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Moritz Eggert. Foto: Juan Martin Koch

Moritz Eggert.

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Vom Wagen und Scheitern

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Absolute Beginners 2025/12
Vorspann / Teaser

KI-Konzert in der Reaktorhalle – ein Student hat Fanny Mendelssohn als Avatar wiederbelebt und ausführlich mit Informationen gefüttert. Nun darf das Publikum der virtuellen Fanny (projiziert auf eine Leinwand) beliebige Fragen stellen. „Welche Reisen waren für Dich besonders wichtig?“. Fanny antwortet prompt, mit der unheimlichen Mimik, die man dem „uncanny valley“ zuordnet und einer Stimme wie die einer Berliner Influencerin: „Ganz besonders einprägsam war meine Italienreise. Dort konnte ich wichtige Eindrücke sammeln.“ Es folgen lange Ausführungen über die Erlebnisse Fanny Mendelssohns in Rom.

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So weit so gut – die virtuelle Fanny ist also in der Lage selbstständig Fragen zu beantworten. Gleich die nächste Frage aus dem Publikum: „Welche Lehrer waren für Dich bedeutend und wie haben sie dich beeinflusst?“. Fanny antwortet, wie aus der Pistole geschossen: „Ganz besonders einprägsam war meine Italienreise. Dort konnte ich wichtige Eindrücke sammeln.“ Es folgen erneut dieselben Beschreibungen der Reise nach Rom inklusive aufgezählter Fußnoten.

Aber wie steht es um ihre Rolle als Frau im 19. Jahrhundert? Fühlte sie sich missverstanden oder nicht ernst genug genommen? Auch hier weiß Fanny Antwort: „Ganz besonders einprägsam war meine Italienreise. Dort konnte ich wichtige Eindrücke sammeln.“

Schnell wird klar, dass viel mehr von Fanny nicht kommen wird, der Prototyp scheint noch nicht ganz ausgereift.

Kurz davor saß ich im selben Konzert am Klavier und spielte eine schöne Komposition eines Studenten, die den Steingraeber-Transducer-Flügel in eine Art Windmaschine verwandelt. Alles ging gut, bis sich beim Wechsel auf Patch 6 das gesamte Sampler-Programm des angeschlossenen Laptops aus unerklärlichen Gründen aufhängte. Anstelle von Windgeräuschen erklangen nun also nur noch die Töne des Flügels, ein Stilbruch in einem ansonsten stilsicheren Stück. Was tun? Irgendwie im selben Stil improvisieren, während meine Assistentin hektisch einen Neustart des Laptops erzwang – danach konnte es weitergehen.

In einem weiteren Stück desselben Abends sollte eine KI die Bewegungen des Dirigenten in komplexe Zeitverzögerungseffekte verwandeln. Dies ging auch eine Weile gut, dann irgendwann nicht mehr, und niemand verstand wirklich, was der Grund für die Bockigkeit der Software war.

Was lernen wir daraus? Ist es sinnlos, Technik zu benutzen? Ist es peinlich, in einem Konzert Fehlerhaftes zu präsentieren oder ein gestartetes Stück abzubrechen?

Ich denke nein. In jedem guten Hochschulkonzert sollen Dinge ausprobiert werden, es ist klar, dass nicht alle davon gelingen. Manche scheitern an der Technik, manche auch am künstlerischen Ansatz. Egal, Hauptsache es wird etwas versucht. Wer nie scheitern will, wagt auch nichts. Wer nie etwas wagt, lernt nichts. Und wer nie Fehler macht, wird auch nicht aus Fehlern lernen.

All dies gehört zur künstlerischen Entwicklung der jungen Menschen, die uns später mit dem, was sie einmal ausprobiert haben, in Vollendung begeistern werden. Es ist wichtig, dass sie auch das Nicht-Gelingen und das Umgehen damit lernen, denn natürlich ist man auch in seiner späteren Laufbahn vielen Überraschungen ausgesetzt und lernt schnell, dass es so etwas wie eine „perfekte“ Aufführung eigentlich nie gibt. Und das ist vielleicht gut so, denn wäre alles ständig perfekt, wäre auch alles gleich und man würde sich an nichts mehr erinnern.

Das oben beschriebene Konzert wird dagegen niemand der Anwesenden so schnell vergessen. Beim nächsten Mal klappt es bestimmt!

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