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Zur Herzenswärme kommt die Wut: Glen Hansard giftet gegen Trump. Foto: CD-Cover
Zur Herzenswärme kommt die Wut: Glen Hansard giftet gegen Trump. Foto: CD-Cover
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Zur Herzenswärme kommt die Wut: Glen Hansard giftet gegen Trump

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Berlin - Dass gutes Handwerk goldenen Boden hat, beweist immer wieder aufs Neue der Singer-Songwriter Glen Hansard. Auf seiner aktuellen Platte klingt alles noch ein bisschen üppiger als üblich. Und ein Ventil für seine Wut über Donald Trump findet der sympathische Ire auch.

Es war ein langer Weg vom Straßenmusiker in Dublin bis zu diesem Album. Von den kleinen Liedern vor dem Pub an der Ecke, nur mit Gitarre und Gesang, bis zu den opulenten Rock- und Soulsongs auf «Between Two Shores». Und doch liegt eine schöne Logik in der langjährigen Entwicklung des Glen Hansard vom irischen Folk-Underdog zum gefeierten Oscar-Preisträger, der längst in großen Hallen spielt.

Im Mittelpunkt stand und steht bei diesem Songwriter stets eine handwerklich sauber komponierte, mit viel Herzenswärme und angerauter Stimme gesungene Melodie - ohne modischen Schnickschnack, mit klarem Bezug auf Vorbilder wie Bob Dylan, Bruce Springsteen oder Van Morrison. Das war bei seiner ersten, 1990 gegründeten Indieband The Frames nicht anders als heute, da Hansard mit Topmusikern in erstklassigen Tonstudios aufnimmt.

Für «Between Two Shores» reiste der 47-Jährige in die USA und nach Frankreich, um zehn neue Lieder zu entwickeln und ihnen ein gewisses Stadionformat inklusive fetter Bläsersätze und Hammondorgel-Schübe zu verpassen. Vor allem der Start der Sessions im Loft, dem Chicagoer Studio der mit ihm befreundeten grandiosen Folkrocktruppe Wilco, sei «sehr inspirierend» gewesen, erzählte Hansard dem Musikmagazin «Rolling Stone».

Die älteren Demos ließ Hansard dann erstmal eine Weile in der Schublade, um sie im März 2017 noch einmal aufzugreifen und mit seiner siebenköpfigen Tourband sowie einigen Gästen einzuspielen. «Dieser Abstand kann sehr gesund sein», sagt er jetzt. «Denn das Problem von Songwritern ist ja oft, dass sie sich allem so wahnsinnig emotional verbunden fühlen. Man hält alles, was man macht, für verdammt wichtig.»

Ein typischer Satz für Hansard, dessen Bodenständigkeit und uneitles Auftreten ihn auch als Solokünstler populär machen. Nach The Frames und dem Duo-Projekt The Swell Season mit Sängerin Markéta Irglová, aus dem der Oscar-Song «Falling Slowly» (2008) hervorhing, hat der nun wieder am Rande von Dublin lebende Ire eine solide dritte Karriere unter eigenem Namen hingelegt.

Wer Hansard bisher nur als sanften rotlockigen Romantiker aus dem Filmmusical «Once» kannte, dürfte von «Between Two Shores» trotz vieler vertrauter Harmonien hier und da überrascht sein. Nicht nur weil die Arrangements näher am Südstaaten-Soul und am Springsteen-Sound sind als gewohnt (der Opener «Roll On Slow» beispielsweise nimmt direkt Bezug darauf in der Zeile «Thunder Road blasting out on E Street Radio»). Sondern wegen neuer politischer Töne etwa im wütenden «Wheels On Fire».

Der Trump-Schock ist auch an diesem europäischen Songwriter nicht spurlos vorübergegangen. Hansard spricht den US-Präsidenten schon in den ersten Textzeilen direkt als Lügner und Spalter an: «Well You say You're one/For working 'til the work is done/But I don't see You lift a hand/To help out one of Your fellow men.» Und so geht es giftig weiter. Für den Refrain leiht er sich in leichter Abwandlung den berühmten Satz «We shall overcome!» bei den US-Ikonen Pete Seeger und Joan Baez.

Hansard stilisiert sich - bescheiden wie er nunmal ist - nicht gleich zum großen Protestsänger, sagt aber in einem MDR-Interview: «Ich habe den Song aus Wut geschrieben. Aus Wut über eine bestimmte Person, der ich negative Energien senden wollte. Kein guter Zug. Aber eigentlich ist es auch gar nicht so verkehrt, mal jemandem negative Energien senden zu können. Zum Beispiel dem Mann mit dem gelben Hut im Weißen Haus.»

Am Ende eines perfekt produzierten Albums kommt dann aber doch wieder der bewährte Tröster Glen Hansard zu Wort: «Time Will Be The Healer» heißt die hymnische Ballade, mit der er trotz aller Sentimentalität gekonnt die Kitsch-Klippen umschifft. So könnnte dieser hochsympathische Singer-Songwriter noch ein Weilchen weitermachen, ohne dass es langweilig oder peinlich würde.

 

Audio CD und Vinyl (erscheint am 19. Januar 2018)
Label: Anti (Indigo)

 

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