Berlin diskutierte über Folgen des 11. September
Mit einem ganztägigen Symposium «Reflections I» hat sich das 2. internationale literaturfestival berlin in die Debatte um die Folgen der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA eingemischt. Im Berliner Ensemble, dem Hauptveranstaltungsort des Festivals, legten prominente Intellektuelle mehrerer Länder am Mittwoch vor Publikum sehr verschiedene Ansichten dar. Der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy rechtfertigte den Krieg in Afghanistan als eine Folge der Ereignisse vor einem Jahr. Tariq Ali, im heutigen Pakistan geborener Schriftsteller, wies auf Ursachen des islamischen Fundamentalismus hin. Eliot Weinberger aus den USA kritisierte die Einschränkung von Bürgerrechten in seinem Land nach
dem 11. September. Der tunesische Autor Abdelwahab Meddeb nannte die Terroranschläge einen gewaltigen politischen Einschnitt.
In der teils sehr emotionalen Debatte, moderiert von Europaabgeordnetem Daniel Cohn-Bendit (Grüne), betonte Lévy die positiven Folgen des Krieges in Afganistan, die er bei einem soeben beendeten zehntägigen Besuch im Land feststellen konnte. Lévy baut gemeinsam mit afghanischen Kollegen die Zeitung «Nachrichten aus Kabul» auf, die er zwei Jahre lang betreuen will. Das Blatt soll in Französisch sowie in zwei Stammessprachen erscheinen. Um ein demokratisches Regime in Afghanistan zu errichten, sei eine freie Presse zwingend notwendig, unterstrich Lévy.
Nach Ansicht von Tariq Ali haben die USA den 11. September für ihre eigenen Interessen genutzt. US-Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice hätte kurz nach den Anschlägen unverhohlen gesagt, es gehe darum, die Weltkarte neu zu gestalten. Ali, dessen neuestes Buch «Fundamentalismus im Kampf um die neue Weltordnung» im Frühjahr erschienen ist, betonte, die islamistischen fundamentalistischen Strömungen waren vor dem 11. September im Rückgang begriffen. Ein Krieg der USA gegen Irak werde keine Lösung im Umgang mit den islamistischen Fundamentalisten bringen. Notwendig sei, die Palästina-Frage zu lösen sowie Demokratien in Saudi-Arabien und in Ägypten aufzubauen. Vor allem aus diesen beiden Ländern würden gebildete Männer des Mittelstands für Terroranschläge rekrutiert.
In den USA habe sich das Klima seit dem 11. September 2001 verschärft, sagte Eliot Weinberger, der spanische Literatur in das Amerikanische übersetzt. Hunderte Männer mit arabischem Aussehen seien ohne Gerichtsurteil inhaftiert worden. Bis heute kenne niemand die genaue Zahl, ihr Schicksal sei ungewiss. US-Justizminister John Ashcroft habe mit Hilfe des Kongresses Gesetze verschärft, Millionen US-Amerikaner seien aufgefordert worden, Spitzeldienste zu leisten. Eine Einwanderung gebe es praktisch nicht mehr. Hunderttausende mexikanische und kanadische Studenten könnten ihre Studien nicht fortsetzen. Kritik an der Regierung würde mit Verrat gleichgesetzt, Widerstand in Medien verschwiegen.
Das Festival wird die Reihe «Reflections» am 13. und 15. September im Berliner Ensemble und im Deutschen Theater fortsetzen. Dabei geht es unter anderem um die Fragen «Europäischer Islam: Brücke oder Radikalisierung?» und «Was ist Antisemitismus?»

Grass-Biograf: Autor hat gespanntes Verhältnis zu Kritikern
Literaturnobelpreisträger Günter Grass ist nach Auffassung seines Biografen Michael Jürgs auf Kritiker nicht gut zu sprechen. Der Autor erwähne den Namen Marcel Reich-Ranicki nicht mal mehr, sagte Jürgs der Illustrierten «Bunte». Reich-Ranicki hatte den 1995 erschienenen Roman «Ein weites Feld» von Grass total verrissen. «Der könnte jetzt Hymnen über Grass-Bücher schreiben oder wie beim \'Krebsgang\' in öffentliche Rührung und Tränen ausbrechen, das alles ist Grass egal», sagte Jürgs.
Auch zu Literaturkritiker Hellmuth Karasek habe Grass ein gespanntes Verhältnis. «Die beiden reden auch nicht mehr miteinander. Da geht nichts, überhaupt nichts mehr.» Weniger hart gehe Grass mit Walter Jens um. Der Tübinger Rhetorikprofessor sei «einer von denen, deren protestantische, kämpferische Nüchternheit Grass mag». Allerdings würden die beiden «sicher nie zusammen in einer Kneipe sitzen und einen zischen».
Michael Jürgs hat nach Büchern über die Schauspielerin Romy Schneider und den Verleger Axel Springer soeben seine Biografie «Bürger Grass» vorgelegt.

Vorhang auf fürs politische Theater - Festival der Freien Bühnen
Eine große Bühne für aktuelles politisches Theater bietet das 5. Festival «Politik im Freien Theater» im Oktober in Hamburg. Aus mehr als 300 gesichteten Aufführungen der vergangenen zwei Jahre wählte eine Jury 17 Produktionen des professionellen Freien Theaters aus, die vom 22. Oktober bis zum 2. November in der Hansestadt gezeigt werden. «Alle Stücke sind sowohl politisch als auch ästhetisch am Puls der Zeit», sagte Bernd Hübinger von der Bundeszentrale für politische Bildung am Mittwoch in Hamburg. Das alle drei Jahre stattfindende Festival wird von der Bundeszentrale, der Landeszentrale für politische Bildung in Hamburg sowie der Kulturbehörde veranstaltet.
Deutlicher Schwerpunkt sei in diesem Jahr die Zukunft der Arbeit vor dem Hintergrund von New Economy und Globalisierung, sagte Hübinger. Doch auch die NS-Vergangenheit, Migration, Gewalt und Feminismus seien in der freien Theaterszene dominante Themen und ebenfalls auf dem Festival vertreten. Zu sehen sind die Stücke am Deutschen Schauspielhaus, im Thalia Theater, den Kammerspielen sowie auf Kampnagel.
In 45 Aufführungen werden Produktionen aus Arnsberg, Berlin, Braunschweig, Dresden, Jena, München, Münster, Tübingen, Stuttgart, Wien und Zürich präsentiert. Das Festival ist zudem ein künstlerischer Wettbewerb. Eine unabhängige Jury vergibt Preisgelder in Höhe von 20 000 Euro, und als Sonderpreis zeichnet 3sat/ZDF-Theaterkanal eine Produktion in voller Länge auf. Die Preisträger werden am 2. November bekannt gegeben.

Neuer Schauspieldirektor in Rudolstadt startet mit Brecht-Stück
Rudolstadt (ddp-lth). Als erstes Stück der neuen Spielzeit im Theater Rudolstadt hat am Samstag Brechts «Der kaukasische Kreidekreis» Premiere. Es ist die erste Inszenierung von Christoph Brück als neuem Schauspieldirektor des Hauses, der die Produktion mit einem neu formierten Ensemble realisiert. Mit «Creeps» schließt sich am 19. September ein Jugendstück von Lutz Hübner um unseriöse Praktiken im Showgeschäft an.
Die gerade begonnene Spielzeit ist die letzte gemeinsame der Thüringer Landestheater Eisenach-Saalfeld-Rudolstadt GmbH. Die Stadt Eisenach und der Wartburgkreis hatten im Juni dieses Jahres überraschend die seit der Spielzeit 1995/96 bestehende Zusammenarbeit zum Ende der Saison 2002/2003 überraschend aufgekündigt. Dadurch müssen auch das Theater Rudolstadt und die Thüringer Symphoniker Saalfeld eigene Wege gehen.
Das Theater Rudolstadt wird sich ab der Spielzeit 2003/2004 mit einem um fünf auf 28 Stellen aufgestockten Ensemble vor allem auf Schauspiel und Musical konzentrieren. Daneben gilt das Augenmerk verstärkt dem Kinder- und Jugendtheater. Das Orchester soll mit 37 Musikern erhalten bleiben, die mit ihren Konzertprogrammen auch in der Region gastieren. Um dem Publikum auch Musiktheater bieten zu können, ist eine Kooperation mit dem Theater Nordhausen geplant. Im Gegenzug wollen die Rudolstädter dort ihre Schauspielinszenierungen zeigen.





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