Vor knapp einem halben Jahr war das Debütalbum der Band Velvet Revolver mit dem Titel „Contraband“ erschienen. Wem das Line Up der Band bekannt war, konnte ahnen, dass diese Platte nach oben stürmen würde. Duff Mc Kagan (Bass), Matt Sorum (Schlagzeug) und Slash (Gitarre), alle drei einst Kreativköpfe bei Guns’n’Roses, bilden den Kern der Gruppe, die durch Dave Kushner, einem vielbeschäftigten Studio-Gitaristen instrumental komplettiert wird. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen wurde Grunge- Ikone Scott Weiland (Ex-Stone Temple Pilots und von einem Gericht zum Zwangsentzug verurteilter Ex-Junkie) als Sänger verpflichtet. Mit insgesamt fünf Konzerten war im August auch Deutschland auf dem Tourplan. Den Löwenanteil des Publikums bestritten die Anfang- bis Mittdreißiger. Jene, die sich vor dem Konzert noch über ihre 90er- und 92er-Guns’n’Roses-Tourerlebnisse austauschen mussten.
Um 20 Uhr fiel der Startschuss, die Backyard Babies durften den Abend eröffnen. Als Anheizer und Vorband verrichteten sie einen tadellosen Job und mit ihrem Straßen-Rock’n’Roll der derben Art war für Wohlfühlatmosphäre gesorgt.
Wie es sich für eine so genannte Supergroup gehört, war erst einmal Warten angesagt, dabei gab es weder technische noch lokale Probleme. Nach über einstündiger Pause untermalt mit gellenden Pfiffen der Zuschauer gaben sich die Herrschaften Weiland & Co also dann doch noch die Ehre. Velvet Revolver betreten die Bühne und das sinnlose Herumstehen scheint stante pede vergessen. Innerhalb kürzester Zeit sind die Bewunderer aus dem Häuschen, recken Fäuste in die Höhe, schütteln Haarmähnen und kennen jede einzige Zeile jedes Songs auswendig. Eine deformierte Art der Beatlemania kommt gar auf, sobald Slash die Frontmonitore besteigt und seine berühmt-berüchtigte Les-Paul-Gitarre flaggengleich in die Höhe streckt und dabei spielt. Obwohl man erwartet, dass die Herrschaften ihr musikalisches Handwerk perfekt beherrschen, ist es bemerkenswert, mit welcher Leidenschaft sie ihre Songs nach so vielen Jahren Business noch zelebrieren. Abgebrühte Profis sind alle, die da jetzt auf der Bühne stehen. Aber gerade ihre Entertainment Erfahrung spielen sie in dieser kleinen Halle – verglichen mit den Stadien, die sie mit ihren Vorgänger- Bands gefüllt haben – voll aus.
Ihre Performance wirkt intim und versprüht Wohnzimmer-Atmosphäre. In derartigen Läden wurden sie in L.A. oder Seattle entdeckt. Um allabendlich ihre Show durchzustehen, scheinen die als feierwütig bekannten Velvet Revolver Musiker übrigens ordentlich in Punkto Fitness trainiert zu haben. Nach Eskapaden im drogentechnischen Sinn sehen die Waschbrettbäuche (natürlich reißt sich die Band, wie es sich für Rocker gehört, sämtliche T-Shirts während des Konzerts vom Leib) nicht aus, wenngleich verständlicherweise im Alter etwas eher auf die Konzertbremse gedrückte wird, denn nach gut 50 Minuten verlassen Velvet Revolver bereits die Bühne.
Entschädigt wird man mit zwei Zugabenblöcken, die nach allen Regeln der Kunst aufgebaut sind. War das Konzert bis auf „It’s so easy“ ausschließlich mit Songs vom Album „Contraband“ geprägt worden (deren Intros, Outros sowie Soli beliebig verlängert wurden), war es an der Zeit, die letzten Asse auszuspielen und nun Songs aus der Guns’n’Roses- beziehungsweise Stone Temple Pilots-Ära abzufeiern.
Zeitreisig versetzt fühlte man sich, als Slash mit Zylinder auf dem Kopf und Marlboro im Mundwinkel auf die Bühne zurückkehrte und die Guns’n’Roses-Nummern „I Used To Love Her“ und „Mr. Brownstone“ lässig, lakonisch und dreckig intonierte oder Scott Weiland herrlich abgewrackt „Sex Type Thing“ aus seiner Bandvergangenheit anstimmt. Und obwohl es aus der Mode zu sein scheint, Schlagzeug-Soli zu spielen: wenn ein Weltklasse Mann wie Matt Sorum (Ex-The Cult) sein Können zelebriert, reißt das nach wie vor jeden Fan mit und hätte an diesem Rockabend der Prägung 90er einfach gefehlt.